Mit internationalen Stars aus dem Show-Business machte die Digitalbranche ihr zweitägiges Treffen in Köln zum Spektakel.
Mit Stars und PromisDigital X wird in Köln zu einem echten Spektakel
Georg Clooney ist der Magnet an diesem Mittwochabend, die Tribüne am Mediapark bis auf den letzten Platz gefüllt. Dann ein Moment kurzer Ratlosigkeit, als der Oscar-Preisträger nach den ersten Plaudereien einräumt: „Eigentlich finden sich meine sechsjährigen Kinder in der digitalen Welt besser zurecht als ich. Ich bin da mit 62 Jahren doch etwas unsicher, das muss ich zugeben.“ Doch nach einem Tag voller Digitalthemen findet Moderatorin Barbara Schöneberger mühelos Gesprächsstoff, schließlich lautet das diesjährige Motto ja auch „Be digital. Stay human.“ Und mit Menschen kennt Clooney sich aus. Mit seiner Frau hat er eine Foundation gegründet, die sich um die Einhaltung von Menschenrechten in aller Welt kümmert und zum Teil auch Kriegsverbrechen dokumentiert. „Es ist wichtig, dass wir die Verantwortung für unser Tun übernehmen“, so der 62-Jährige. Und meint das dann irgendwie auch ganz generell – sowohl für Niederlagen im Job, als auch für die Themen Klimawandel oder Nachhaltigkeit. Für diese müsse man die meisten Menschen auch gar nicht groß motivieren, „es ist doch direkt vor uns“, sagt Clooney, während er nebenbei noch von seiner Tequila-Firma erzählt.
Die Menschenmassen, die am frühen Abend vor der Bühne im Mediapark noch vergeblich auf Einlass warten, lassen an ein Festival denken, vielleicht auch an die Eröffnung des Straßenkarnevals. Irritierend ist in diesem Zusammenhang nur die Kleidung – die wiederum erinnert an einen Mix aus Geschäftstreffen und Erstsemesterwoche an der Uni. „Techies und Digital Natives, so viel frische Luft wie heute habt ihr in den letzten Jahren nicht gekriegt“, unterstellt Barbara Schöneberger, die als Moderatorin durch den Tag führt.
Ein Branchentreffen als „Ökosystem“
Das Event, das ein so buntes Publikum anzieht, ist die „Digital X“, im herkömmlichen Sprachgebrauch am ehesten als Messe oder Branchentreffen einzuordnen, ihre Veranstalter hingegen sprechen von einem „Ökosystem“. In jedem Fall aber eine Veranstaltung der Superlative, mit einem Millionen-Budget im Hintergrund.
Eine offene Initiative soll es sein, so das Versprechen auf der Homepage, ein Zusammenkommen von „Entscheidern“ aus Wirtschaft, Politik, Unternehmen und Verbänden. Google, Zoom, Samsung und weitere internationale Unternehmen treten als Partner der Telekom auf, die die Zusammenkunft erstmals 2017 initiierte, seither jährlich. Man wolle „Digitalisierung erlebbar machen“, so das erklärte Ziel, sie „dorthin bringen, wo sie das Leben und die Arbeit der Menschen betrifft“. Digital X soll Antworten auf die Fragen von Unternehmen liefern.
Insgesamt sechs Bühnen gibt es, verteilt durch die Innenstadt. Ausgangspunkt ist die „Inspiration Stage“ am Mediapark, von der aus Schöneberger temperamentvoll ihr Publikum anheizt, gekleidet in ein pinkfarbenes Etuikleid und pinkfarbene Bleistift-Pumps. „Klassischer Fall von Nerven verloren vor dem Kleiderschrank“, kommentiert sie und erklärt: Es habe aber einen Sinn. Der lässt sich unschwer identifizieren: Pink, genauer gesagt Magenta, ist die Farbe des Tages – zu sehen in Form von diversen Kleidungsstücken und Accessoires bis hin zu Schnürsenkeln. Was mit Blick auf den Hauptveranstalter nicht überrascht: Ein Stück weit ist Digital X eine große Werbeveranstaltung der Deutschen Telekom. Das aber charmant verpackt mit unterschiedlichsten Vorträgen, Informationsständen und viel Prominenz. George Clooney, Abba-Legende Björn Ulvaeus, Wladimir Klitschko oder der deutsche Unternehmer Frank Thelen sind nur einige der über 250 Redner. Abends traten dann noch „30 seconds to Mars“ am Mediapark mit ihrem einzigen Europakonzert auf — exklusiv für Telekom-Kunden.
Auch Kölns Oberbürgermeisterin spricht, von Schöneberger anmoderiert, wie man es über Henriette Reker wohl selten gehört hat: „Der gehört der ganze Bums hier.“ Trotz so ermutigender, wenngleich inhaltlich nicht wirklich korrekter Worte, findet Reker mit ihrer Rede nicht ins Tempo des Tages. Was schade ist, weil ihr nüchtern vorgetragenen Ziele durchaus dem Anliegen der Digitalbranche entsprechen: Es müsse endlich einen digitalen Sprung nach vorne geben, und zwar möglichst nicht in der Form, dass jede Kommune ihren eigenen Weg finden müsse: „Kleinstaaterei wollen wir nicht, das kostet Zeit.“ Wichtig sei, dass Digitalisierung zum Klima und den Sicherheitsstandards passe. Künstliche Intelligenz müsse im Einklang mit demokratischen, rechtsstaatlichen Werten stehen.
Digitalisierung ermöglicht lebensrettende Maßnahmen
In der Ukraine, sagte Oleg Polovynko, Digital-Manager der Stadt Kiew, rette die Digitalisierung Leben. Mit einer City-App können Bürgerinnen und Bürger auf digitale Karten zugreifen, die Schutzräume oder Bombenalarme anzeigen. Der Auftritt des Ukrainers auf der Hauptbühne, an der Seite von Wladimir Klitschko, der im Rahmen der Messe auch sein neues Buch vorstellte (Seite 4), ließ auch eine politische Komponente des Themas Digitalisierung durchblitzen, die sonst nur am Rande der Veranstaltung zur Sprache kam.
Künstliche Intelligenz (KI), das ist eines der zentralen Themen, das es mit dem diesjährigen Motto und Anspruch der Digital X in Einklang zu bringen gilt: „Be digital. Stay human.“ Digital sein und Mensch bleiben also. Aber wie? Anna-Maria Martini, die als Head of Costumer Engeneering bei Google Cloud den Bereich der Kundenentwicklung leitet, versteigt sich zu der Aussage, für sie persönlich sei KI „ein richtig guter Freund inzwischen“. Theatralisch breitet sie die Hände aus und reißt die Augen auf, während sie anpreist: „KI unterstützt darin, eigene Kreativität zum Leben zu erwecken!“ Von künstlicher Intelligenz könne man beispielsweise ein eigenes Buch schreiben lassen.
„Jeder hat Angst vor der KI“, ist dagegen die These von Futur-Expertin Amy Webb aus New York. So scheiden sich die Geister.
Wenig Werbung für die Originalität von KI-Texten, jedenfalls zum jetzigen Stand, ist allerdings die Anmoderation, die Schöneberger zu Hagen Rickmann über eine KI generieren ließ: „Hey, hey, hey! Bereit für eine humorvolle Reise in die Welt von Hagen Rickmann, dem Telekom-Zauberer? Dieser Mann hat nicht nur magische Kräfte, wenn es um Telekomunikation geht, sondern auch einen verblüffenden Sinn für Humor.“ Naja. Die Moderatorin, die zu diesem Zeitpunkt schon zahlreiche Lacher kassiert hat, prognostiziert: „Ich behalte meinen Job noch eine Weile.“
Auch Telekom-Chef Tim Höttges muss erleben, dass sein KI-gefütterter Avatar nicht jede Frage beantworten kann. „Was wäre ich, wenn ich eine Frucht wäre?“, möchte er im Live-Experiment wissen. Es folgt ein Vortrag über die Angebote der Telekom und nach wiederholter Frage die Äußerung: „Verzeihung, ich bin ein AI-Assistent und habe Ihre Frage nicht verstanden. Was bedeutet ‚Wenn ich wäre?‘ Könnten Sie das bitte präzisieren?“ Reibungslos klappt allerdings die Vorführung, dass der Avatar differenziert Möglichkeiten vorstellen kann, die die Telekom bietet. Bald, sagt Höttges, werde man als Kunde nicht mehr unterscheiden können, ob man es mit einem echten Menschen zu tun habe oder nicht.
Was der Vorstandsvorsitzende der Telekom kritisiert, sind politische Rahmenbedingungen. Zur „Fair Share Debatte“ habe Deutschland sich noch nicht positioniert, mahnt er und erklärt den Hintergrund: Globale Player profitieren von inländischen Netzen, ohne dafür zu zahlen. Diese Dynamik stamme aus den Anfangszeiten des Internets, werde heute aber diskutiert, denn: „Wir brauchen die Unterstützung der Konzerne, die die Kohle machen.“
Wer nicht nur hören wollte, konnte an zahlreichen Ständen auch Anwendungsbereiche der Digitalisierung sehen und fühlen: vom Waste-Shark, einer schwimmenden Drohne, die Abfall aus Gewässern saugt, über Roboter bis hin zum Medikamentendrucker.