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Rundschau-Interview mit ABBA-Björn in Köln„Es werden Lieder populär, von denen wir das nie gedacht hätten“

Lesezeit 5 Minuten
Björn Ulvaeus Residenz Kino Köln

Björn Ulvaeus beim Interview im Residenz Kino Köln

Im Interview mit der Rundschau erzählt Björn Ulvaeus über den ABBA-Film von 1977, die Bedeutung der Band und die nächsten Pläne.

Australien ist verdammt weit weg. Selbst in diesen globalen Zeiten bekommt man nicht immer alles mit, was dort in „Down under“ passiert.

Im Film „ABBA - The Movie“ hatte Robert Hughes 1977 einen Radio-DJ gespielt, der lange erfolglos versucht, die Band während ihrer Australien-Tournee zu interviewen.

2014 wurde Hughes zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er sich in den 80er und 90er Jahren an minderjährigen Mädchen sexuell vergangen habe. Erst im letzten Jahr wurde er auf Bewährung entlassen.

Film sollte nicht in der Versenkung verschwinden

„Ich habe auch gerade erst davon erfahren“, erzählt Björn Ulvaeus, eines der beiden Bs von ABBA, im Gespräch mit der Rundschau. „Aber ich denke, man sollte nicht einen Film in der Versenkung verschwinden lassen, weil jemand, der daran beteiligt war, später solche Taten begangen hat.“

Der Film steht in der Tradition der wunderbar albernen Beatles-Filme der 60er: Viel Musik, die von einer dünnen Handlung zusammengehalten wird. Jetzt kam er in einer restaurierten Fassung noch einmal in die Kinos, in Köln tauchte Björn Ulvaeus als Überraschung nach der Vorführung auf – am Abend, bevor er einen Vortrag auf der Messe „Digital X“ hielt.

„Ich habe den Film nicht gesehen, seit der Premiere 1977 in Stockholm. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie ich im Flugzeug nach Australien saß, und der Regisseure Lasse Hallström immer noch am Drehbuch schrieb“, erinnert er sich. „Für uns vier war die Anwesenheit der Filmcrew eigentlich eher nervig, denn wir waren so fokussiert auf die Konzerte.“

Scherzanruf von Rod Stewart

Gleich die erste Open Air-Show in Sydney stand auf der Kippe, weil nach tagelangem Regen das Gelände in Schlamm versank — Anlass für einen Scherzanruf von Rod Stewart, der zur Melodie von „Money, money, money“ in Telefon sang: „Muddy, muddy, muddy, always muddy in a rich man's world...“

Heute würde Ulvaeus eher eine Dokumentation drehen. „Und man muss sich ja nur die ,Mamma Mia'-Filme anschauen, um zu sehen, dass man so etwas viel besser machen kann.“

Dritter „Mamma Mia“-Film?

Aber ob es einen dritten Teil des Filmmusicals gibt, ist offen. „Ich habe gehört, dass Meryl Streep darüber geredet hat. Ich kann dem eigentlich nichts hinzufügen: Sag niemals nie. Es geht darum, dass jemand mit einer guten Drehbuch-Idee kommt. Aber das ist noch nicht passiert.“

Es gäbe zumindest noch ziemlich viele Lieder, die in den ersten beiden Filmen noch nicht zu hören waren. „Das stimmt. Dadurch, dass unser Katalog auch viel gestreamt wird, werden plötzlich Lieder populär, von denen wir das nie gedacht hätten. Ein Beispiel ist ,Angeleyes', das plötzlich für TikTok-Videos verwendet wurde.“

Und wenn er das erzählt, bekommt man das Gefühl, dass mit Björn nicht nur ein cleverer Geschäftsmann vor einem sitzt, sondern jemand, der immer wieder überrascht ist, was die Musik der Band immer noch auslösen kann.

Fester Bestandteil der Kultur

Hat er Angst, dass die Leute irgendwann die Nase voll haben von ABBA – so wie seinerzeit in den 80er Jahren? Seine klare Antwort: „Ja! Das muss ich dann hinnehmen. Aber ich denke, wir sind nicht nur Bestandteil der Pop-Kultur geworden, sondern der Kultur generell. Und Menschen werden etwas nicht leid, das präsent ist, ohne dass man großartig darüber nachdenken muss. Es ist einfach da. So scheint es zumindest mit unserer Musik zu sein.“

Nach wie vor zaubern ABBA-Songs immer auch ein Lächeln ins Gesicht, selbst so eine spaßige alte Nummer wie „Rock'n'Roll Band“ von 1973. „Oh bitte, nein!“, wehrt er lachend ab. „Das ist nun wirklich nicht einer meiner Favoriten. Bevor wir den ESC gewonnen haben, hatten wir gerade mal einen Tag pro Woche im Studio – und deshalb musste alles immer sehr schnell gehen. Die Lieder mussten fix fertig sein, was bedeutete, dass wir nicht genügend Zeit ins Songschreiben investierten. Aber nach ,Waterloo' hat sich das grundlegend verändert – und das hört man dann auch den Alben an.“

KI ist keine Bedrohung

Seit einiger Zeit hat Ulvaeus die Möglichkeit, „Deep Mind“, eine neue AI-App von Google, auszuprobieren. „Auch wenn es vielleicht naiv klingt, aber ich fühle mich nicht bedroht.“

Ganz im Gegenteil, er sei gespannt auf die Lieder, die so entstünden. Und eigentlich funktioniere es ähnlich, wie er zusammen mit Benny gearbeitet habe: „Wir haben uns viel Musik angehört, amerikanischen Rock oder auch deutschen Schlager, und im Unterbewusstsein aufgenommen. Das hat unsere Musik inspiriert!"

Musical-Premiere in Koblenz

Eines der nächsten Projekte, an der er gerade arbeitet, ist die deutsche Fassung des Musicals „Kristina från Duvemåla“, das er 1995 mit dem anderen B, Benny Andersson, schrieb. Der Texter Udo Brinkmann (er schreibt für Roland Kaiser, Helene Fischer oder Howard Carpendale) arbeitet an der Übersetzung. „Er schickt mir immer wieder deutsche Texte, und das sieht alles sehr gut aus!“ 2025 sollen die Geschichten von Schweden, die im 19. Jahrhundert nach Amerika emigrierten, in Koblenz aufgeführt werden.

Köln als Standort für „Voyage“, die Show, in der ABBA als Avatare auftreten, auf dem europäischen Festland schließt er auf jeden Fall aus. „Es tut mir leid, aber die Deutschen werden wohl erst einmal weiterhin nach London fahren müssen.“