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Vorreiter fürs VeedelDie Live Music Hall feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen

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Eine Mischung aus Halle und Club: Live Music Hall in Ehrenfeld

Köln – 30 Jahre sind eine lange Zeit. Alle Geschichten, die in dieser Zeit in der Live Music Hall geschrieben wurden, kriegen die Betreiber Micki Pick und Georg Schmitz-Behrenz nicht mehr zusammen. Doch mit dem, was in den Köpfen geblieben ist, ließen sich locker ganze Bücher schreiben. Da gab es etwa den Sänger der Rocker von „Placebo“. Dem war das Wasser im Backstage-Bereich zu kalt. „Der war dann drüben bei den Nachbarn duschen und war dann glücklich“, erinnert sich Schmitz-Behrenz.

Und dann war da noch diese Band, deren Name Micki Pick nicht mehr einfällt. Die spielte ein Konzert vor vollem Haus, alle waren glücklich. In der Nacht bekam Pick einen Anruf: Die Firma der Alarmanlage bat ihn zur Halle. Als er ankam, war die Polizei schon vor Ort und hatte einen Mann gefasst. Ein Mitglied der Band, der völlig besoffen und verwirrt in Unterhosen rumlief. „Der ist irgendwo eingeschlafen. Die Band hatte ihn vergessen und ist einfach weggefahren.“

Das eine dicke Highlight gibt es nicht

Das eine dicke Highlight, auf das alle mit leuchtenden Augen zurückblicken, gibt es hier nicht. Dafür sorgt vielmehr das große Ganze aus drei Jahrzehnten, das die Live Music Hall zu dem macht, was es heute ist: eine kulturelle Institution im Herzen Ehrenfelds. Tausende Bands sind hier aufgetreten. Prince spielte hier, genau wie Oasis, Rammstein, The Black Eyed Peas, The Killers, Linkin Park, Maroon 5, Die Toten Hosen, Jay Z, Fettes Brot, Bruno Mars oder Scooter – die Liste ließe sich ewig weiterschreiben.

In diesem Jahr feiert die Live Music Hall 30-jähriges Bestehen. Der Ursprung dieser Erfolgsgeschichte ist Micki Pick. Der besaß damals eine Agentur, mit der er für Bands Tourneen plante. „Irgendwann hatte ich die Schnauze voll, immer wieder bei Clubs nach Terminen zu fragen. Ich wollte einen eigenen Laden haben.“ Dass der in der Ehrenfelder Lichtstraße eröffnen sollte, war purer Zufall.

Gute Isolierung schlug hässliche Erscheinung

Als Pick die ehemalige Blechfabrik besichtigte, war das Urteil schnell gefällt: Total hässlich. Weil die gute Isolierung der Halle den Schönheitsaspekt überwiegte, ließ er sich dann doch überzeugen. Als sieben Jahre, viele Hoch und Tiefs und noch mehr Konzerte später zwei Partner absprangen, stiegen Georg Schmitz-Behrenz und Marcel Klein ein. „Man kannte sich aus der Branche. Auch ich hatte Lust auf was eigenes“, sagt Schmitz-Behrenz. Bis heute ist er dabei.

Die Anfänge der Live Music Hall fanden in einer Zeit statt, in der Ehrenfeld nichts mit dem zu tun hatte, was dort heute los ist. „Das war eine Gegend, in der viele Gastarbeiterfamilien gelebt haben. Viele Firmen wollten da nicht hin“, sagt Pick. Kulturell war die Live Music Hall damals gemeinsam mit dem Underground eine Straße weiter Vorreiter und Wegbereiter. Mit der Kultur kamen auch die großen Unternehmen, die Mieten schossen in die Höhe. Nach und nach entwickelte sich eine große Bar- und Clubszene. „Auf einmal war das eine hippe Geschichte hier“, sagt Pick.

Mischung aus Club und Halle kommt besonders an

Was die großen Namen der Branche immer wieder in die Lichtstraße lockt, wird aber erst auf den zweiten Blick klar. Rein von der Kapazität – die Live Music Hall fasst 1200 Gäste – gibt es in Köln schließlich größere Hallen. Dazu die Lanxess-Arena. „Was uns einzigartig macht, ist die Mischung aus Club und Halle“, sagt Pick. „Wir haben eine gewisse Größe, die Künstler sind dem Publikum trotzdem nah.“ Künstler, die ohne Probleme das Palladium füllen oder auch in der Arena spielen könnten, kommen also nach Ehrenfeld, wenn sie Club-Atmosphäre statt riesige Hallen suchen. Dazu kommen die Künstler, für die der Auftritt ein Sprungbrett ist. „Viele, die hier gespielt haben, kamen ein paar Jahre wieder nach Köln und spielten dann in der Arena“, sagt Pick. Und dann ist da noch der Wohlfühlaspekt: Der großzügige Backstage-Bereich wurde erst vor zwei Jahren ausgezeichnet.

Prince

Spielte 1998 in Ehrenfeld: Prince

Viel wichtiger als der Blick zurück, ist für die Betreiber die Zukunft. „Die Kunst ist letztendlich, neue Formate zur kreieren. Das versuchen wir immer wieder“, sagt Pick. Die Partyreihen ohne Live-Musik gibt es schon lange und sind für die Halle genauso wichtig wie die Konzerte. In den vergangenen Jahren sind einige neue Formate für Studenten entstanden, so zum Beispiel ein riesiges Beerpong-Turnier.

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Doch dann kam Corona. Eine Zeit, in der es wieder darum geht, sich neu zu erfinden. Über ein halbes Jahr ist das letzte Konzert schon her, Mitte Oktober soll es mit einem coronakonformen Konzept weitergehen. „Da sind wir gerade dran und hoffen, dass es klappt.“ Mit der Unterstützung der Stadt sind die Betreiber grundsätzlich zufrieden. „Wenn man bedenkt, dass vorher viel weniger passiert ist, ist das schon ein Schritt in die richtige Richtung.“ Für die Live Music Hall und die gesamte Kulturbranche wünschen sich Pick und Schmitz-Behrenz, dass in Köln noch mehr ankommt, wie wichtig die Kultur für die Stadt ist. Nicht nur als Wirtschaftsfaktor, sondern viel mehr als Lebensgefühl.

Die positive Erkenntnis im Jubiläumsjahr: Die Branche hält zusammen, wenn es drauf ankommt. Und der Interessensverband Klubkomm leistet als Sprachrohr in der Krise gute Arbeit. Und dennoch: Das leuchten in den Augen der Betreiber und Mitarbeiter wird erst wieder zurückkehren, wenn in der Live Music Hall das passiert, wofür sie vor 30 Jahren entstand. Für Kultur, für Konzerte und Partys. Für das Lebensgefühl, für das Micki Pick und Georg Schmitz-Behrenz auch nach 30 Jahren noch brennen.