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Umweltbelastung?Dichtheitsprüfungen von privaten Kanälen keine Pflicht mehr

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„Wer jetzt einen kleinen Schaden verschleppt, zahlt später beim Kanalbruch einen großen“.

  1. Seit Dezember gibt es den Beschluss, der die Pflicht der Dichtheitsprüfungen zurücknimmt.
  2. Was sich unter der Erde im einen Großteil des Kanalnetzes abspielt, kann der Steb-Vorstand nur vermuten.
  3. Er mutmaßt nicht das Allerbeste.

Köln – Otto Schaaf ist sauer. Klimmzüge hat der Vorstand der Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) gemacht, richtige Kraftanstrengungen. Überzeugungsarbeit musste er leisten, den Bürgern nachgehen. Doch nun: kurz vor dem Zieleinlauf aus dem Rennen genommen. Nur dass es ihm nicht um einen persönlichen Sieg ging, sondern er war sich sicher, es ist „Jot för Kölle“. So lautete der Slogan, mit dem Schaaf und seine Mitarbeiter für die Dichtheitsprüfung von privaten Kanälen warb.

Wann eine Dichtheitsprüfung trotzdem Pflicht ist

Ist der Kanal defekt, muss er repariert werden – das gilt weiterhin. Die Landesregierung legt darum fest, was ein handlungspflichtiges Indiz für einen Reparaturbedarf ist.  Demnach ist ein Einschreiten beispielsweise  beim  Ausschwemmen von Sand  oder Scherben in den kommunalen Kanal geboten.

Keine Frage  beim Handlungszwang besteht, wenn Absackungen  über dem Kanal, auf dem Grundstück oder auf einem Bürgersteig offensichtlich werden. „Falls bei Überprüfungen der kommunalen Kanäle derartige Zeichen bemerkt werden, muss der private Kanal überprüft und gegebenenfalls repariert werden,“  stellt Landtagsmitglied  und Kölner FDP-Vorsitzender Lorenz Deutsch klar.

Kritik daran üben die  Stadtentwässerungsbetriebe (Steb): „Ich kann doch eine Sanierung nicht erst von einem Loch in der Straße abhängig machen“, sagt Steb-Vorstand Otto Schaaf.  Ausschwemmungen  von Sand und Scherben  seien nicht die Regel und damit kein sicheres Indiz für Schäden. Das sich  unter den nicht  geprüften Grundstücken noch weitere Kanalschäden befinden, daran hat er keinen Zweifel:   „Das wird  so sein,  davon gehe ich fest aus.“ (ngo)

2009 hat die Landesregierung NRW sie zur Pflicht erklärt. Gestaffelt nach  Baujahren der Immobilien  und  nur fällig, wenn das Haus im Wasserschutzgebiet steht. Doch seit Dezember gibt es einen Kabinettsbeschluss in Düsseldorf, der das zurücknimmt. Das war’s. Was sich  unter der Erde  im  einen Großteil des Kanalnetzes abspielt, kann der Steb-Vorstand nur vermuten. Er mutmaßt nicht das Allerbeste.

Sorge vor den Prüfungs- und Reparaturkosten

„Ich kann nicht verstehen, dass man wieder soweit zurückgeht. Das hat doch nichts mit Rechtssicherheit zu tun“, sagt Schaaf. Ihm geht es darum, ein dichtes Kanalnetz  unter der Stadt zu haben.  Abwässer sollen nicht in die Umwelt  gelangen, Straßen nicht unterspült werden. So hehr das Ziel  ist, er zog  dabei längst nicht mit allen  Besitzern von rund 62 000 Grundstücken in  Wasserschutzgebieten innerhalb der Stadtgrenzen an einem Strang. Groß war die Sorge vor den Prüfungs- und eventuell  Reparaturkosten.

Aufgrund der Gesetzesgrundlage wurden sie von nicht wenigen Grundstücks- und Hausbesitzern als Zwangsabgabe empfunden. Damit die Welle der Empörung sich nicht zu hoch aufbaut, entschied die Landesregierung 2009, die Fristen  zu staffeln. Wer Haus und Kanalisation vor 1964 gebaut hat, musste die Dichtheitsprüfung bis 2015 ablegen. Ab dem Baujahr 1965 war der Nachweis bis Ende 2020 zu erbringen. Das ist nun Geschichte, was nicht zuletzt der Kölner Parteivorsitzende der FDP,  Lorenz Deutsch, als Mitglied des Landtags begrüßt. „Die Eigentümer sind endlich von einem kostspieligen Generalverdacht befreit“, zeigt er sich über den Kabinettsbeschluss zufrieden.

2900 schwere Schäden wurden entdeckt

Mit Blick auf die Zahlen kann Schaaf diese Freude ganz und gar nicht nachvollziehen. Für die rund 62 000 betroffenen Grundstücke wurden bisher 23 000 Bescheinigungen vorgelegt. 8000 Grundstückbesitzer ließen ihre Kanalisation prüfen, ohne dass ihr Grundstück im Wasserschutzgebiet  liegt.  „Anfangs hatte ich Sorge, dass sich durch die Prüfungen ein sehr desolates Bild unseres Kanalnetzes ergeben wird“, sagt Schaaf. So schlimm kam es nicht. Aber immerhin:  1900 mittlere Schäden und 2900 schwere Schäden wurden entdeckt.  Für den Steb-Chef allemal Beweis genug  für die Notwendigkeit solcher Prüfungen. „Die Schäden zeigen doch, dass es nicht um Jux und Tollerei geht. Unter Gewässerschutzaspekten ist der Rückzug nicht nachvollziehbar.“

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Und auch das Argument „kostspielig“ will er kontern.  „Rund 500 Euro kostet die  Untersuchung. Die meisten Schäden konnten für einen Betrag zwischen 2000 und 8000 Euro behoben werden.“  Viele Bürger hätten sich im Straßenverbund zusammengeschlossen, um Rabatte herauszuschlagen. Und  konnte der Besitzer  das Geld dennoch  nicht aufbringen, habe es Fristverlängerung gegeben.   „Das alles halte ich für durchaus verkraftbar“, zeigt sich Schaaf standhaft. Zumal sich das Problem in Köln nicht sauber zwischen privat und öffentlich trennen lasse. „Bei uns reichen die privaten Kanäle bis in die Straßenmitte, also bis in den öffentlichen Raum hinein.“

Und nun?

Vergossene Milch. Schaaf hat es ja kommen sehen. Die Landesregierung hatte ihr Vorhaben bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Er hat dagegen interveniert, zusammen mit den Verbänden. Geholfen hat es nicht. Und nun? Schaaf hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Er will weiterhin Überzeugungsarbeit  leisten.

Auch wenn  die Säumerrate wenig Hoffnung macht: Trotz Gesetzeszwang hatten rund zehn Prozent der Besitzer die  Frist 2015 tatenlos verstreichen lassen.  Wie mag da erst die Rate aussehen, wenn der Zwang weg ist? „Wer jetzt einen kleinen Schaden verschleppt, zahlt später beim Kanalbruch einen großen“, mahnt Schaaf.