Brände und UrsachenBrandermittler Heiko Schulz sucht in der Zerstörung nach Spuren
Köln – Gibt es Einsätze, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Heiko Schulz: Grundsätzlich sind es Fälle, in denen Menschen schwer oder sogar tödlich verletzt werden. Wie etwa der Hausbrand an St. Magdalenen in der Südstadt im Oktober 2018, bei der zwei Menschen gestorben sind. Oder die Gasexplosion in Buchheim im Frühjahr. Manchmal sind es auch Fälle, in denen Familien ihr ganzes Hab und Gut verlieren. Das vergisst man nicht.
Wie oft müssen Sie Psychologe sein?
Schon sehr häufig. Oft sehe ich bei den von einem Brand betroffenen Menschen viele Fragezeichen in den Gesichtern. Ich treffe Menschen in Ausnahmesituationen. Meist haben die Menschen Versicherungsfragen. Da geben wir gerne unsere Erfahrungen weiter.
Aber die Hausratversicherung zahlt?
Ja, in der Regel schon. Die schauen, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es selten Probleme.
Warum wollten Sie Brandermittler werden?
Weil es handwerkliches Geschick erfordert und ich früher selber bei der Freiwilligen Feuerwehr gearbeitet habe und immer einen Bezug zu dem Thema hatte. Die technische Komponente reizt mich ebenfalls. Also die Fragen: Wie hat sich der Brand entwickelt? Wie sieht die Struktur des Hauses aus? Gibt es eine technische Ursache?
Wo Sie arbeiten, herrscht Zerstörung. Wonach schauen Sie zuerst an Brandorten?
Zeugenaussagen sind wichtig. Vielleicht hat jemand zuerst eine kleine Flamme oder Rauch gesehen, das hilft bei der Einschätzung. Und wir schauen nach objektiven Brandspuren. Der Grundsatz lautet: wo das Feuer am längsten und heißesten brennt, ist auch die größte Zerstörung. Anhand dieser Spuren schauen wir, wo das Feuer begonnen und welchen Weg es genommen hat.
Das klingt nach einem Kinderspiel. Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist schwarz?
Das stimmt nicht immer. Wir suchen meist nicht die dunkelste Stelle, sondern die hellste. Denn ab einer bestimmten Temperatur verbrennt sogar der schwarze Ruß. Dort sieht man eine weiße Stelle. Das ist ein guter Orientierungspunkt. Und: Hitze steigt immer nach oben und hinterlässt eine Art Brandtrichter. Am tiefsten Punkt des Trichters hat der Brand begonnen. Abgeplatzter Putz an den Wänden ist eine typische Brandspur.
Wonach schauen Sie noch?
Wenn Holz verbaut ist, geht es um die Färbung. Ist es einfach nur schwarz? Oder ist es waffelförmig vernarbt? Oder komplett durchgebrannt? Auch das hilft, den Ausgangsort des Brandes zu finden.
Zur Person
Polizeibeamte gehören zum Team der Brandermittler, die im Kriminalkommissariat 15 angesiedelt sind. Heiko Schulz (40) ) arbeitet seit 21 Jahren bei der Kölner Polizei. Nach dem Streifendienst und der Ausbildung bei der Hundertschaft zog es ihn zur Kriminalpolizei. Seit drei Jahren ist der Kriminalhauptkommissar als Brandermittler tätig, inzwischen ist er Ermittlungsgruppenleiter. 1000 Fälle bearbeitet die Dienstgruppe im Schnitt pro Jahr. Über die Schreibtische der Ermittler gehen alle Brände, die in Köln ausbrechen – von der angebrannten Bratpfanne bis zum Großbrand mit Millionenschaden. Nur wenn die Brandursache unklar ist, schauen sich die Experten den Tatort persönlich an.
Die Ursache haben Sie dann aber noch nicht gefunden?
Deshalb wird in Handarbeit rekonstruiert, wie der Raum aussah. Manchmal geht das nur mit mit Schaufel und Hacke. Dann geht es im Ausschlussverfahren: Ist es ein technischer Defekt? Oder ein Blitzeinschlag? Tierfraß? Eine Lagerung von Chemikalien? Oder Behandlung von Holz mit Leinöl? Wenn wir alles ausschließen können, spricht das für Fahrlässigkeit oder Absicht.
Wie haben Sie das Spurenlesen gelernt?
Es gab ein Auswahlverfahren für die Kripo. Anschließend musste ich Fortbildungen besuchen, bei denen erfahrene Kollegen und auch Brandschutz-Sachverständige unterrichten. Das geht über mehrere Wochen.Bei dem verheerenden Brand in der Südstadt haben Sie festgestellt, dass Einbrecher das Feuer gelegt haben.
Wie mühsam war diese Erkenntnis?
Die Aufbruchsituation war recht schnell zu erkennen. Auch in einem Mehrfamilienhaus gehen wir von Raum zu Raum, von Etage zu Etage. Das ist Puzzlearbeit. Unsere Arbeit besteht nicht nur im Feststellen der Brandursache, sondern wir versuchen auch Täter zu ermitteln. Wobei statistisch gesehen 35 Prozent aller Brände durch technische Defekte ausgelöst werden.
Wie lässt sich das bei einer ausgebrannten Waschmaschine oder einem Herd feststellen?
Wir haben die Möglichkeit, die Geräte sicherzustellen und ans Landeskriminalamt zu schicken. Dort gibt es Sachverständige, studierte Elektrotechniker, die Röntgenaufnahmen oder eine Computertomographie durchführen. Dann wird nach der Schalterstellung geschaut, aber auch Kurzschlüsse lassen sich anhand von Schmelzperlen feststellen.
Welche Hilfsmittel nutzen Sie?
Wir verfügen über einen Photoionisationsdetektor. Das Gerät saugt die Luft an und analysiert die chemische Zusammensetzung. So lässt sich zum Beispiel Brandbeschleuniger erkennen. Es gibt auch klassische Spuren, denn Benzin zieht meist auch in den Boden ein und hinterlässt dunkle Spuren. Wir können anschließend eine Bodenprobe ins Labor schicken, um die Art des Brandbeschleunigers feststellen zu lassen.
Wie ist das bei einer Gasexplosion, wenn ein ganzes Haus zerstört wird?
Eine Gasflasche hätte nicht einen solchen Schaden anrichten können, die Explosion von Munition auch nicht, denn hierbei entstehen Krater am Explosionsort. Für uns das Schadensbild interessant. Die Trümmer sind so weit geflogen, dass es nur eine Gasexplosion sein konnte. Wir haben anschließend eine Manipulation an der Gasleitung festgestellt.
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Wie wichtig ist Teamarbeit an einem Brandort?
Sehr wichtig. Es passiert mal, dass der Kollege mehr sieht als man selbst. Und wir profitieren gegenseitig von unserer Erfahrung.
Kommt jetzt die arbeitsintensivste Zeit, wenn die Menschen wieder Kerzen anzünden?
Nicht unbedingt, denn die Einsätze verteilen sich recht gleichmäßig über das Jahr. Im Sommer gibt es Busch- oder Wiesenbrände, im Winter sind es die Kerzen.