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Schau in KölnAusstellung im NS-Dok beleuchtet den „Antifeminismus“

Lesezeit 3 Minuten
Kuratorin Rebekka Blum greift in eine Vase mit durchsichtigen Kugeln in denen Zettel sind.

Die neue Ausstellung soll Gespräche anregen. In den Kugeln, nach denen Kuratorin Rebekka Blum greift, stehen Fragen zum Thema Feminismus.

Die Ausstellung „Antifeminismus – eine politische Agenda“ im NS-Dokumentationszentrum Köln thematisiert kritisch den Antifeminismus und dessen Auswirkungen.

Bei dem Massker auf der norwegischen Insel Utøya wurden 2011 fast 70 Menschen ermordet. Zu den Motiven des rechtsextremen Attentäters gehörte auch ein Phänomen namens „Antifeminismus“. Vor seiner Tat schreibt er ein seitenlanges Dokument, in dem er Frauen die Schuld für das „Ende des Westens“ gibt. „Also die Vorstellung, der Feminismus ist Schuld an der zu niedrigen Geburtenrate von der als einheimisch konstruierten Bevölkerung und deswegen kommt es zu einem Austausch der Bevölkerung“, erklärt Soziologin Rebekka Blum. Überlebende berichteten von dem Eindruck, dass er gezielt junge Frauen umbringen wollte.

Blum zeichnet für die Konzeption der Ausstellung „Antifeminismus - eine politische Agenda“ verantwortlich, die von Freitag an bis zum 2. Februar im NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz zu sehen ist. Sie will darstellen, was der Begriff bedeutet, auch für das alltägliche Leben von Frauen: von der Verhinderung von Mitbestimmung über die Ablehnung von Selbstbestimmung und Queerfeindlichkeit bis hin zur Gefahr durch Rechtsextremismus. Die Ausstellung begrenzt sich auf den bundesdeutschen Kontext.

Antifeminismus mehr als Feminismus-Kritik

Antifeminismus, das sei nicht einfach Kritik am Feminismus. „Wir verstehen Antifeminismus als der Angriff auf feministische Anliegen, die pauschal, aktiv und oft organisiert, bekämpft werden“, erklärt Julia Haas vom NRW-Projekt „Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen“ und Kuratorin der Ausstellung. „Wir bemerken oft, dass Schwangerschaftskonfliktberatungstellen wie Pro Familia per Mail, Telefon oder im Briefkasten Bedrohungsschreiben finden“, nennt sie ein Beispiel. Blum erinnert sich an große Demos in Baden-Württemberg gegen die Aufnahme des Themas sexueller Vielfalt in den Bildungsplan.

In grüner Schrift leuchtet das Wort „Gewalt“ auf dem lila Vorhang, eine Warnung für Besuchende. Als ein Werkzeug des „Antifeminismus“ ist dem Thema ein eigener Raum gewidmet. Dahinter läuft ein Video: Frauen lesen Hasskommentare vor, entmenschlichende Beleidigungen und blutige Vergewaltigungsdrohungen, die sie bekommen haben, weil sie Frauen sind. Darunter ist auch Comedian Enissa Amani und Politikerin Claudia Roth. Bei dieser psychischen Gewalt gehe es um die Durchsetzung eines Weltbilds, ob bewusst oder unbewusst: „Frauen gehören ins Private und werden privat angegriffen, um aus der Öffentlichkeit zurückzutreten“, erklärt Blum das Motiv.

Die Überschneidung mit den Anliegen des NS-Dok sieht Direktor Henning Borggräfe vor allem im Bereich der rechten Ideologie: „Das NS-Dok verstehen wir dabei als einen Ort kritischer Erinnerungskultur und der Demokratiebildung, der in die Gesellschaft hineinwirkt“. In dem Wissen um die Fortwirkung der NS-Ideologie arbeite die Einrichtung auch zu gegenwärtigen Ausprägungen der extremen Rechten, zu Rassismus, Antisemitismus und weiteren Diskriminierungsformen.

„Extrem rechte Vorstellungen von Geschlecht sind eben von Eindeutigkeit geprägt. Es braucht also eine ganz klare Vorstellung von ‚Was ist männlich und was ist weiblich?‘ und es darf gar nicht viel dazwischen geben“, erklärt Haas. Feminismus stehe hingegen auch für das Auflösen von traditionellen Geschlechtervorstellungen und bringe somit das Konzept der extremen Rechten durcheinander.

„Gleichberechtigung wird häufig als Gradmesser für moderne Demokratien herangezogen. Und eben jene antifeministischen Strukturen wollen genau diese Prozesse hin zu mehr Gleichberechtigung stören und untergraben.“ Sie seien somit auch eine Gefahr für Demokratie, für demokratische Prozesse und für Gleichberechtigung. „Wir hoffen, mit der Ausstellung diese Bedrohung demokratischer Prozesse beleuchten zu können und so die Sensibilisierung und das Einfühlungsvermögen zu bestärken.“