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TuS Makkabi Köln90 Minuten Normalität in Zeiten des Kriegs

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Einschwören vor dem Anpfiff: Zusammenhalt ist beim TuS Makkabi Köln in diesen Tagen besonders stark gefragt.

Das Spiel zwischen dem jüdischen Fußballverein TuS Makkabi Köln und Ditib Chorweiler stand am Sonntag unter besonderen Vorzeichen.

Es ist kein Spiel wie jedes andere an diesem nasskalten Sonntagvormittag auf der Bezirkssportanlage Bocklemünd. Vor dem Anpfiff stellen sich die beiden Kapitäne mit dem Schiedsrichtergespann zu einem gemeinsamen Foto im Mittelkreis auf. Die Botschaft lautet: Heute soll es nur um Fußball gehen, nicht um Politik. Nach der Eskalation im Nahost-Konflikt steht die Partie des zehnten Spieltages der Herren-Kreisliga D zwischen dem TuS Makkabi Köln und Ditib Chorweiler unter besonderen Vorzeichen.

Die gute Nachricht vorneweg: Das Duell zwischen den Kickern von Kölns einzigem jüdischen Sportverein und der Moscheengemeinschaft verläuft skandalfrei. Es gibt keine bösen Foulspiele, keine Wortgefechte, keine Rudelbildungen. Das ist durchaus unüblich in der Kreisliga D, die gerne auch mal als „Klopperliga“ bezeichnet wird.

Das Duell blieb auf und neben dem Platz fair.

Im Vorfeld hatte es Bedenken gegeben, dass es anders kommen könnte. Der Verband trug dem Rechnung, indem er statt des in dieser Spielklasse üblichen Einzelschiedsrichters vorsichtshalber ein Gespann ansetzte. Angeführt von Axel Zimmermann, dem Vorsitzenden des Kreissportgerichts Köln. „Momentan können viele Makkabi-Vereine in Deutschland nur eingeschränkt trainieren und spielen, weil sie befürchten müssen, zur Zielscheibe antisemitischer Angriffe jeglicher Couleur zu werden“, erklärt Alex Feuerherdt, der verantwortliche Schiedsrichter-Lehrwart im Fußballkreis Köln.

Kreisliga D: Schiedsrichtergespann als Vorsichtsmaßnahme

„Ganz bewusst“ habe sich der Schiedsrichter-Ausschuss des Fußballkreises deshalb entschlossen, neben einem erfahrenen Spielleiter auch zwei Schiedsrichter-Assistenten zum Spiel des TuS Makkabi Köln zu entsenden. „Ein Trio hat die Geschehnisse auf und neben dem Platz immer besser im Blick als ein Unparteiischer alleine“, weiß Feuerherdt, der als Schiedsrichter-Experte und Mitbegründer von „Collinas Erben“ öffentlich bekannt wurde. Er spricht von einer „reinen Vorsichtsmaßnahme“. Anders als in der Hauptstadt, wo das Kreispokalspiel des Oberligisten TuS Makkabi Berlin am Sonntag von enormen Sicherheitsvorkehrungen beschützt wird, geht es in Bocklemünd beschaulich zu. Nicht mal ein Polizeiwagen ist auf der Sportanlage im Kölner Westen zugegen. Auch an der Seitenlinie bleibt alles ruhig. Die etwa 20 Zuschauer, die sich bei schmuddeligem Herbstwetter auf dem weitläufigen Gelände an der Heinrich-Rohlmann-Straße verloren haben, sind gekommen, um Fußball zu schauen. Und nicht, um ein Spiel der tiefsten Liga im Fußballkreis Köln für Gewalt zu missbrauchen.

Vor ein paar Tagen war noch unklar gewesen, ob die Partie überhaupt stattfinden würde. Der rund 5000 Mitglieder zählende Dachverband Makkabi Deutschland hatte seine 38 Ortsvereine zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen. „Wir appellieren an alle Vereine, gerade jetzt besonders wachsam zu sein, ihre Sportler und Sportlerinnen zu sensibilisieren und antisemitische Vorfälle konsequent zu melden“, teilte der jüdische Turn- und Sportverband mit Sitz in Frankfurt am Main mit. Antisemitismus gehöre weder auf „unsere Straßen noch auf unsere Sportplätze. Lasst uns als Sport gemeinsam ein Vorbild für das friedliche Zusammenleben in Deutschland sein“, hieß es in der Erklärung weiter.

Auch in Köln sah man sich beim TuS Makkabi in der Vergangenheit schon antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Für Schlagzeilen sorgte ein Skandal aus dem Jahr 2015, bei dem die Makkabi-Kicker nach einer Partie gegen den ESV Olympia Köln III mit „Free Palestine“-Rufen provoziert und als „Scheiß Juden“ beschimpft worden waren. Der Fall landete vor der Spruchkammer. Später wurde das Team des ESV vom Spielbetrieb zurückgezogen, der Vorfall von beiden Clubs aus dem Weg geräumt.

Das Schiedsrichtergespann um Axel Zimmermann (M.).

Doch unterkriegen lassen wollen sie sich nicht beim TuS Makkabi Köln. Auch nicht vom Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel. Und so entschloss sich der 1967 gegründete Verein nach interner Beratung, den Trainings- und Spielbetrieb fortzusetzen, zumindest vorerst. Weiter zu trainieren und zu spielen, das soll in diesen Tagen auch ein wenig Ablenkung schaffen. „Wir machen uns natürlich große Sorgen über die Lage in Israel“, sagt der Vereinsvorsitzende Wolfgang Krymalowski. Zumal „eine ganze Bandbreite“ der Kölner Makkabi-Mitglieder persönliche Verbindungen in das Heilige Land habe. Zu Menschen, die nun um ihr Leben bangen müssen. „Wir verfolgen die Situation in Israel genau und bewerten je nach Entwicklung neu“, erklärt Krymalowski das weitere Vorgehen. Zudem stehe man „in engem Kontakt“ mit der Sicherheitsabteilung der Synagoge an der Roonstraße, der Heimat des TuS Makkabi Köln. Dort wurde die Polizeipräsenz in den letzten Tagen erhöht.

Tus Makkabi Köln: Mehr als 200 Mitglieder in acht Abteilungen

Mit mehr als 200 Mitgliedern, von denen fast die Hälfte Kinder und Jugendliche sind, zählt der TuS Makkabi Köln zu einem der größten jüdischen Sportvereine in Nordrhein-Westfalen. Angeboten wird Sport in acht verschiedenen Abteilungen. Die Arbeit des Vereins steht auf dem Grundsatz der gelebten Toleranz. „Unsere Fußball-Mannschaft besteht nicht nur aus jüdischen Spielern. Bei uns sind Spieler aus vielen verschiedenen Nationen, Kulturen und Religionen zu Hause. Wir sind multikulti“, sagt Krymalowski.

Multikulti, das trifft auch auf die Staffel 1 der Kreisliga D zu, in der der TuS Makkabi Köln seit der Neugründung seiner Fußball-Abteilung im Jahr 2013 an den Start geht. Mehr als die Hälfte der 16 Mannschaften hat ausländische Wurzeln. Hier treffen Afrikaner (Afrika FC) auf Griechen (GSV Galanolefkos-Hellas) und Türken (GSK Galatasaray, TFC Köln, FC Chorweiler) auf Kroaten (HNK Croatia). Die Moscheengemeinschaft ist neben Ditib Chorweiler auch mit dem DSK Köln vertreten. Der SV AKM vertritt wiederum die Alevitische Gemeinde.

Ein Konfliktpotenzial lässt sich da nicht von der Hand weisen. Am Sonntag bleibt aber alles geruhsam auf der Bezirkssportanlage Bocklemünd. Schiedsrichter Axel Zimmermann kommt in den 90 Minuten sogar ohne eine einzige Gelbe Karte aus. Nach dem Spiel, in dem die Ditib ihrer Favoritenrolle durch einen 8:3-Sieg gerecht wird, posieren beide Mannschaften mit den Referees Arm in Arm zu einem abschließenden Gruppenfoto. Es ist ein Zeichen des friedlichen Miteinanders in dieser schlimmen Zeit.