Eine Nacht ohne Grenzen20. Kölner Museumsnacht wird zur Schau der großen Namen
- Bei der 20. Museumsnacht haben die alten Künstler die Massen angezogen.
- Doch auch neue Künstler und Kunstprojekte nahmen teil – und fanden Anklang.
- Wir blicken auf die diesjährigen Highlights des Kulturevents.
Köln – Kunst bedarf keiner Erklärung. Das müssen viele Passanten feststellen, die sich rund um den Neumarkt über junge, bunt gekleidete Menschen wundern, die Rollgitter mit weißen Plastikgabeln verzieren, die deren Zacken zwischen Pflastersteine bohren oder sich in den Bart schieben. Das wirkt fraglos sonderbar, doch das Performance-Projekt „Forks in the city“, zubereitet vom umtriebigen Duo Angie Hiesl und Roland Kaiser, ist quasi das Horsd’œuvre zur 20. Museumsnacht, deren Medienpartner die Rundschau ist.
Natürlich werden in dieser Nacht die alten Meister gefeiert, im Wallraf locken die feinen, leuchtenden Porträts von Rembrandt die Massen ins Museum – die Schlange vor der Tür ist lang. Wer drinnen ist, kann sich auf riesigen Kissen fläzen und entspannen, im Untergeschoss begrüßt „Der Gelehrte im Studierzimmer“, eines der Meisterwerke , das kunstinteressierte Volk.
Kunstveranstaltung als generationsübergreifendes Projekt
Erstmals können die rund 20 000 Besucher der Nacht zwischen 50 Kunstorten wählen – Pendelbusse ermöglichen den schnellen Wechsel. Dabei blüht die Museumslandschaft der Stadt derzeit eher spärlich, vielleicht haben sich die Veranstalter gerade deshalb entschieden, die Eröffnung in das nach einem Wasserschaden leer geräumte Stadtmuseum zu legen. Mario Kramp, der Direktor des Hauses, preist die Baustelle ironisch als „coole Location“, Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach schwärmt von der „Sogwirkung“der Museumsnacht.
Die Kunstveranstaltung hat sich zum generationsübergreifenden Projekt entwickelt. Im Museum für angewandte Kunst (MAKK) verwandeln Kinder in der „Upcycling Werkstatt“ Müll in Kunstwerke, während sich ihre Eltern von den starken schwarz-weiß Fotografien des südafrikanischen Star-Fotografen Norman Seeff faszinieren lassen. Mick Jagger im wehenden Hemd, die Jackson Five, die junge Tina Turner – es gibt viel zu sehen. „Das haut einen um“, urteilt Andreas Jentsch aus Pulheim, auch er ist mit Kindern unterwegs.
Rundschauplus VIP-Tour
Eine exklusive Führung durch die Nacht konnten 20 Leser der Rundschau genießen. Sie hatten Karten für die Netcologne-VIP-Tour der Museumsnacht gewonnen. Bei einem kleinen Snack durften sie sich vorab bei der offiziellen Eröffnung im Stadtmuseum für die Rundreise durch die Kulturplätze der Stadt stärken. Netcologne-Geschäftsführer Timo von Lepel (l.) und Rundschau-Redakteur Thorsten Moeck (5.v.l.) begrüßten die Gäste.
Sehr viel Platz für Skurrilitäten
Die Bandbreite der Kunstszene, die für einen Abend ausgebreitet und in den Fokus gerückt wird, ist enorm. Erstmals ist Bananen-Sprayer Thomas Baumgärtel vertreten, aus alter Verbundenheit tritt Reggae-Sänger Gentleman (Foto oben) im Atelier auf, gleich nebenan amüsieren sich in einer gekachelten Dusche zwei Lackstiefel tragende Nackte, deren Körper mit Bananen verziert sind. Für Skurrilitäten ist viel Platz in dieser Nacht.
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Ohnehin wirkt die Stadt zur Museumsnacht wie ein quirliges Wimmelbild von Ali Mitgutsch, wer genau hinschaut, entdeckt auch unter den Besuchern extravagante Gestalten, die sich wie lebendige Kunstwerke in Szene setzen. Grenzen werden überwunden. Im Museum Ludwig folgen etwa 40 Gehörlose einer Führung zu den provokanten Werken von Andy Warhol, den meditativen Farbspielen von Yves Klein und anderen Aushängeschildern des Hauses. Gebärdendolmetscherin Lisa Fürstenberg übernimmt die Übersetzung all dessen, was Führerin Angelika von Tomaszewski erzählt.
Feministischer Blick auf Männlichkeit
Die populären Sehenswürdigkeiten der bekannten Künstler prallen in dieser Nacht auf ausgefallene Kunstprojekte wie die „Maskulinitäten“ des Kölnischen Kunstvereins, einer feministischen Sicht auf die Männlichkeit in Kunst und Werbung. Hier ist viel nackte Haut zu sehen, Phallussymbole in jeder Form – aus einem Urinal wächst ein langer grüner Kaktus. Breite Schultern, zupackende Hände, solche Stereotype werden reihenweise seziert.
Manch ein Besucher entzieht sich bewusst dem Trubel an den Epizentren der hohen Kunst. Philipp Ritters hat sich mit seinen Freunden das Freiluft-Atelier Odonien in Ehrenfeld angeschaut. Nun blickt er in die Vitrinen des Karnevalsmuseums. „Wir haben uns Museen ausgesucht, in die wir sonst nicht gehen“, sagt er, klar, Rembrandt reize ihn auch, aber nicht als Massenereignis.
Als Mitternacht längst vorüber ist, stimmt ein Mann mit Zylinder und Akkordeon im Karnevalsmuseum „Heidewitzka Herr Kapitän“ an. Das Werk stammt von Karl Berbuer, einem Meister des kölschen Liedguts. Wer kann, singt mit. Diese Nacht kennt keine Grenzen.