Drei Männer stellten Abrechnungen für 2,3 Millionen nie durchgeführte Bürgertests. Jetzt stehen sie vor dem Landgericht.
Prozess in Köln16 Millionen Euro mit falschen Corona-Teststationen ergaunert
Den Betrieb von zehn Corona-Teststationen vorgetäuscht und rund 16 Millionen Euro ergaunert — der Fall, der seit Freitag gegen drei Männer (32, 33 und 35) vor dem Landgericht verhandelt wird, hat das Zeug zu einem richtigen „Aufreger“. Doch nicht nur wegen der mutmaßlichen Dreistigkeit der Täter. Folgt man den Ausführungen eines Verteidigers in dem Verfahren, dann hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) „eine erhebliche Mitverantwortung“ dafür, dass die Täter Geld ergaunern konnten.
Doch der Reihe nach: Spätestens seit Juni 2021, so die Staatsanwaltschaft, sollen die beiden jüngeren Angeklagten den Entschluss gefasst haben, von der „unbürokratischen Abrechnung“ sogenannter Bürgertests durch die KVNO betrügerisch zu profitieren. Hierzu sollen die Männer zunächst italienischen Staatsangehörigen — zumeist aus dem südsizilianischen Licata — eine Reise in die Bundesrepublik bezahlt haben. Hier angekommen, sollen die Strohleute dann Bankkonten eröffnet haben.
Strohleute aus Italien eröffneten Bankkonten
Für den Empfang der per Post zugestellten Konto-Zugangsdaten, sollen die Angeklagten Briefkästen bei „Freunden und Bekannten“ eingerichtet haben, die hierfür auch bezahlt worden sein sollen. Mit Erhalt der Zugangsdaten sollen die Angeklagten dann Verfügungsgewalt über die Bankkonten erlangt haben. Die Strohleute reisten anschließend wieder zurück nach Italien. Unter anderem bei der Unterbringung der Italiener und Einrichtung der Briefkästen soll der 35 Jahre alte Angeklagte Beihilfe geleistet haben, so die Anklage.
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Auf die Namen der italienischen Strohleute richteten die Angeklagten dann Abrechnungskonten bei der KVNO für nicht existente Corona-Teststationen ein. Die zur Abrechnung notwendige Teststellen-Nummer, die vom Gesundheitsamt vergeben wurde, sollen sie hingegen nicht beantragt haben. Vielmehr sollen die Angeklagten bereits an Betreiber existierender Teststationen vergebene Nummern genutzt haben, um die Strohleute als Teststellen-Betreiber zu registrieren. Durch die Nutzung der Nummern, so die Anklage, hätten die Angeschuldigten den Anschein erweckt, „vom Gesundheitsamt der Stadt Köln als Leistungserbringerin“ beauftragt worden zu sein.
Über die Abrechnungskonten sollen sie dann von Februar bis Mai 2022 „vermeintlich durchgeführte Bürgertestungen“ — laut Anklage rund 2,3 Millionen an der Zahl — abgerechnet haben. Die KVNO soll laut Anklage aber nicht alle gestellten Rechnungen beglichen haben. Wie die Angeklagten jedoch an die Teststellen-Nummern Dritter gelangten, ist laut Anklage bislang unklar. Die meisten Corona-Teststellen verzeichnete die Stadt Köln im April 2022: 871 waren offiziell beim Gesundheitsamt registriert.
Ebenfalls unklar ist bislang, wie es den Angeklagten gelungen sein soll, mit bereits vergebenen Teststellen-Nummern weitere Teststellen abzurechnen, ohne dass bei der KVNO die Alarmleuchten angingen. „Es wurde überhaupt nichts kontrolliert“, sagte Dr. Jürgen Graf, Verteidiger des 32-Jährigen, am Rande des Prozesses auf Nachfrage. Den Angeklagten sei es leicht gemacht worden, so Graf weiter: „Die KVNO hat Fehler begangen und Tore offengelassen“, zeigte sich der Verteidiger überzeugt, und brachte eine Mitverantwortung der KVNO ins Spiel.
Urteil soll Ende Oktober fallen
Die Angeklagten kündigten für den kommenden Verhandlungstag Einlassungen an. Der Prozess vor der 12. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht ist mit weiteren 17 Verhandlungstagen terminiert. Ein Urteil soll Ende Oktober fallen.