Klage erhoben4711-Nachfahrin darf Geburtstag nicht auf Schloss Röttgen feiern
Köln – Ihren 4711. Geburtstag (47 Jahre und elf Monate) wollte Fiona Streve-Mülhens Achenbach gerne mit der Familie auf Schloss Röttgen feiern, wie es seit vielen Jahren Brauch bei den Nachfahren der Duft-Dynastie war. Aber aus der Party auf dem Anwesen mit dem weltbekannten Gestüt in Köln wurde nichts. Der Vorstand der Mehl-Mülhens-Stiftung verwehrte ihr schon während der Planungsphase den Zutritt. Das rund zwei Quadratkilometer große Gelände in Eil, Rath und Heumar ist von einer rund acht Kilometer langen Mauer umgeben. Nun hat die inzwischen 50 Jahre alte Großnichte der Stiftungsgründerin Maria Mehl-Mülhens beim Landgericht Köln Klage gegen den Stiftungsvorstand erhoben. Der Vorwurf: Verstoß gegen den Stifterwillen.
Stiftung ist Alleinerbe
Demnach soll Maria Mehl-Mülhens in der ursprünglichen Stiftungsverfassung als Bedingung formuliert haben, dass Schloss Röttgen sowohl für repräsentative Zwecke der Bundesregierung als auch der Familien Mehl und Mülhens zur Verfügung stehe.
Rückblende: Als Maria Mehl-Mülhens 1985 kinderlos stirbt, verfügt sie in ihrem Testament die von ihr gegründete Stiftung zum Alleinerben und legt deren Führung und Organisation in einer „Verfassung“ nieder. Gegründet hatte das Gestüt Röttgen 1924 ihr Vater, der Duftwasserfabrikant Peter Paul Mülhens. Geführt wird die Stiftung seit ihrer Gründung von Dr. Günter Paul (81) aus Frankfurt. Der Rechtsanwalt war langjähriger Präsident des Hessischen Staatsgerichtshofes und ein enger Vertrauter von Maria Mehl-Mülhens. Er fungierte als Testamentsvollstrecker, Vorstandsvorsitzender und als Geschäftsführer. Seine Tochter Sandra Paul ist erst kürzlich an seiner Stelle als Vorstandsvorsitzende gewählt worden. Er selbst ist aber weiterhin Geschäftsführer.
Vorwurf: Rechte der Familie kommen zu kurz
Für Fiona Streve-Mülhens Achenbach ist das nicht nachvollziehbar und zudem intransparent. „Rechte, die den Familien Mehl und Mülhens nach dem Willen meiner Großtante zustehen, spielten für die Stiftung nie eine große Rolle. Zudem wurde die Familie von dem Stiftungsvorstand zu keinem Zeitpunkt über den Willen der Stifterin aufgeklärt. Das ist erst im Rahmen einer TV-Recherche zu einem Porträt der Familie Mülhens ans Licht gekommen. Wir hätten uns gerne außergerichtlich geeinigt, aber das war leider nicht möglich“, heißt es in einer Pressemitteilung der Klägerin und ihres Anwaltes Eberhard Rott aus Bonn.
„Im Kern des Rechtsstreits geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Satzung, die den letzten Willen einer Stifterin oder eines Stifters wiedergibt, in wesentlichen Punkten so geändert werden darf, dass sie dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Stifters nicht mehr entspricht“, erklärt Anwalt Rott. „Wir sind davon überzeugt, dass genau das in diesem Fall passiert ist“, so Rott weiter. Die Satzung der Stiftung ist geheim, allerdings ist es der Klägerin nach eigenen Angaben gelungen, ein früheres Exemplar ausfindig zu machen. Nach Studium des Dokumentes ist Fiona Achenbach überzeugt, dass Dr. Paul gleich mehrfach gegen die Satzung verstoßen habe.
Neben dem bereits erwähnten Nutzungsrecht der Familien Mehl und Mülhens „sollte nach dem Willen der Stifterin dem vierköpfigen Stiftungsvorstand ein Familienmitglied angehören“, sagt Rott. Ein Angebot von Fiona Streve-Mülhens Achenbach, sich als Vorstandsmitglied zur Verfügung zu stellen, wurde von dem Stiftungsvorstand zunächst lange ignoriert und dann abgelehnt, sagt sie.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dritter Punkt der Klage: Nach dem ursprünglichen Willen der Stifterin sollte niemand als Vorstandsmitglied benannt werden, „der älter als 65 Jahre ist“, führt Rott an. Mehr als 35 Jahre aber habe Dr. Paul den Vorstand angeführt. Mit der Wahl von Sandra Paul „wurde immerhin ein Mangel beseitigt“, so der Anwalt.
Paul erklärte zu den Vorwürfen auf Anfrage der Rundschau: „Frau Achenbach hatte die gleiche Information vor längerer Zeit bereits an die Sport-Welt gegeben. Mit der neuerlichen Weitergabe an Sie dokumentiert sie nur, wie wichtig es ihr ist, das Ansehen der Stiftung zu beschädigen. Wir kennen diese ihre Einstellung. Deshalb sind wir nicht überrascht und nehmen diese Fehlreaktion nur ein weiteres Mal zur Kenntnis.“ Und: „Weitergehende Erklärungen beabsichtigen wir nicht.“
Wann das Verfahren eröffnet wird, steht noch nicht fest.
Aus der Geschichte von Schloss und Gestüt Röttgen
1909 erwarb Peter Mülhens (1875-1945) aus dem Besitz der Familie Geyr zu Schweppenburg deren Rittergut Schloss Röttgen. Das Anwesen blieb bis 1918 noch im Eigentum der Freiherren. Bereits ab 1910 wurde das bislang gepachtete Gut durch Landkäufe immer wieder vergrößert und erweitert.
1924 gründete Peter Mülhens das Gestüt auf dem Gelände der Burg Röttgen. Architekt Ludwig Paffendorf entwarf im Renaissancestil Bauten und Stallanlagen dazu. Der Grundstein für viele Zucht- und Rennerfolge.
1945, am 5. August, stirbt Peter Mülhens nur einen Tag vor seinem 70. Geburtstag in Heumar. Sein Lebenswerk, der Aufbau des Gestüts, gestützt auf anfänglich zwölf Mutterstuten und einen Hengst (Flamboyant), damals importiert aus England, geht in den Besitz seiner Tochter Maria Mehl-Mülhens über. Zunächst aber dient Schloss Röttgen als britischer Militärregierungssitz für den Militärgouverneur von NRW Mr. Bishop samt Ehefrau und Sohn. 1953 wird das gesamte Gelände wieder an die Familie Mülhens zurückgegeben.
1952 handelt der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer auf Schloss Röttgen mit den Siegermächten den Deutschlandvertrag aus.
Am 21.07.1961 erhält Maria Mehl-Mülhens den großen Staatsehrenpreis des Landes NRW für ihre herausragenden, züchterischen Leistungen.
Am 3. April 1980 stirbt Rudi Mehl, der Ehemann von Maria Mehl-Mülhens und Generalkonsul von Peru, im Alter von 78 Jahren in seiner Winterresidenz in Monte Carlo.
1985 am 21. April stirbt Maria Mehl-Mülhens im Alter von 73 Jahren im heimischen Schloss Röttgen. Ihr Lebenswerk wird von der Mehl-Mülhens-Stiftung fortgeführt. Sie hatte die Stiftung in ihrem Testament 1985 errichtet, und diese zur alleinigen Erbin ihres gesamten Vermögens bestimmt. Zur Erinnerung an die Gestütsherrin gibt es das seit 1986 bestehende Mehl -Mülhens -Rennen in Köln. Es löste das Henkel-Rennen in Gelsenkirchen ab und ist ein ebenso klassisches Rennen.
(Quelle: Mehl-Mülhens-Stiftung)