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Künstliche Intelligenz im FokusHier gehen Kölner Studierende der KI auf den Grund

Lesezeit 4 Minuten
Um Gefühle und Maschinen dreht sich das Video von Studentin und Designerin Lisa Reutelsterz.

Um Gefühle und Maschinen dreht sich das Video von Studentin und Designerin Lisa Reutelsterz.

Mehr als nur Science Fiction: An der Kunsthochschule für Medien in Köln kommen Studierende auf unterschiedliche Weisen mit KI in Berührung.

Kann man einer Maschine Schmerz zufügen? Kann sie Gefühle beurteilen? Und was erzeugt ein Hochleistungs-Computer selbst für Geschichten und Bilder mit Hilfe „Künstlicher Intelligenz“? Im Labor der Experimentellen Informatik der Kunsthochschule für Medien geht Medienkünstlerin Lisa Reutelsterz solchen Fragen auf den Grund.

„Ich möchte herausfinden, wie man moralische Grundsätze in die Maschine implementieren kann und analysiere, wie das Lernsystem sie interpretiert“, sagt Lisa, die zuvor an der TH Köln studierte und sich nun an der KHM mit Animation, Videokunst und Performance befasst. Um virtuelle Welten selbst zu gestalten, lernte sie auch das Programmieren.

KI steckt heute in vielen alltäglichen Dingen

Frankenstein, die Matrix-Trilogie, der Terminator: Von Menschen erschaffene Maschinen übernehmen die Macht – das ist nicht nur ein beliebter Stoff für Science Fiction-Filme, die Hollywood-Geschichte schrieben. Künstliche Intelligenz ist längst in der Wirklichkeit angekommen. KI steckt in Staubsaugerrobotern und Autos – und auch in Kunst. Hoch entwickelte technische Lernsysteme generieren Fotos ohne Kamera, Filmszenen ohne leibhaftige Darsteller, schreiben Interviews, die niemand gegeben hat – sie wurden von Menschen mit Daten dafür trainiert.

Sie programmieren selbst und erschaffen virtuelle Welten: Benita Martis, Lisa Reutelsterz, Maja Funke (v.l.)

Sie programmieren selbst und erschaffen virtuelle Welten: Benita Martis, Lisa Reutelsterz, Maja Funke (v.l.)

Für ihrer Videoinstallation „John and Mary“ zum Beispiel gab Lisa dem Mega-Rechner im KHM-Lab mit selbst geschriebenen Codes Anweisungen, Gedichte zu moralischen Fragestellungen oder zum Thema Schmerzempfinden zu verfassen, die sie in Videoszenen übersetzte – und wiederum Menschen bat, Gedichte dazu zu schreiben. Die Zeichen des Codes verwandeln sich auf dem Bildschirm wie von Geisterhand in Bilder, Räume voller Maschinen, einen Mann am Kreuz, verzerrte Gesichter. Dazu ertönen Worte ebenso poetisch wie verstörend.

KI wird auch kritisch beleuchtet

Programmiercodes führen nicht nur in Lisas Projekt Regie. Der Bereich Experimentelle Informatik ist seit den 90er Jahren fester Bestandteil in der Lehre der KHM und ein Vorreiter bei der künstlerisch-wissenschaftlichen und experimentell-ästhetischen Beschäftigung mit solchen Technologien. Studierende und Lehrkräfte befassen sich hier mit KI, Code, Interfaces und Algorithmus als Werkzeugen künstlerischen Schaffens.

Sie setzen sich kritisch mit Herausforderungen und Risiken der Nutzung, etwa durch Bots wie ChatGPT, Big Data und Entwicklungen kommerzieller Großkonzerne auseinander. Zunehmend spielen an der KHM solche Technologien auch im Bereich des literarischen Schreibens, in Fotografie, Animation, Film und Fernsehen eine Rolle.


Im Profil

Die KHM bietet unter dem Titel „Mediale Künste“ ein Projektstudium an – mit Schwerpunkten von Animation und Kamera bis Videoart, Drehbuch und Regie für Spiel- und Dokumentarfilm. Der KHM-Abschlussfilm „The Red Sea Makes Me Wanna Cry“ von Faris Alrjoob feiert im Mai Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes. Den Bereich experimentelle Informatik leitet Prof. Georg Trogemann. (MW) www.ground-zero.khm.de


„Wir bekommen Anfragen dazu aus allen Bereichen der KHM“, sagt Dozent Christian Heck aus der „Experimentellen Informatik“, statt „KI“ bevorzugt er einen anderen Begriff: „Es handelt sich um technische kognitive Systeme“, die in der Lage seien, für menschliche Aufgabenstellungen selbstständig Lösungen und Strategien zu entwickeln, erklärt der Informatik-Experte. Mit Blick auf aktuelle Debatten rund um KI warne er davor, maschinelle Lernprozesse zu vermenschlichen und undifferenziert hoch entwickelten Maschinen Kreativität und Intelligenz zuzuschreiben.

Sprach-Roboter mit ihren eigenen Waffen schlagen

Maja Funke beschäftigt sich bereits seit vier Jahren an der KHM mit algorithmisch trainierten Systemen. Für ihr malerisches, computergeneriertes Projekt „RHO-DO-DEN-DRON“ digitalisierte sie das Fotoarchiv ihrer Großmutter und trainierte die Maschine, eigene Zeichnungen auf dieser Grundlage zu kolorieren. In einer weiteren Video-Arbeit befasst sie sich mit dem Kölner Großmarkt und dem Prozess des Verfalls auf dem Gelände, auf dem auch ihr Atelier liegt.

„Ich wollte eigene Emotionen in die Dokumentation einbringen, Affekte erzeugen und mit der Text-zu-Bild-Übersetzung der verdorbenen Lebensmittel und der verrotteten Gebäude die Problematik vor Ort ästhetisch erfahrbar machen. Die Halle hätte das Potenzial, ein Juwel der Stadt zu sein“, so Maja Funke zur Installation.

Kommilitonin Benita Martis setzt sich besonders mit Populismus, Hass und Hetze im Netz auseinander. „Ich produziere Fakenews, um auf Missstände aufmerksam zu machen“: Dabei schlägt sie die „Bots“, die Sprach-Roboter, mit ihren eigenen Waffen. Sie arbeitet mit Chats von Verschwörungs-Gruppen in vermeintlich sozialen Netzwerken wie Telegram, nutzt KI-Modelle von „OpenAI“ und belegt, „wie einfach mit Social Bots zum Beispiel russische Kriegs-Propaganda betrieben werden kann und wie erschreckend aggressiv und zynisch das Sprachsystem antwortet.“

Sie möchte zeigen, wie wenig Einschränkungen und Richtlinien solchen Modellen zugrunde liegen. „Das ist total gefährlich, weil die Modelle so einfach selbst zu erweitern und gut trainierbar sind, auch wenn es bei den Aussagen teilweise absurde Verknüpfungen und falsche Informationen gibt. Aber das ist oft nicht erkennbar.“