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Rote-Funken-Präsident zu Corona„Für viele Vereine könnte es ein bitteres Ende geben“

Lesezeit 4 Minuten
Hunold

Heinz-​​Gün­ther Hunold (62) ist Präsident der Roten Funken.

  1. Heinz-Günther Hunold (62) ist Präsident der Roten Funken.
  2. Im Interview spricht er über Ideen für den Corona-Karneval und die Auswirkungen für Vereine.

KölnWie groß war Ihre Erleichterung nach der offiziellen Absage des klassischen Sitzungskarnevals?Das war das Ziel, denn die Gemengelage war schwierig, weil die Sitzungen ja bei uns zwei Jahre im Voraus geplant werden. Ein halb voller Saal bei vollen Sitzungskosten – da wäre der ehrenamtlich Karneval schlichtweg am Ende gewesen. Nun gibt es eine neue Geschäftsgrundlage, um kreativ ein Überlebenspaket für Künstler und Vereine zu schnüren.

Wie könnten die neuen „karnevalistischen Kulturveranstaltungen“ aussehen?

Wir haben nun deutlich geringere Saalkapazitäten und feiern nicht mehr mit 1600 Menschen im Maritim-Hotel. Damit verändert sich das Bild der Veranstaltung. Unsere Kunden dürfen nicht enttäuscht werden, deshalb müssen wir sie überraschen und brauchen vielleicht auch alternative Schauplätze. Nicht nur Säle, sondern ein Brauhaus, wo wir mit Gästen und klassischer Musik dem Wesen des Karnevals auf den Grund gehen.

Eine Selbstbetrachtung aus der Not heraus?

Es gibt Redner, die den Finger in die Wunde legen und auch das Corona-Thema sowie die damit verbundenden gesellschaftlichen Veränderungen aufgreifen. Wir werden viel Ironie brauchen, zum Beispiel bei der Frage, wie wir schunkeln. Vielleicht mit einem Stock dazwischen, für den Abstand. Wenn wir dieser schwierigen Zeit trotzen, kann dies ganz neue Bilder hervorbringen.

Neue Veranstaltungen beinhalten aber doch die alte Unsicherheit: Sie wissen nicht, welche ihrer Stammgäste überhaupt eine größere Veranstaltung besuchen wollen.

Wir sind als Verein verantwortlich, den Menschen interessante Konzepte anzubieten und abzufragen, wer daran teilnehmen möchte. Das muss als Erstes passieren. Wir haben längst mit anderen Vereinen gesprochen, um etwas zusammen zu machen. Es wäre ein tolles Zeichen, wenn die Vereine das Sessionsmotto mit Leben füllen. Jetzt kommt die entscheidende Phase, in der die Angebote formuliert werden müssen.

„Nur zesamme sin mer Fastelovend“ heißt das Motto. Befürchten Sie nicht eine Zweiklassen-Session? Die großen Vereine werden Veranstaltungen organisieren, die kleinen Vereine finden nicht statt.

Ich hätte die große Bitte, dass niemand den ehrenamtlichen Karneval vergisst. Es gibt Gesellschaften, die das Risiko scheuen, Veranstaltungen auszurichten. Aber sie könnten Schirmherr von kommerziellen Anbietern werden. Die ganze Karnevalsszene ist sehr sensibel, wir leben alle die ersten zwei Monate des Jahres auf einer Plattform mit Künstlern, Vereinen, Saalbetreibern. Dieses Konstrukt dürfen wir jetzt nicht verlieren, das darf nicht zusammenbrechen. Wir müssen auf die Nöte aller achten. Und wir werden die Zeit nur überstehen, wenn jeder seine Komfortzone verlässt.

Welche Rolle spielt für Sie Karneval in der Krise?

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren organisierte Umzüge verboten, die Roten Funken sind in Uniform durch die Trümmer gelaufen, zwischen denen noch die Leichen lagen. Es gibt ein Bild des Circus Williams, wo ein Roter Funk auf einem Elefant sitzt, umgeben von einer Menschentraube. Die Menschen haben den Beginn von etwas Neuem gespürt, es herrschte Sehnsucht nach Frohsinn und innerem Ausgleich. An dieser Stelle setzt der Karneval ein – auch wenn es nur für einen Moment ist.

Die Roten Funken hätten in der Session 17 Veranstaltungen organisiert. Wie weh tun die Absagen finanziell?

Eine Botschaft muss ganz klar sein. Von keinem Verein kann man jetzt eine Veranstaltung erwarten, wo er zubuttert. Das Problem wird sein, dass die Vereine von den kleinen Überschüssen, die vielleicht bleiben, ihr Vereinsleben finanzieren müssen. Das reißt Löcher. Und ich sage Ihnen: Für viele wird das richtig eng und ganz bitter. Auch wir überlegen, wo wir Kosten sparen. Aber einen Sessionsorden wird es trotzdem geben.

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Die Zeit der Pandemie ist historisch, die Session wird es auch werden. Das könnte eine Chance sein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Es wird genau darum gehen, Lücken zu finden und den Karneval auf ein anderes Niveau zu heben. Vielleicht wird es einen Vortrag geben über die Einordnung von Karnevalsliedern in den historischen Kontext. Wir müssen den Blick verändern. Momentan ist es ja so: Wenn wir alkoholfreie Veranstaltungen planen, werde ich oft erschrocken angeschaut. Die Sehnsüchte, die der Karneval bietet, haben ja nicht nur mit Besäufnis zu tun. Wir werden dieses Mal ein gemäßigtes Feiern erleben.

Im Jahr 2023 werden die Roten Funken 200 Jahre alt. Ein Blick in die Glaskugel: Ist die Pandemie bis dahin überwunden?

Ich denke, die Krise wird uns länger begleiten, als wir das erwarten. Es ist eine neue Zeit, mit der wir jetzt umgehen müssen. Ich hoffe auf eine deutliche Entspannung im Jahr 2022. Und dann würde ich mir wünschen, dass wir schauen, was wir aus der Situation gelernt haben.