Bei strahlendem Sonnenschein rollte der Zug durch Köln und trotzte der angespannten Sicherheitslage.
Karneval in KölnLiebe gegen Krise - Hundertausende feiern beim Rosenmontagszug
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Die Kostüme der Jecken strahlten in der Sonne.
Copyright: Meike Böschemeyer
Wie schnell die Stimmung in diesen krisenreichen Zeiten kippen kann, erfährt Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Rosenmontag am eigenen Leib. Noch am Morgen steigt sie gut gelaunt auf einen Wagen der Roten Funken. Mit ihrem Auftritt im Zug will sie – genau wie NRW-Innenminister Herbert Reul – ein Zeichen setzen. Dafür, dass sie trotz angespannter Sicherheitslage darauf vertraut, dass das im Angesicht jüngster Anschläge noch einmal verschärfte Sicherheitskonzept von Stadt, Polizei und Festkomitee aufgeht. Mit der guten Laune ist es dann schnell vorbei, als die Innenministerin die Nachricht aus Mannheim ereilt. Sie steigt vom Wagen ab und begibt sich an den Unglücksort, wo in den Mittagsstunden ein Auto in einer Menschenmenge gefahren war.
Viele der Jecken am Zugweg nehmen die Nachricht aus Mannheim zwar wahr, lassen sich dadurch aber nicht vom Frohsinn abbringen. Ausgelassen feiern die Menschen in der ganzen Stadt den Höhepunkt des Straßenkarnevals. Dazu trägt auch das Wetter bei. Ist es am Morgen noch eisekalt, lässt die Sonne die Kostüme der Menschen auf der Severinstraße von Beginn an funkeln und strahlen.
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Die Veedelperlen und die Grüngürtelrosen eröffneten den Rosenmontagszug.
Copyright: Costa Belibasakis
Schusssichere Weste unter dem Kostüm
Für Zugleiter Marc Michelske ist es der erste Zug in seiner neuen Position. Und es ist direkt einer, der in vielerlei Hinsicht mit besonderen Umständen einhergeht. Die Sicherheitslage ist das eine – und tatsächlich fühlen sich offenbar nicht alle Zugteilnehmer uneingeschränkt sicher. Familie Geiss, bekannt aus der Reality-TV-Sendung „Die Geissens“, fährt auf dem Zugleiterwagen mit - mit schusssicherer Weste unter den bunten Uniformen. „Sicherheit geht vor“, sagt Carmen Geiss. Auf den ersten Blick ist es ansonsten ein Rosenmontagszug wie jeder andere in Köln. Nur wer genauer hinschaut, dem fallen an vielen Ecken Überfahrsperren oder mit Einsatzwagen von Polizei oder AWB zugeparkte Gassen in Nähe des Zugwegs auf.
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Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (l) und Nancy Faeser (SPD, r), Bundesinnenministerin, grüßen vom Wagen der „Roten Funken“. Nach dem Vorfall in Mannheim verließ Faser den Rosenmontag.
Copyright: dpa
Es sind aber noch mehr Themen, die in diesem Jahr zusammenkommen. Eine Woche vor dem Zoch wählte Deutschland den Bundestag. Sobald der Ausgang klar war, arbeitete das Festkomitee an einem bis Rosenmontag vorgehaltenen Wagen. Erwartungsgemäß bekommt Wohl-Bald-Kanzler Friedrich Merz seinen Platz im Zug. Mit dem Kopf voran rauscht er in der Persiflage durch das Wahlplakat der SPD, aus dem Namen seines Vorgängers Olaf Scholz und Merz wird „SchMerz“. „Love Hurts“ ist der Wagen überschrieben – Liebe tut weh.
Aber auch abseits der Wahl mangelte es den Kritzelköpp, dem Kreativteam des Festkomitees, nicht an Themen, bei denen es sich lohnt, den Finger in die Wunde zu legen. Die Krise sei zur Normalität geworden, sagte Zugleiter Michelske vorab. Besonders die überregionale Presse richtete den Blick nach den jüngsten Ereignissen im Weißen Haus am Rosenmontag auf die Trump-Persiflage. Der US-amerikanische Präsident nimmt darauf die Freiheitsstatue und die Gerechtigkeitsgöttin an die Kette. Die Darstellung von „Donalds Freakshow“ könnte in diesen Tagen kaum aktueller sein. Der zweite Überraschungswagen thematisiert die Situation der afghanischen Frauen nach der Machtübernahme der Taliban. Die Frau sitzt im symbolischen Gefängnis, der Mann wacht davor und sagt: „So schützen wird die Rechte unserer Frauen“. Mit Liebe habe das nichts zu tun, findet das Festkomitee.
Rosenmontag in Köln: Liebe ist der rote Faden
Um Liebe geht es stattdessen ganz oft an diesem Tag. Sie ist das Pfund, das die Jecken den vielen Krisen entgegensetzen – auch die AG Arsch Huh. Schon lange bevor feststand, dass die Bundestagswahl eine Woche vor dem Rosenmontagszug über die Bühne gehen würde, war klar, dass die Künstlerinitiative dabei sein würde. Das Ziel: Ein Zeichen für Vielfalt und gegen Fremdenhass setzen. Mit dabei sind Musiker von den Höhnern, von Miljö, Biggi Wanninger von der Stunksitzung, Kabarettist Jürgen Becker oder Comedienne Carolin Kebekus. Die begründet ihre Mitfahrt im WDR: „Wir sind dabei, um die Demokratie zu verteidigen. Wir merken, dass die Bedingungen auf der ganzen Welt schärfer werden. Was gibt es besseres, als Liebe entgegenzusetzen? Jetzt kommt die Zeit, wo wir alle gefragt sind.“
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Auf der Severinstraße brachte die Sonne die bunten Kostüme zum Strahlen.
Copyright: Costa Belibasakis
Für die Eröffnung des Rosenmontagszugs sorgen am Morgen an der Severinstorburg die Chöre der Veedelperlen und der Grüngürtelrosen. Über 250 Sängerinnen und Sänger singen unter den Augen von Zugleiter und Dreigestirn ein stimmungsvolles Medley: „Dat Wasser vun Kölle“, „Wolkeplatz“, die „Rakete“ von Mätropolis und der „Stammbaum“ der Bläck Fööss.
Kölner Rosenmontagszug: Missbrauchs-Wagen löste Diskussionen aus
Ein Wagen stand im Vorfeld des Zugs besonders im Fokus: der „Jesus liebt Dich“-Wagen, der die Missbrauchsfälle in der Kirche thematisiert. Zu sehen ist der Arm eines Priesters, der ein Kind im Messdiener-Gewand in den Beichtstuhl zitiert. Neben einer Gruppe von CDU-Politikern hatten auch Vertreter der katholischen Kirche die Darstellung scharf kritisiert. Die Aussage „Jesus liebt dich“ werde in der mehrdeutigen Darstellung mit den verbrecherischen Taten des Missbrauchs in Zusammenhang gebracht, so die Kritik. Das Festkomitee hielt an der Darstellung fest. Ihr Ziel hat die Persiflage in jedem Fall erreicht. Sie hat eine Diskussion über die nach wie vor stockende Aufklärung von Missbrauchsfällen ausgelöst. Nicht nur in Köln, nicht nur in Deutschland. Auch im kanadischen Rundfunk äußerte sich das Festkomitee auf Anfrage zum Wagen.
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Prinz René.
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