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Kein Tatverdacht mehrÜberraschende Wende im Prozess um Lynchmob von Köln-Höhenberg

Lesezeit 3 Minuten
Ermittler am Tatort auf der Bamberger Straße

Ermittler am Tatort auf der Bamberger Straße

Erst am Dienstag war der Mordprozess gestartet, und schon am zweiten Verhandlungstag bestand aus Sicht der Großen Strafkammer kein dringender Tatverdacht mehr gegen die Frau.

Überraschende Wende im vierten Prozess um den sogenannten Lynchmob von Höhenberg: Erst am Dienstag war der Mordprozess gegen eine 44 Jahre alte Frau gestartet, und schon am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch bestand aus Sicht der 20. Großen Strafkammer kein dringender Tatverdacht mehr gegen die Frau. Das Gericht hob sowohl den nationalen, als auch den internationalen Haftbefehl gegen die Frau auf. Die 44-Jährige wurde umgehend auf freien Fuß gesetzt. Zur Begründung führte die Vorsitzende Sybille Grassmann aus: „Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Zeugen heute die Angeklagte nicht belastbar identifizieren konnten.“ Zudem habe eine Zeugin (49), auf deren Aussage sich die Anklage weitgehend stützte, am Morgen ihre Aussage verweigert. Vor diesem Hintergrund widersprach die 49-Jährige auch der Verwertung ihrer Aussage bei der Polizei, in der sie die Angeklagte belastet hatte und auf der die Staatsanwaltschaft die Mordanklage gegen sie gestützt hatte. Zudem hatte ein weiterer Zeuge (36) die Angeklagte nicht identifizieren können, wie die Vorsitzende weiter erläuterte.

37-Jähriger brutal getötet

Hintergrund der Anklage ist die brutale Tötung eines 37 Jahre alten Familienvaters durch einen Mob von bis zu 30 Männern am Nachmittag des 10. März 2022. Auf offener Straße hatten die Täter das Fahrzeug des Opfers umringt und auf den Mann eingeschlagen und eingetreten. Als der 37-Jährige sich aus dem Fahrzeug befreien konnte, fielen die Täter weiter über ihn her, schlugen und traten ihn, stachen ihn 17 mal einem Messer. Ein Täter setzte sogar einen Hammer ein und versuchte, den 37-Jährigen damit gegen den Kopf zu schlagen. Nach etwas über einer Minuten ergriffen die Täter schließlich die Flucht und ließen das bewusstlos und blutend am Boden liegende Opfer zurück. Der Mann war so schwer verletzt, dass er wenige Wochen später in einem Krankenhaus an seinen erheblichen Verletzungen verstarb. Ausgelöst worden war die Gewalttat durch ein Internet-Video, in dem der Bruder des Opfers in der Nacht auf den Tattag sowohl lebende als auch tote Angehörige der Großfamilie der Täter beleidigt und geschmäht hatte.

Das Oberhaupt der späteren Täterfamilie soll daraufhin eine „angemessene Reaktion“ gefordert haben. Da der eigentliche Beleidiger aber wegen seines Aufenthalts in Serbien für die Täter nicht greifbar gewesen sei, habe sich die „Rache und Machtdemonstration“ gegen den in Köln lebenden Bruder gerichtet. „Sie beschlossen ihn nur aufgrund seiner Familienzugehörigkeit zu töten“, hieß es am Dienstag bei der Anklageverlesung.

Der konkrete Tatvorwurf gegen die 44-Jährige war eine Unterstützungshandlung. Laut Staatsanwaltschaft soll die Angeklagte ihren Sohn und und ihren Schwiegersohn über die Racheaktion informiert und sie aufgefordert haben, sie an die Tatörtlichkeit zu fahren. In einem Telefongespräch, soll die Frau laut Anklage gesagt haben.

Während der Sohn und der Schwiegersohn an der Gewalt gegen den 37-Jährigen beteiligt haben sollen, soll die Angeklagte sich zunächst im Hintergrund aufgehalten haben. Später, als das Opfer bereits reglos am Boden gelegen habe, habe sie sich auf „wenige Meter“ genähert. In dem Komplex wurden bislang zwei Männer wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen vom Landgericht verurteilt; ein Heranwachsender ebenfalls wegen Mordes zu achteinhalb Jahren nach Jugendstrafrecht.

Der Prozess um den spektakulären Fall wird Ende Januar im Landgericht fortgesetzt.