Köln – Es sollte lediglich ein Aprilscherz sein. Doch aus dem Klamauk in der Kölnischen Rundschau wurde ernst – im positiven Sinn. Da hatten sich die Redakteure im März 1949 folgende Geschichte ausgedacht: Am 1. April würden sich zwischen 11 und 13 Uhr Prinz, Bauer und Jungfrau treffen, um im Gürzenich richtig zu schippen, damit endlich mit dem Bau begonnen werden könne. Bei dem Hinweis, dass Urkölner für dieses Ereignis 0,50 DM zahlen, Kölner jüngeren Datums, sogenannte Kurkölner, 1 DM entrichten sollten und der Eintritt von Imis unerwünscht sei, außer sie zahlten die doppelte Taxe, hätte der Scherz durchaus auffallen können.
Ist er vielen wahrscheinlich auch. Prinz Theo I. (Röhrig), die erste Tollität nach Kriegsende, rief jedenfalls Bauer Andreas (Müller) und Jungfrau Friedel (Fred Reulen) an und so schrieb der Rundschau-Autor am 2. April: „Nachmittags telefonierte mir der Redakteur vom Dienst, die Sache habe eine unerwartete Wendung genommen. Seine Tollität habe sich entschlossen, tatsächlich zum Schippen anzutreten und mit dem Aprilscherz Ernst zu machen.“
Theo Röhrig soll das bewusst gemacht haben, um wie er später mal mitteilte, das Gürzenich-Problem in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken – offenbar mit Erfolg. Gut sechs Jahre später stand der Wiederaufbau für neun Millionen Mark, wobei von dem ursprünglichen Bau nur noch die Außenmauern bestanden. Im Innern entstand Kölns altes Fest- und Kaufhaus völlig neu; die Ruine der Kirche Alt St. Alban wurde einbezogen als Mahnmal für die Toten der Weltkriege.
Wiedereröffnung am 2. Oktober 1955
Der Gürzenich, die Gute Stube Kölns, feierte heute vor 60 Jahren am 2. Oktober 1955 die Wiedereröffnung. Konrad Adenauer hielt eine Eröffnungsrede in der er „ausdrücklich betonte“, dass der Gürzenich auch für den Karneval bestimmt sei.
Namensgeber ist die Patrizierfamilie von Gürzenich, auf deren Grundstück das Profanbauwerk ab dem Jahr 1441 errichtet wurde. Damals wurde es als städtisches Kaufhaus und für Festivitäten von Kaisern und Bürgern genutzt. Im 19. Jahrhundert blühte die Festhaustradition wieder auf. Der erste Karnevalsball wurde bereits 1824 im Gürzenich veranstaltet. Am 18. Oktober 1875 konnte nach einem Umbau im Erdgeschoss die Kölner Börse einziehen. Im Jahr 1928 gründete sich hier die „Katholische Arbeiter-Internationale“, ein Vorläufer der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Gürzenich fast vollständig zerstört und schließlich bis 1955 wiederaufgebaut.
Auch die Prominenz fühlte sich im Gürzenich immer wohl: 1505 besuchte Kaiser Maximilian I. die „Gute Stube“ und auch die Krönungsfeier von Kaiser Karl V. fand 1520 im Gürzenich statt. Karl Marx verkündete hier am 6. Mai 1849 sein Manifest der Kommunistischen Partei. 1967 kamen zur Gedenkfeier anlässlich des Todes von Konrad Adenauer auch der französische Präsident Charles de Gaulle und der US-Präsident Lyndon B. Jonson.
Die Kölner Gipfeltage im Juni 1999 – sechs hochkarätige politische Ereignisse – rückten den Gürzenich ins Licht der Weltöffentlichkeit. Innerhalb weniger Tage fanden die Sitzungen des Europäischen Rates, der Außenminister der G8-Staaten, der Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten, und auch mehrere Sondersitzungen zur Lösung des Kosovo-Konfliktes statt.
Für die Koelnkongress GmbH Grund genug ein positives Fazit zu ziehen: „In seiner 568-jährigen Geschichte war und ist er immer noch die ,Gute Stube‘ Kölns und gleichzeitig eines der repräsentativsten Veranstaltungszentren Europas.“ Und das ist definitiv kein April-Scherz.