InterviewSchulpsychologin berichtet von Problemen von Kindern und Familien
Köln – Leistungsdruck, Ängste und Gefühle der Einsamkeit gehören zu Hauptproblemen, unter denen nach Monaten im Lockdown Kinder und Jugendliche leiden. Dr. Katharina Schabram vom Schulpsychologischen Dienst spricht darüber mit Martina Windrath.
Die Ferien sind bald da, alle sind nochmal kurz „live“ in der Schule. Ein kleiner Lichtblick für gestresste Familien nach Wechsel- und Distanzunterricht. Aber die Herausforderungen bleiben groß, oder?
Katharina Schabram: Es gibt im Moment eine gewisse Erleichterung bei den Eltern, Schülern und Lehrern, weil sie gerade wieder regelmäßig die Kinder erleben nach der langen belastenden Phase. Ständig gab es Änderungen, auf die sich alle immer wieder neu einstellen mussten. Das fiel vielen schwer. Nun können Lehrer im Unterricht vor Ort nochmal besser einschätzen, wo etwas nicht verstanden wurde oder Wissenslücken entstanden. Gerade die Schülerinnen und Schüler der ersten und fünften Klassen hatten es schwer, ihre neue Schule und Mitschüler kennenzulernen, sie waren kaum vor Ort. Aber es gab auch viele, die es gut geschafft haben, sich zuhause selbst zu organisieren.
Es gibt etliche Familien, wo das nicht gut geklappt hat, etwa bei Alleinerziehenden im Homeoffice parallel zum Homeschooling oder wo technische Ausstattung fehlte.
Das stimmt. Es gab große Unsicherheit bei Eltern, wie sie ihre Kinder unterstützen können und es fehlte die Zeit zu sehen, wo es hapert. Jetzt muss man nochmal ganz genau prüfen, ob gravierende Lernrückstände entstanden sind, wie sie parallel zum Unterricht nächstes Schuljahr aufzuholen sind oder ob es vielleicht besser ist, ein Schuljahr zu wiederholen. Das muss man individuell betrachten.
Die Noten und Wissenslücken sind das eine, aber die Krise beeinträchtigt auch die Gefühlslage...
Es ist deswegen sehr wichtig in der nächsten Zeit, Lücken zu schließen, ohne dass das Gefühl der Überforderung eintritt. Im Lockdown berichteten viele, dass es ihnen emotional nicht gut gehe, dass sie an Vereinsamung leiden. Die Kontakte zu Freunden fehlten besonders und die Klassengemeinschaft, das ist nicht alles schnell aufzuarbeiten und digital aufzufangen. Ein Junge hat mir erzählt, er würde sich fühlen, als wäre das Leben auf Pause gedrückt. Das trifft es sehr gut. Vieles, was Freude macht, brach weg. Es sind Ängste entstanden, auch nach der Rückkehr in die Schulen, etwa sich anzustecken. Und wenn man Ängste hat, kann man sich nicht so gut motivieren und konzentrieren. Unregelmäßiger Schulbesuch kann sich als Problem ebenfalls verstärken, wenn Jugendliche sich nicht gesehen und beachtet fühlen.
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Das klingt nach Teufelskreis. Wie helfen?
Wichtig ist es vor allem, Unterstützung zu suchen, ob das beim Schulpsychologischen Dienst der Stadt ist oder bei anderen Beratungsstellen. Jetzt wo die Schule wieder offen ist und die Offene Ganztagsbetreuung stattfindet, können sich Eltern verstärkt Zeit für Beratung nehmen. Sie können auch selbst viel tun: Eine möglichst entspannte vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, mit Interesse zuhören und deutlich machen, dass Ängste in solchen Krisensituationen wie Corona an sich nichts Ungewöhnliches sind. Schon das kann entlastend wirken. Wichtig ist, auch die Stärken und Ressourcen der Kinder zu sehen.
Nicht wenige sind damit zeitweise überfordert.
Dennoch: Ich muss dem Großteil der Familien großes Lob aussprechen, wie sie das trotz der Herausforderungen gemeistert haben. Wenn sie Rat brauchen: Wir sind für sie da in vertraulichen Gesprächen, unabhängig von den Schulen, auch wieder erreichbar am Zeugnistelefon.