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Interview mit E-Scooter-Anbieter in Köln„Der Markt muss begrenzt werden“

Lesezeit 5 Minuten
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E-Scooter stehen überall im Weg

  1. Das E-Scooter-Geschäft in Köln ist gut für die Kasse, aber schlecht fürs Image.
  2. Roller auf Bürgersteigen und im Rhein sorgen für Ärger. Mit dem Geschäftsführer des Betreibers Tier, Lawrence Leuschner, sprachen Simon Westphal und Ingo Schmitz.

E-Scooter sind ein emotionales Thema. Es gibt Kölner die sagen, die Roller sollten aus der Stadt verschwinden. Warum, meinen Sie, Ihre Scooter sollten dennoch bleiben?

Ich glaube, sehr viele von uns haben verstanden, dass wir CO2 -Immissionen reduzieren müssen. Allein die Mobilität ist verantwortlich für über 20 Prozent der Immissionen in Deutschland. In Köln gibt es mehr als 570 000 Fahrzeuge. Damit reden wir von 2,6 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Dabei hat Köln den Klimanotstand ausgerufen. Wir müssen also Alternativen zum Auto bieten, am besten das Fahrrad. Mit der Tier-Tochter „Nextbike“ als Partner der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) bieten wir mit dem KVB-Rad bereits eine super Alternative an. Es gibt aber auch Menschen, die wollen sich anders bewegen, unter anderem mit dem Scooter. Auf kürzeren Strecken bis zu drei Kilometer ist der Scooter eine Alternative zum Auto mit deutlich geringerem CO2 -Ausstoß.

Ist das ein Verkehrsmittel oder kann das weg? Ein E-Scooter steckt in einem Baustellenfenster an der Nord-Süd-Fahrt. Möglicherweise stand er im Weg.

Mobilitätsexperten geben zu bedenken, die E-Scooter ersetzen eigentlich gar kein anderes Fahrzeug, sondern werden zumeist für Strecken genutzt, die ansonsten zu Fuß zurückgelegt wurden.

Zu einem Teil ersetzen wir das Laufen, das ist korrekt. Aber zu einem wichtigen Teil auch das Auto. Die Fahrten unserer Kunden sind im Durchschnitt über zwei Kilometer lang. Ich selbst gehe viel und gerne zu Fuß, aber im Durchschnitt nicht über eine solche Distanz, und da bin ich sicherlich keine Ausnahme. Das heißt, am Ende wird durch die Nutzung der Scooter in Köln CO2 eingespart.

Zurzeit sind auf dem Leih-Scooter-Markt in Köln sieben Anbieter unterwegs. Über 8000 Roller sind mit Konzentration auf den Innenstadtbezirk in Köln aufgestellt. Für viele Menschen ist diese Masse ein Ärgernis. Ist die Nachfrage wirklich so groß, dass es sich für sieben Anbieter rechnen kann?

Die Nachfrage ist immer noch sehr hoch. Auch gefördert durch die Corona-Pandemie, in der die Menschen gerne individuell mobil sein wollen. Wir reden da also immer noch über einen Investitionsmarkt. Allerdings lohnt sich der sicherlich nicht für sieben Anbieter in einer Stadt wie Köln. Wir sind als Marktführer in Europa sehr glücklich mit unseren Zahlen in Köln, aber ich bin mir nicht sicher, ob das alle Mitbewerber so sagen können. Deswegen besteht jetzt eine Riesenchance, mit einer richtigen Regulierung, wie es schon in Städten wie London, Paris aber auch in Sankt Augustin gemacht wurde, einzugreifen.

Führungsrolle auf dem freien Kölner Mobilitätsmarkt

3 Unternehmen hat Lawrence Lauscher ins Leben gerufen. Mit „ReBuy“ begann er seine Laufbahn. Aufgearbeitete Elektroartikel werden über die Internetplattform weiterverkauft. Nach einer Auszeit in Chile, den dort offensichtlichen Folgen des Klimawandels und der Entdeckung eines E-Scooters am Strand gründete er den Mobilitätsanbieter Tier. Mit E-Scootern, E-Bikes und E-Mopeds ist Tier in über 150 Städten unterwegs.

3000 Leihräder unterhält das Unternehmen Nextbike für die Kölner Verkehrs-Betriebe auf Kölner Straßen, das sogenannte KVB-Rad. Nextbike wurde im vergangenen November von Tier aufgekauft. Damit dürfte Leuschner auf dem freien Mobilitätsmarkt in Köln die Führung übernommen haben.

4 Bereiche hat die Stadt Köln zu Abstellverbotszonen für E-Scooter erklärt: entlang des Rheins, an Bächen und Weihern, auf Brücken und in Grünanlagen.Teile der Ringe, der Zülpicher Platz und das Belgische Viertel sind E-Scooter-freie Zonen. In der Altstadt wurden Abstellzonen eingerichtet. Alles in Absprache mit den Verleihern. Restriktivere Maßnahmen entbehrten einer Gesetzesgrundlage, sagt die Stadt bisher. (ngo)

Wie sollte diese Regulierung denn aussehen?

In Form einer Ausschreibung, in der sehr klar festgelegt wird, nach welchen Kriterien in Köln Scooter angeboten werden sollen. Dadurch kann der Markt auf – ich sag mal – ein bis drei Anbieter begrenzt werden. Man kann dadurch einiges definieren. Beispielsweise, dass die Scooter mit nachhaltigem Strom geladen, dass beim Batterieaustausch Lastenräder oder E-Vans benutzt werden, dass Standards beim Arbeitsschutz und bei den Löhnen gelten. Und nicht zuletzt kann definiert werden, wie die Scooter zu parken sind. Die Beispiele aus anderen Städten zeigen: Dadurch kann ein System geschaffen werden, welches sehr gut in die Infrastruktur Kölns integrierbar ist.

Bisher hat sich die Stadt immer auf den Standpunkt zurückgezogen, das könne nur über Vereinbarungen reguliert werden, mehr gebe das Gesetz nicht her. Sehen sie eine Chance für so eine Ausschreibung?

Wir arbeiten gerade an einer Ausschreibung für Köln. Am 9. November beauftragte der Stadtrat die Stadt zu prüfen, ob eine Vergabe von Lizenzen durch Ausschreibung möglich ist, um Qualitätskriterien wie Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen umzusetzen. Köln befindet sich noch in einem frühen Stadium, aber wir unterstützen alle Beteiligten Parteien die Vorteile von Ausschreibungen aufzuzeigen, wie eine Stadt exklusive Lizenzen vergeben kann, ohne Gerichtsverfahren zu riskieren. Sankt Augustin macht es, Leipzig macht es – um nur mal zwei Beispiele aus Deutschland zu nennen. Es mag neu für die Stadt Köln sein, aber ein solches Ausschreibungsverfahren muss aus meiner Sicht gemacht werden, wenn eine höchstmögliche Qualität in der Stadt gewünscht ist.

Was hindert Sie denn daran, schon jetzt restriktiv dafür zu sorgen, dass ihre Roller nicht wild geparkt werden?

Über 500 000 Autos in Köln werden mehr oder weniger geregelt abgestellt, weil es dafür vorgesehenen Raum in nahezu jeder Straße gibt. Warum gibt es das nicht ausreichend für andere Formen der Mobilität? Das ist der Knackpunkt. Wir sollten damit anfangen, an den wesentlichen Knotenpunkten Parkplätze für E-Scooter einzurichten. Als Anbieter möchte ich das Abstellen der Scooter sehr gerne mehr ordnen. Mit dem jetzigen Zustand bin auch nicht zufrieden. Aber wir brauchen dafür die nötige Infrastruktur.

Sie sagen, Ihre Triebfeder ist der Umweltschutz. Da muss es Ihnen doch ganz besonders bitter aufstoßen, dass nicht wenige Ihrer Scooter im Rhein liegen. Sie sind als einer von sieben Anbieter nicht für alle im Wasser liegenden Roller verantwortlich. Doch bisher liefen die Bergungen, an den auch Tier beteiligt ist, nicht besonders erfolgreich.

Diese Form des Vandalismus macht mich natürlich unglücklich. Allein Tier verzeichnet Hunderttausende Fahrten im Jahr. Bei dieser Anzahl gibt es immer wieder einzelne Nutzer, die verantwortungslos handeln. Etwas, was aus meiner Sicht bestraft gehört. Ich möchte es aber ein wenig relativieren: Letzter Stand sind 81 geborgene Scooter. Tier gehörten davon zum Glück nur zehn. Dennoch, um dem entgegenzuwirken, haben wir die Parkverbotszonen entlang der Gewässer eingerichtet.