Köln – Die Domwallfahrt und das Domjubiläum zur Chorweihe vor 700 Jahren neigt sich dem Ende zu. Domdechant Robert Kleine zieht Bilanz.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf der Wallfahrt?
Ich bin schon sehr zufrieden. Vergangenen Sonntag sind wir mit der Wallfahrt gestartet und durch das Domjubiläum gab es auch bereits einen kleinen Vorlauf. Nach Corona sind nun wieder Gottesdienste möglich, die mir schon immer viel Freude bereitet haben. Es waren die Kindergartenkinder und die Grundschülerinnen und -schüler da – eine besondere Freude, dass das wieder möglich ist. Der Pilgerweg wird gut angenommen. Am vergangenen Freitag hatten wir die beiden großen Gottesdienste der Frauen und der Ökumene, bei denen in diesem Jahr auch Vertreter aus den Partnerstädten Kölns dabei waren. Sie werden auch zum Friedensgebet kommen. Darunter sind beispielsweise Gäste aus Liverpool oder Indianapolis. Das ist die Internationalität, für die auch die Heiligen Drei Könige stehen.
Krisenzeiten sind Glaubenszeiten. Spüren Sie das in der Wallfahrt?
Früher hieß es ja immer: Not lehrt Beten. Das ist nicht mehr grundlegend so. Die Säkularisation ist so weit fortgeschritten, dass es für viele Menschen überhaupt kein Gedanke mehr ist, sich in der Not an Gott zu wenden. Dennoch, ich erlebe immer wieder, dass Menschen für ein stilles Gebet in den Dom kommen, Kerzen entzünden. Es gibt die Möglichkeit, Fürbitten einzureichen. So bekomme ich mit, dass Menschen mit ihren Sorgen zu uns kommen. Aber es ist keine messbare Bewegung.
Entstanden ist die Domwallfahrt im Zuge des Weltjugendtags 2005. Zeitweise wurde mit über 50 000 Pilger gerechnet. Haben sich die Erwartungen erfüllt?
Wann ist etwas erfolgreich? Wenn wir nur auf die Zahlen schauen, müssen wir aufpassen, dass wir uns selbst nicht belügen. Wenn täglich 20 000 Touristen in den Dom kommen und viele von ihnen reihen sich spontan in den Pilgerweg ein, dann ist die Zahl der „Pilger“ natürlich beachtlich. Aber auch wenn die Touristen nicht als Pilger gekommen sind, ich sehe viele unter ihnen, die die Wallfahrt mit allen Sinnen erleben.
Richtige Pilgerströme sieht man aber nicht am Dom.
Der Dom ist keine Wallfahrtskirche auf der grünen Wiese, er steht mitten in der Stadt. Hier vermengen sich die Wege der Menschen. Die Domwallfahrt ist verhältnismäßig klein, nicht zu vergleichen beispielsweise mit dem Libori-Fest in Paderborn – auch wenn da immer Parallelen gezogen werden. Denn der Schrein immer da, kann das ganze Jahr über bestaunt und besucht werden, und wir haben kein Volksfest.
Nun gibt es auch eine Berührungsreliquiar mit drei Partikeln der Gebeine der Heiligen Drei Könige im Dom. Ist das noch zeitgemäß?
Es gibt Menschen, die gezielt Köln aufsuchen, um den Schrein zu sehen und uns etwas enttäuscht sagen: Man kommt ja gar nicht dran. Es ist nun mal so, dass wir als Menschen etwas gerne mit allen Sinnen erleben möchten. Bei der Wallfahrt nach Santiago di Compostela reicht es den Pilgern nicht, einfach anzukommen, in der Kathedrale umarmen sie zum Abschluss die Büste des Heiligen Jakobus. Das ist die haptische Bestätigung: Jetzt bin ich am Ziel. So etwas fehlte bei uns im Dom. Klar, bei Reliquien kann man immer die Frage nach der Echtheit stellen. Mir geht es auch gar nicht um einen Reliquienkult. Das Wesentliche bei den Heiligen Drei Königen ist doch, dass ihre Geschichte zeigt, Gott ist Mensch geworden, er ist einer von uns. Als Menschen, die sich auf den Weg zu Gott gemacht haben, sind sie uns Vorbilder.
Wallfahrtsprogramm bis Dienstag
Samstag treffen sich um 12 Uhr die Partnerschaftsvereine Köln mit Vertretern aus zahlreichen Partnerstädten zu einem großen Begegnungsfest am Dom. Abends findet ab 21 Uhr die Jugendvigil „Nightfever“ statt. Jugendliche treffen sich im Dom unter dem Motto: Willst du mit mir gehen?
Sonntag wird um 10 Uhr mit einem Pontifikalamt zur Feier der Kirchweihe in den Tag gestartet. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zelebriert die feierliche Messe. Der Sonntag schließt mit einem musikalischen Angebot im Dom um 18 Uhr und anschließender Pilgermesse.
Montag findet neben Andachten und Pilgermesse um 20 Uhr ein Abendlob statt – gestaltet vom Kammerchor Cantamo Köln.
Dienstag finden noch eine Reihe von Impulsen und Andachten statt, bevor um 18.30 die diesjährige Domwallfahrt mit einem Festhochamt endet. (ngo)
Das Reliquiar lässt aber keinen Blick auf die Partikel zu.
Der Schrein ist noch in der Romanik geschaffen worden, einer Epoche, in der es üblich war, dass man die Reliquie nicht sieht. Daran haben wir uns orientiert. Ansonsten stünden die Menschen davor und würden sich fragen, welcher dieser drei Partikel ist denn jetzt genau von Caspar, Balthasar oder Melchior. Ich finde, solche Fragen sollten nicht vom Eigentlichen ablenken, nämlich was an Weihnachten passierte und welche Auswirkungen es auf mein Leben heute hat. Die Besucher sollen nicht aus der Wallfahrt kommen, um zu sagen, ich habe Knochen gesehen, sondern sie sollen bestärkt sein im Glauben und Wissen, Gott wurde Mensch im Kind von Bethlehem und auch ich kann Gott finden, wenn ich mich auf die Suche einlasse.
Was bedeutet für sie die Domwallfahrt ganz persönlich?
Ich finde es schön, dass wir durch sie die Geschichte der Heiligen Drei Könige neu in den Blick nehmen. Eine Geschichte, die uns alle betrifft. Das fängt schon damit an, dass die Drei aufbrechen und dass sie gemeinsam unterwegs sind – ein wichtiger Aspekt in einer Zeit, in der wir viel über Solidarität sprechen. Sie sind perfekte Wegbegleiter –beim Aufbrechen, Suchen, Sich-Verlaufen, Finden, Sich-Freuen und Schenken. Schade, wenn wir sie nur Weihnachten im Blick hätten.