„Ich bin keine Mörderin“Angeklagte im Kölner Insulin-Prozess mit letztem Wort
Köln – Am Ende eines Strafprozesses steht jedem Angeklagten das sogenannte letzte Wort zu. Im Fall einer 42-Jährigen, die wegen versuchten Mordes mit einer Überdosis Insulin an ihrem Schwiegervater (82) seit Ende Juli 2021 vor dem Landgericht steht, begann das letzte Wort mit der erneuten Beteuerung ihrer Unschuld: „Ich bin keine Mörderin“, hob die Mutter von zwei Kindern (4 und 7) sichtlich bewegt an. Sie habe weder versucht ihren Schwiegervater „umzubringen“ noch „zu ermorden“. „Wenn ich gemacht hätte, was mir vorgeworfen wird, hätte ich es zugegeben“, sagte sie. Inständig bat sie das Gericht, sich an Fakten und nicht unbewiesene Indizien zu halten. Ansonsten „müsste meine Familie verzweifeln, weil ich unschuldig verurteilt würde“, so die ehemalige Maklerin.
Schwiegervater erst ruhiggestellt und dann überdosiert?
Die Staatsanwaltschaft geht in dem Prozess davon aus, dass die Angeklagte in Begleitung ihrer damals vierjährigen Tochter ihren Schwiegervater am Nachmittag des 5. Juli 2020 zwischen 16.10 und 17.28 Uhr besucht, mit dem Beruhigungsmittel Lorazepam ruhig gestellt und ihm anschließend rund 25 Spritzen (Pens) mit Insulin verabreicht habe. Erst am nächsten Morgen war der Senior dann von seiner Haushälterin bewusstlos auf dem Sofa aufgefunden worden. Nach einer schweren Gehirnschädigung aufgrund der Unterzuckerung ist der Mann ein Pflegefall.
Gegen den von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Tatablauf argumentierte Verteidiger Dr. Jürgen Graf, der einen Freispruch verlangte, vor allem mit „naturwissenschaftlichen Fakten“. So sei weltweit kein einziger Fall bekannt, in dem ein Patient eine 16-stündige schwere Unterzuckerung im Blut überlebt habe. Zudem seien keine Einstichstellen am Senior gefunden worden. Auch habe der Senior nach 16 Stunden auf der Couch keine „Liegestellen“ aufgewiesen.
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Auch der von der Staatsanwaltschaft apostrophierte zeitliche Ablauf ging aus Sicht von Graf vorne und hinten nicht auf. So brauche Lorazepam rund eine Stunde, bis es seine sedierende, Wirkung entfalte; für das Verabreichen von 25 Pens oder acht Spritzen Insulin brauche es zwischen 25 und 40 Minuten. „Die Tatbegehung selbst ist höchst unwahrscheinlich, genau genommen unmöglich“, betonte Verteidiger Dr. Frank Seebode .
Und eine Formalie rügte die Verteidigung. Verteidiger Jens Schiminowski wies darauf hin, dass eine Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft die Ehefrau des Ermittlungsführers der Kriminalpolizei in dem Fall sei. Dieses Vorgehen der Behörde sei „unvereinbar mit der Stellung des Staatsanwalts im Strafverfahren“, so Schiminowski. Er ging davon aus, dass dies, neben vielen anderen Fragen, bei einer Revision des Verfahrens noch den BGH beschäftigen werde.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Ein Urteil soll am Donnerstag gesprochen werden.