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Freie Fahrt in KölnWie die Corona-Krise den Verkehr entzerrt

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Nur wenig ist derzeit los auf den Kölner Straßen.

Köln – Prozessoren von Großrechnern sind über die Frage heiß gelaufen, wie der Verkehr besser gesteuert werden kann. Fachleute haben sich den Kopf zermartert, beim Erstellen von Verkehrskonzepten. Dabei scheint die Lösung so einfach, wie die Corona-Krise nahezulegen scheint. Es braucht mehr Homeoffice, um die Straßen leerer zu bekommen. „Die aktuelle Situation zeigt, wie groß das Potenzial für eine Reduzierung des Verkehrs und damit der Staus ist“, sagt Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC Nordrhein und ausgewiesener Kenner der Kölner Verkehrslage. Eine Einschätzung, für die er vom Kölner Verkehrsmanager Patrik Stieler wohlwollendes Nicken erntet.

Staus um 80 Prozent zurückgegangen

Würde sich hinter den Zahlen nicht eine epochale Krise verbergen, es könnte zu Freudensprüngen angesetzt werden. Laut Erhebungen des ADAC haben die Staus in NRW und damit auch auf dem belasteten Autobahnring um 80 Prozent abgenommen. „Beim Pkw-Verkehr gab es Einbrüche, wie es sie in der Geschichte unseres Landes höchstens zur Zeit der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre gab“, sagt Suthold. Er ist aber weit davon entfernt, dies durch eine rosarote Brille zu betrachten. „Großer Verlierer der Krise ist unter anderem der öffentliche Personennahverkehr.“ Das wünscht sich kein Verkehrsexperte.

Die Krise als Chance begreifen

Dennoch: „Wir sollten die Corona-Krise aus mehreren Gründen als Chance sehen“, sagt Suthold. „Wo es möglich ist, sollten wir mehr auf flexiblere Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und Homeoffice setzen.“ Auch leitet er aus der aktuellen Lage ein Plädoyer für die Schiene ab: „Der Eisenbahngüterverkehr erweist sich als krisensicher und sichert die grenzüberschreitende Logistik, während Lkw sich vor den Grenzen stauen.“

Da kann Kölns Verkehrsmanager Patrik Stieler bei vielen Punkten nur zustimmen. „Unsere Erhebungen ergeben, dass wir zurzeit eine Verminderung des innerstädtischen Verkehrs um rund 30 Prozent haben.“ Eine Zahl, die mächtig ins Gewicht fällt: „Auf den Hauptverkehrsachsen hatten wir vor der Krise in Spitzenzeiten stellenweise eine Auslastung von 90 bis 100 Prozent.“ Die Folgen kennt jeder Pendler: Zwischen den Staus nur noch Schritttempo. Um das zum Positiven zu wenden, braucht es gar nicht erst den Krisenmodus. „Schon bei einer Absenkung auf 85 Prozent ist eine gute Koordinierung möglich. Mit zehn bis 15 Prozent weniger kämen wir sehr viel weiter“, sagt Stieler.

Mehr flexible Arbeitsmethoden

Damit ergäbe sich etwas, was das Verkehrsmanagement nun an einigen Stellen in der Stadt versucht künstlich herzustellen: Spitzen abschneiden. „Wir machen das beispielsweise mit der Zuflusskontrolle an der Aachener Straße.“ Stieler spricht damit die sogenannte Pförtnerampel in Weiden an. Der Verkehrsmanager warnt aber vor dem Umkehrschluss, gelänge eine Absenkung der Verkehrsbelastung, bräuchte es keine Maßnahmen dieser Art mehr. „Man müsste dann sehr genau beobachten, wie der frei gewordene Raum wieder zuläuft. So etwas ist sehr schwer zu koordinieren. In der jetzigen Situation lernen wir selbst immens.“

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Dem Werben für flexiblere Arbeitsmodelle von Roman Suthold kann sich Stieler aus ganzem Herzen anschließen. Mehr als Werben kann er aber auch nicht gegenüber der Wirtschaft. Aber der Verkehrsmanager ist sich sicher, die Stadtverwaltung als einer der größten Arbeitgeber Kölns wird ihre Lehren aus der Krise ziehen. „Wir haben jetzt eine sehr geringe Besetzung im Deutzer Stadthaus, mit zahlreichen positiven Effekten.“

Dr. Ulrich Soénius: „Ich warne vor Euphorie“

Dr. Ulrich Soénius ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK

Könnten wir viele Verkehrsprobleme lösen, wenn eine Lehre aus der Corona-Krise wäre, mehr Homeoffice zu nutzen?

Der Verkehr kann nicht auf das jetzige Maß abgesenkt werden. Was wir nun auf den Straßen sehen, ist krisenbedingt. Das zeigt alleine schon der Blick auf den Lieferverkehr, der nun wegen geschlossener Geschäfte zum Großteil brach liegt. Wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, wird unter anderem auch der Lieferverkehr wieder deutlich zunehmen.

Wenn aber eine Absenkung um vielleicht nur zehn Prozent gelänge?

Wir  hatten  vor der Krise eine  wesentlich erhöhte Belastung auf den Straßen, über das Fassungsvermögen hinaus.  Leichte Absenkungen lösen darum nicht gleich alle Verkehrsprobleme. Ich warne davor,   nun in übereilter Euphorie das Verkehrsmanagement an der Garderobe abzugeben.

Können also Konzepte wie Homeoffice gar nicht zur Lösung der Verkehrsprobleme beitragen?

Sie können Teil der Lösung sein. Die IHK hat schon vor der Krise gefordert, über mehr Flexibilität in diesem Bereich nachzudenken. Verkehrsplanung muss dennoch auf hohem Niveau weiter betrieben werden. Wir brauchen neue Ideen, um den Verkehr der Moderne zu managen.