Film wird in Köln gezeigtVon den Gräueltaten an sowjetischen Kriegsgefangenen
In den ersten Monaten nach dem Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren hat die Wehrmacht 3,5 Millionen Kriegsgefangene fest gehalten. Ab Juli 1941 wurden sie zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich deportiert. Aufgrund von Unterernährung, Unterkühlung, Typhus, Misshandlungen und gezielten Tötungen sind bis zum Frühjahr 1942 zwei Millionen von ihnen gestorben.
Weitgehend tabuisiert
Der Film „Keine Kameraden“ von Beate Lehr beschäftigt sich mit dem Leid. Der Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd und das NS-Dokumentationszentrum zeigen ihn am Dienstag (siehe Infotext). Der Film arbeitet erstmals das Massensterben sowjetischer Kriegsgefangener im Winter 1941/1942 auf. Ein Kapitel des Zweiten Weltkriegs, das bis heute weitgehend tabuisiert ist. Der Titel bezieht sich auf eine Aussage Adolf Hitlers: „Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad.“ Für die Nazis waren die Russen „slawische Untermenschen“, „Barbaren“, „Abschaum“.
Im Filmforum
Der Partnerschaftsverein Köln-Wolgograd und das NS-Dokumentationszentrum zeigen am Dienstag, 22. Juni, im Filmforum des Museum Ludwig den Dokumentarfilm „Keine Kameraden“.
Die Filmvorführung (Eintritt 4,50 Euro) beginnt um 19 Uhr an der Bischofsgartenstraße 1. Der Zutritt ist nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete mit Nachweisen möglich. (bro)
Beate Lehr zeichnet die Geschichte am Beispiel zweier Kriegsgefangener nach. Von den insgesamt 5,7 Millionen sowjetischer Kriegsgefangenen starben 3,5 Millionen. Die Recherche zu dem Film hat sie bereits 2008 begonnen. „Ich bin während eines Urlaubs auf Langeoog auf einen Friedhof von russischen Soldaten gestoßen. Vorher hatte ich noch nie etwas von deren Schicksal erfahren. Ich kannte nur die deutschen Erzählungen von vergewaltigenden betrunkenen Rotarmisten. Jetzt wollte ich unbedingt die russische Perspektive kennenlernen und begann, mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen“, erzählte Lehr.
Kapitel aus dem Schatten der Erinnerung geholt
Den Film drehte sie von 2009 bis 2011. Renommierte Historiker wie Professor Hans Mommsen, Dr. Christian Streit und Dr. Rolf Keller unterstützten sie bei der Recherche und halfen ihr, das in Deutschland verdrängte Kapitel des Zweiten Weltkriegs aus dem Erinnerungsschatten zu holen. Die sowjetischen Kriegsgefangenen galten der Wehrmacht zwar formal als Kriegsgefangene, wurden aber nicht behandelt, wie es nach der Genfer Konvention vorgeschrieben war. Sie wurden vorsätzlich schlechter ernährt und behandelt als andere. Die „Stalags“, Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager“, wurden als Baracken-Lager für Franzosen, Polen, Belgier, Briten und Serben eingerichtet. Für die sowjetischen Kriegsgefangenen gab es 1941 etwas Neues, die sogenannten „Russenlager“ – zwölf Lager für 20 000 bis 50 000 Gefangene. Dort gab es keine Baracken mit Schlafplätzen und hygienischen Einrichtungen, sondern nur freie Flächen umgeben von Stacheldraht und Wachtürmen. Zu essen gab es das „Russenbrot“ mit Laub und Holzspänen.
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„Mit ihrem Essgeschirr gruben sie sich Höhlen in die Erde, um Schutz vor der Witterung zu haben. Wir haben Dokumente ausgewertet, Abgangslisten und Friedhofsregister, da ist häufig als Todesursache vermerkt: In der Erdhöhle erstickt. Weil die Gefangenen nicht genügend zu essen bekamen, haben sie Baumrinde gegessen und die Erde nach Würmern durchwühlt“, hat Historiker Rolf Keller herausgefunden. Schnell breiteten sich Krankheiten aus, sodass im Oktober 1941 ein Massensterben einsetzte.
„Lücke im deutschen Gedächtnis“
In den großen „Russenlagern“ starben täglich bis zu 300 Gefangene, die in Massengräber verscharrt wurden. Historiker Hans Mommsen zeigte sich von Lehrs Film beeindruckt: „Es wäre wünschenswert, wenn die Medien sich bereit finden würden, mit der Aufnahme dieses eindrucksvollen und gleichzeitig authentischen Dokumentarfilms diese Lücke im deutschen Gedächtnis zu füllen“, schrieb er 2012 an die Regisseurin.
Der Wunsch des 2015 verstorbenen Wissenschaftlers blieb bis heute unerfüllt: „Während der Film in Russland und Italien ausgestrahlt wurde, haben sich ARD und ZDF aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert“, erzählte Lehr. In der Absage des WDR heißt es, der Film zeige „kein Lager in NRW.“