Die Festschrift der Synagogen-Gemeinde Köln wirft auf 150 Seiten ein Licht auf 1700 Jahre jüdisches Leben in der Stadt. Sie vereint 30 Aufsätze über Historie, aktuelles jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus.
Festschrift der Synagogen-GemeindeEin Einblick in die Geschichte und das aktuelle jüdische Leben in Köln
„Tage sind Schriftrollen; schreibe in sie hinein, was der Erinnerung wert ist.“ Dieses Wort des jüdischen Philosophen Bachja Ibn Pakuda (11. Jahrhundert) ist programmatisch der „Festschrift der Synagogen-Gemeinde Köln zu 1700 Jahren“ vorangestellt. Auf rund 150 Seiten befassen sich namhafte Autoren, Wissenschaftler und Vertreter der Kölner Stadtgesellschaft in knapp 30 kurzen Aufsätzen aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem, was anlässlich des Festjahres wert gewesen ist, aufgeschrieben zu werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Da geht es um jüdische Geschichte in den zurückliegenden Jahrhunderten ebenso wie um einen Blick auf die gegenwärtigen Einrichtungen der Synagogen-Gemeinde Köln (SGK). Auch die dunklen Seiten von „Tod und Vertreibung“ in dieser von vielen Höhen, Tiefen und Brüchen fragmentierten Geschichte werden festgehalten; zudem der stets aktuelle Kampf gegen Antisemitismus oder die Arbeit des NS-Dokumentationszentrum. Wie sehr jüdisches Leben die Stadtgeschichte bereichert und mitgestaltet hat, lässt sich beispielsweise anhand der Texte über jüdische Unternehmer oder über den seit einigen Jahren wieder bestehenden jüdischen Karnevalsverein nachlesen.
Aktives jüdisches Leben zeigen
Rückblick 2021: Vor 1700 Jahren erließ der römische Kaiser Konstantin ein Edikt, mit dem Juden in Köln gestattet wurde, Ämter in der Stadtverwaltung zu bekleiden. Der Erlass von 321 gilt als ältester Nachweis für eine jüdische Gemeinde nördlich der Alpen. Der Vorstand der SGK als Herausgeber betont im Vorwort: „Das Ziel des Festjahres ist es, aktives jüdisches Leben zu zeigen und die Möglichkeit von Begegnungen zwischen den Menschen zu schaffen.“ Durch die Festschrift wird dieses Anliegen nun weitergeführt und vertieft. Denn die lesenswerten Aufsätze über „Geschichten unserer Gemeinde und der Juden in dieser Stadt“ werden unaufdringlich sowie lehrreich mit allgemein verständlichen Texten zum Judentum und seinen Festen sowie einem Glossar zu jüdischen Begrifflichkeiten flankiert und laden zu Begegnungen ein.
Gleich zwei nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten würdigen das jüdische Leben in Köln und darüber hinaus: Weil aufgrund der Corona-Pandemie das reich bebilderte und ansprechend gestaltete Buch erst dieser Tage erscheinen konnte, sind nicht nur der ehemalige Ministerpräsident Armin Laschet, sondern auch sein Nachfolger Hendrik Wüst (beide CDU) mit Grußworten vertreten.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker betont, dass Juden zu Köln gehören „und unsere Stadt über Jahrhunderte mitgestaltet haben“. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, würdigte in seinem Grußwort das Festjahr als eine „große Chance für die deutsche Gesellschaft und ebenso für Christen“. Der deutsche Oberhirte wörtlich: „Bildung und Begegnung sind wirksame Mittel gegen Antisemitismus. Wer Vorurteile gegen Juden und das Judentum abbauen und Verständnis wecken will, tut gut daran, Wissen über Juden und Judentum zu vermitteln und vor allem die Begegnung mit Juden zu fördern.“
Dennoch: Obwohl das wegen der Pandemie bis Sommer 2022 verlängerte mit über 2200 Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet durchgeführte Festjahr unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als großer Erfolg gelten kann, hat vor, während und insbesondere danach der Antisemitismus immer unverhohlener und aggressiver zugenommen. Die entscheidende Zäsur markiert in diesem Zusammenhang der 7. Oktober des vergangenen Jahres mit dem Beginn des Terrorkriegs der Hamas gegen Israel. Denn dieser barbarische Terrorakt zielt auf alle Juden weltweit.
An der Synagoge, die sich laut eines Beitrags „standhaft auf Kölner Boden Richtung Jerusalem“ an der Roonstraße befindet, prangt ein überdimensionales Plakat mit der Aufschrift „Bring Them Home“: Es gibt kaum einen Angehörigen der SGK, der nicht in irgendeiner Form von dem Gemetzel oder von den Geiselnahmen betroffen ist. Durch die verzögerte Auslieferung war es dem Redaktionsteam um Chana Bennett und Ruth Schulhof-Walter noch möglich, dieses historische Ereignis auf zwei Seiten in deutlich anderer optischer Aufmachung unter dem Titel „Ein Wendepunkt“ einzubringen. Mit dem schlimmsten Massenmord an jüdischen Menschen seit der Shoah wird die jüdische Geschichte eben auch in Köln fortgeschrieben.
Verankert in der Mitte der Stadtgesellschaft
Gleichwohl formulieren die Autoren in ihren Aufsätzen nicht nur zwischen den Zeilen immer wieder die Hoffnung und Überzeugung, dass das Judentum gegenwärtig und zukünftig fest verankert in der Mitte der Stadtgesellschaft seinen Platz hat und haben wird. Aktuell wird dies baulich sichtbar und in der Festschrift prägnant beschrieben an dem am Historischen Rathaus entstehenden „MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier“.
Die Festschrift kostet fünf Euro und kann unter festschrift@sgk.de bestellt werden.