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„Es ist extrem selten“Ein Wolf auf Abwegen streift durch halb Köln

Lesezeit 4 Minuten

Ein Wolf schleicht über das Gelände der Rheinenergie AG auf dem Parkgürtel in Neu-Ehrenfeld, steht an der Schranke zum Betriebsrestaurant, schaut sich immer wieder um und läuft dann weiter. „Wollte der Wolf zu uns in die Kantine?“, fragt die RheinEnergie mit einem Augenzwinkern auf Twitter. Der Hunger hätte nicht gestillt werden können – das Restaurant hatte mitten in der Nacht geschlossen. Das Foto des Tieres aus der Nacht zum Mittwoch mitten in der Stadt sorgte am Freitag für Aufsehen und ungläubiges Staunen. Ein Video von dem Wolfsbesuch beim Stromanbieter ging viral, wurde binnen wenigen Minuten sehr häufig aufgerufen.

„Es ist meines Wissens das erste Mal, dass ein Wolf in der Kölner Innenstadt gesichtet wurde“, sagte ein Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV). „Wölfe fühlen sich in Großstädten nicht wohl. Es ist extrem selten. Sie wollen nur wieder raus“, ergänzte der Sprecher. Das Landesamt geht davon aus, dass das Tier sich schlichtweg verlaufen hat: „Der Wolf - der läuft einfach, und er kann einmal an einer Straße die falsche Abzweigung nehmen.“

Mehrere Sichtungen in der Nacht

Der Wolf wurde in der Nacht zum Mittwoch zuerst gegen 0.10 Uhr von einer Bürgerin mit ihrem Handy in Ehrenfeld gefilmt. Er trabte dort den Melatengürtel entlang. Die Sichtung war an der Ecke Fröbelstraße an einem Autohaus. Von dort bewegte er sich immer weiter stadtauswärts und wurde dabei noch mehrmals gesichtet oder gefilmt. Die Kölnerin rief den „Wolfs-Notruf“ beim LANUV an, und so wurde der seltene Ausflug bekannt. Vermutlich wäre der Wolf nie in einen Innenstadt einer Großstadt gelaufen, wenn es keine Ausgangssperre geben würden. Der Autolärm und viele Menschen auf den Straßen hätten ihn wohl abgeschreckt.

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Begegnungen

Menschen gehören nicht zum Beuteschema des Wolfes. Ohnehin sind Begegnungen sehr selten. „Das ist sehr ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen“, sagt Dietmar Birkhahn, Wolfsberater für die Landkreise Rhein-Sieg, Oberberg und Rhein-Erft. „Sollte eine Begegnung zu Fuß stattfinden, dann wird der Wolf stehenbleiben und schauen – eigentlich geht er dann weiter.“

Seit 1999 ist der Wolf wieder in Deutschland, seitdem habe es nicht einen einzigen Vorfall mit verletzten Menschen gegeben. (EB)

Nach der Sichtung in Ehrenfeld wurde der Wolf als nächstes von Überwachungskameras auf dem Firmengelände der Rhein-Energie erfasst. Er lief unter anderem auf Parkplätzen hin und her und suchte offenbar einen Ausweg. Diese Aufnahmen wurden nach LANUV-Angaben von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) eindeutig als Wolf bestätigt. Über Geschlecht, Alter und Identität des Tieres seien hingegen keine Aussagen möglich. Der BUND geht von einem einjährigen männlichen Tier aus.

Etwa zwei Stunden später war der Wolf stadtauswärts ins Veedel Bilderstöckchen weitergewandert. Dort wurde er dabei gesichtet, wie er schnell vor einem Auto weglief. Eine halbe Stunde später beobachtete ein Autofahrer den Wolf, als er eine Straße in Weidenpesch überquerte und sich alsdann in einen Grüngürtel zurückzog.

Tote Schafe in Merkenich gefunden

Am Donnerstagmorgen, also einen Tag später, wurden in der nördlichen Kölner Rheinaue bei Merkenich vier tote Schafe gefunden und 14 tote Hühner, die in der Nacht von einem großen Hund oder einem Wolf getötet worden waren. Der Angriff auf die Tiere geschah im Bereich des Hagenauer Weg. Eine Anwohnerin hatte die Polizei gerufen und von dem schrecklichen Fund berichtet. Ein Wolfsberater hat die Schafe dokumentiert und Proben für eine genetische Untersuchung genommen. Wenn sich der Wolfsverdacht bestätigt, kann der Halter der Schafe eine Entschädigung beantragen. Möglicherweise habe sich der Wolf tagsüber versteckt, sei dann in der nächsten Nacht weitergewandert und habe auf seinem Weg die Schafe gerissen, sagte der LANUV-Sprecher. Das sei eine logische Erklärung, aber ob es wirklich so gewesen sei, müsse die genetische Untersuchung noch klären.

Wolf Rheinenergie

Eine Überwachungskamera der Rheinenergie hat den Wolf in Köln gefilmt.

Auch der BUND betont, dass es zum ersten Mal geschehen ist, dass ein Wolf mitten in Köln gesichtet wurde – und vermutlich nicht zum letzten Mal. „Es werden immer wieder jüngere Wölfe vorbeikommen und sich auch schon mal in der Stadt kurzzeitig verirren. Für den Menschen sind sie ungefährlich, aber nicht für Weidetiere“, betonte der NRW-Vorsitzende Holger Sticht am Freitag. Nach LANUV-Angaben verlassen Wölfe bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs das elterliche Rudel und wandern dann weit umher.