Erschreckende Details in KölnSo lief der Prozess-Auftakt im Doppelmord von Niehl

Der 25-Jährige schützt sein Gesicht mit einem Aktenordnern vor den Fotografen.
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Köln – „Zeig Dein Gesicht“ ist aus dem Zuschauerraum zu hören, als der Angeklagte am Mittwochvormittag in den Gerichtssaal geführt wird. Der 25-Jährige hat sich vor den Fotografen regelrecht vermummt. Dunkle Kapuze, dunkle Kappe, Mundschutz und einen großen Aktenordner vor dem Gesicht. Selbst die Hände waren nicht mehr zu erkennen, so sehr versteckte sich der Angeklagte vor den Blicken. Als die Kameras den Saal 210 verlassen hatten, legte der mutmaßliche Doppelmörder den Schutz ab, und es erschien ein schwarz gekleideter junger, leicht korpulenter Mann mit schwarzen Haaren und kurz rasierten Seiten.
Vater der Getöteten ist im Gerichtssaal
Alle Blicke richteten sich in diesem Moment auf den Angeklagten – auch von der Nebenklagebank aus. Dort saß Ersin Seyhun, der Vater der Getöteten. Er nahm den 25-Jährigen genau in den Blick. Doch der Blick wurde nicht erwidert. Entweder der Angeklagte schaute aus dem Fenster oder auf die Leinwand, wo Tatortfotos gezeigt wurden. Bei Verlesung der Anklage schaute der 25-Jährige auf den Boden. Der Vater der Getöteten nahm die Verlesung und die schrecklichen Details fast regungslos hin. „Ich habe mich darauf vorbereitet“, sagte er später der Rundschau.
Sollte der Mord die Vaterschaft vertuschen?
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der 25-Jährige die 24-jährige Derya und ihren Sohn am 14. November 2021 umbrachte, um zu verhindern, dass bekannt wird, dass er der Vater des damals Vierjährigen war. Im September 2021 hatte die 24-Jährige dem Mann mitgeteilt, dass er der Vater des Kindes sei. Wegen der Vaterschaft habe er „soziale Konsequenzen“ gefürchtet, unter anderen von seiner Freundin, einer anderen Frau, die er habe heiraten wollen. Laut Anklage habe er keinen Unterhalt zahlen wollen. Daher habe er Mutter und Sohn auf einem Feldweg erstochen und die Leichen in den Rhein geworfen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, die Frau und das Kind ans Hafenbecken gelockt und dort bewusst auf die Dunkelheit gewartet zu haben. Dann sei es zu den Angriffen gekommen. Auf die Mutter wurde acht Mal eingestochen, auf ihr Kind sechsmal. Die Frau habe sich verzweifelt gewehrt, schließlich habe der Angreifer ihre Jacke über das Gesicht gezogen und weiter zugestochen. Die tote Frau war im Hafen in Niehl gefunden worden, der Junge einen Tag später am Rhein in Worringen. Eine alarmierte Polizistin wollte den Jungen noch reanimieren.
Schreckliche Details werden in Köln enthüllt
Nicht nur der Inhalt der Anklage ist kaum zu ertragen, auch die später gezeigten Fotos vom Tatort sind zum Wegschauen. Der Angeklagte soll die Frau an einem abgelegenen Trampelpfad am Rhein umgebracht haben. Die Spurensicherung entdeckte nach längerer Suche den Ort des Geschehens und viele Blutflecken.
Ein Polizeibeamter im Zeugenstand schilderte, dass der Leichnam über viele große schwere Steine am Rheinufer ins Wasser geschleppt worden sein muss. Die Tatortfotos zeigen viele blutverschmierte Steine. „Es ist schwierig dort einen Leichnam in den Rhein zu bringen“, sagte der Beamte. Damit die Leiche richtig ins Wasser gelange müsse die Person etwa bis zur Hüfte im Wasser stehen. Diese Tatortfotos schaute sich der Angeklagte intensiv auf dem Rechner seines Anwaltes an.
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Eine Führungskraft der Wasserschutzpolizei berichtete am ersten Prozesstag von der Bergung der Leiche im Hafenbecken. Als die nur noch spärlich bekleidete Frau auf dem Schiff lag, dachte sie: „Oh mein Gott. Sie ist nicht freiwillig ins Wasser gegangen“. Aufgrund des Verletzungsbildes sei ihr klar gewesen, dass es sich nicht um einen Selbstmord nach einem Sprung in den Rhein gehandelt haben kann.
Der Vater der Getöteten verkraftete den ersten Verhandlungstag nach eigenen Angaben gut. „Ich habe aber schlecht geschlafen“, berichtet der 56-Jährige. Bis zum Tode werde ihn die Tat, der Schmerz und die Erinnerungen begleiten, sagt Esrin Seyhun. Seine Tochter beschreibt er als sehr sozial eingestellt. Sie habe vieles für ihre Umgebung, für Freunde und Familie getan. Vielleicht sei der Prozess ein Abschluss. „Der Albtraum wird aber nie vorbei sein.“
Der Prozess ist auf insgesamt elf Verhandlungstage angesetzt. Ersin Seyhun wird ihn als Nebenkläger begleiten. Laut Gericht sind fast 40 Zeugen geladen. Ein Urteil könnte im September gesprochen werden. Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte am Mittwoch nicht.