Einwanderer in Köln mit ProblemenWenn für Monate der Deutschkurs ausfällt
- Einwanderer können Prüfungen nicht absolvieren, die für den Arbeitsmarkt wichtig sind: Deutschkurse sind ein wichtiger Schritt auf der Arbeitssuche.
- Doch seit der offiziellen VHS-Schließung in den ersten Corona-Wochen nutzt das Gesundheitsamt einen Teil der Schulungsräume.
- Deutschkurs, Integration, Einwanderer, Flüchtlinge
Köln – Eine neue Existenz aufzubauen in einem fremden Land, das ist immer eine Herausforderung. Angesichts der Pandemie und aller damit verbundenen Besonderheiten ist es derzeit noch ein ganzes Stück schwieriger. „Wenn du neu in Deutschland bist, hast du keine Freunde. Wenn du zur Schule gehst, hast du viele Freunde“, sagt Samson Okumu (36), der als Bürokaufmann in einer kenianischen Kanzlei arbeitete. Augustine Chakufyali (33), Laborassistent und Projektmanager aus Sambia, ergänzt: „Wir haben in der Gruppe gesprochen. Eine Clique. Das hat uns geholfen.“
Seit dem letzten Herbst lernen sie an der Volkshochschule (VHS) Deutsch. Als dort der Betrieb eingestellt wurde, hingen sie und ihre Mitschüler in der Luft. „Katastrophe“, kommentiert Riui Guo (33), der China verlassen hat, weil er als Homosexueller dort ausgegrenzt wurde. Er schildert, dass er verstärkt wieder mit chinesischen Freunden telefoniert habe, während er wegen der Corona-Schließungen zu Hause war. „Ich fühlte mich dumm. Es war schrecklich.“
Deutschkurse sind ein wichtiger Schritt zum Ankommen. Doch seit der offiziellen VHS-Schließung in den ersten Corona-Wochen nutzt das benachbarte Gesundheitsamt einen großen Teil der Schulungsräume. Das verursacht den Ausfall zahlreicher Kurse, obwohl diese längst wieder erlaubt wären. In der VHS sieht man das mit Ärger, auch wenn es inzwischen wieder eine Perspektive gibt: In ihrer letzten Sitzung entschieden die Ratspolitiker, dass das Gesundheitsamt die Räume zum Herbstsemester zurückgeben soll (die Rundschau berichtete).
Offener Brief an die Politik
Begeisterung über diese Entscheidung bleibt aus, berücksichtigt sie doch nicht die Veranstaltungen, die den Sommer über stattgefunden hätten – darunter auch Integrationskurse. „Die Aussage, dass die VHS zum Herbstsemester wieder dort einziehen kann, ist sehr vage. Wann soll das sein? Das VHS-Herbstsemester beginnt am 25. September; das ist für die Flüchtlinge viel zu spät“, kritisiert Iris Buelli. Die pensionierte Lehrerin gibt an der VHS Deutschkurse.
Im Vorfeld der Ratssitzung mahnte sie in einem offenen Brief an zahlreiche Politiker und Vertreter der Stadt: „Für jeden Flüchtling hängt die Erlangung eines gesicherten Aufenthaltstitels von der Teilnahme an einem Integrationskurs ab.“ Es gehe nicht nur um einen gesellschaftlichen, moralischen Aspekt, sondern vielmehr um eine gravierende juristische Tatsache.
Über die Ratsentscheidung kann die Kölnerin nur den Kopf schütteln. Nach einem halben Jahr ohne Kurse hätten viele fast alles bislang Gelernte vergessen.
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Im Gegensatz zu den Lehrern der allgemeinbildenden Schulen waren die VHS-Dozenten nicht in der Pflicht, den Unterricht digital fortzusetzen. Einige taten es trotzdem. Auf eigene Kosten organisierten sie während der Schließung einen Zoom-Zugang für Videokonferenzen, verschickten Aufgaben auch mal per Whatsapp. So auch Iris Buelli. Sie bedauert jedoch, dass sie auf diese Weise nicht alle ihre Teilnehmer erreichen konnte: In vielen Fällen fehlte gerade denen, die das kontinuierliche Lernen nötig gehabt hätten, schlichtweg die Ausstattung und Struktur für digitalen Unterricht.
Auch für die anderen ist die Situation weiterhin nicht unproblematisch, sagen Riui, Augustine und Samson: Hinsichtlich der Prüfungen, die auf dem Arbeitsmarkt verlangt werden, hat die Situation sie um Monate zurückgeworfen. Eigentlich hätte im Juli eine Prüfung sein sollen. Nun müssen sie hoffen, dass der Kurs im Herbst beginnt.
Dozenten wollen Schüler weiter betreuen – aber auch bezahlt werden
Die Abstandsregeln sind gefallen – das finden wir ganz absurd“, sagt Viola Brings. Sie unterrichtet Deutsch in Integrationskursen beim Verein „Zurück in die Zukunft“. Nach den Ferien sollen sie und ihre Kollegen zurück in die Unterrichtsräume. Doch so sehr sie sich für die Schüler wünscht, dass der Unterricht weitergeht – wie es nach den aktuellen Vorgaben des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgesehen ist, findet sie fahrlässig.
Kleinere Gruppen, die Abstand erlauben – so würde sie sich den Unterricht angesichts der weiter bestehenden Gefahr von Ansteckung mit Corona vorstellen. Doch das ist ein Mehraufwand, den das BAMF entsprechend vergüten müsste: „Das ist des Pudels Kern“, meint die pensionierte Hauptschullehrerin.
Mit Vergütung von Mehraufwand hat sich das BAMF ihrer Erfahrung nach auch bisher nicht hervorgetan: Als der Lockdown den Präsenzunterricht unmöglich machte, durften die Dozenten ihre Schüler nur noch digital unterrichten. „Elektronische Betreuung ist eine gute Sache, aber sie greift nicht bei Leuten, die nur ein Handy haben oder gar nicht lesen können“, sagt Viola Brings. Sie und ihre Kollegen wollten Teilnehmern, die mit dem Online-Angebot nichts anfangen können, gerne Arbeitsblätter per Post schicken. Das wird ihnen jedoch nicht bezahlt. Die Träger können Unterrichtseinheiten nur beim BAMF abrechnen, wenn sie digital gegeben wurden.
Nicht richtig findet das Viola Brings. „Es gibt einen Teil der Schüler – und der ist nicht klein – für den das Deutschlernen so nicht möglich ist“, sagt sie. Auch den würden sie und ihre Kollegen gerne weiter betreuen. Mit schriftlichen Arbeitsblättern, die die Schüler ausfüllen und per Post zurückschicken, ginge das schon besser. Wenn auch nicht alles schriftlich erklärt werden könne: „Was dort nicht verstanden worden ist, muss einfach mündlich erklärt werden.“ Zumal die Menschen in den Alphabetisierungskursen erstmal lesen und schreiben lernen müssen.
In den Kursraum durften die Teilnehmer bisher kaum zurück. Das BAMF erlaubte im Zuge der Lockerungen zwar wieder Präsenzunterricht, aber unter Einhaltung der Abstandsregeln in größeren Räumen. Die Aufteilung der Gruppe auf zwei Räume mit entsprechender Betreuung war nicht möglich. „Größere Räume haben aber die wenigsten Träger“, sagt Brings.
Die Teilnehmer, die „unglaublich interessiert und fleißig sind“, müssten auf viel mehr als nur Sprachunterricht verzichten: „Ihnen fehlt auch der soziale Kontext.“ Sie kämen mit belastenden Fluchterfahrungen, lebten oft in schwierigen Wohnsituationen. Während der täglich vier bis fünf Stunden Kurs „helfen wir dann auch bei Papieren oder bei Fragen zu den Kindern in der Schule.“ Ohne den Kurs sprechen viele im Alltag gar kein Deutsch: „Meine Schüler mussten drei Wochen vor ihrer Prüfung wegen Corona abbrechen – seitdem sind sie wieder weit zurückgefallen.“