Ehrenfeld – Ob Heliosgelände, alter Güterbahnhof oder Max-Becker-Areal – die Entwicklung Ehrenfelds stößt immer auf öffentliches Interesse. Die Entwicklung des Siemens-Areals vollzog sich dagegen bislang eher unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle. Dabei geht es um knapp 19.000 Quadratmeter in bester Lage. Verkehrsgünstig, zentral, eine Grünanlage und die Innenstadt nur wenige Gehminuten entfernt.
430 Wohnungen entstehen
Hier soll der Stadtteil Ehrenfeld an seinem östlichen Rand vollendet werden. Nicht weniger als 430 Wohnungen, Gewerberäume und eine Kita sind geplant. Ein Drittel der Wohnungen werden öffentlich gefördert sein. Vor etwa drei Jahren kaufte der Kölner Immobilienentwickler Corpus Sireo das Grundstück und ließ bereits ein detailliertes städtebauliches Konzept ausarbeiten. Nachbarn blieben dabei außen vor. Politiker wurden erst einbezogen, als eine Jury für den städtebaulichen Wettbewerb gebildet wurde. Da war es beispielsweise schon zu spät für den Vorschlag, ein Schulgebäude mit einzuplanen. Nicht einmal eine weitere Tiefgaragenzufahrt soll mehr möglich sein.
Beschleunigtes Verfahren
Das notwendige Bebauungsplanverfahren soll „beschleunigt“ abgewickelt werden. Dass sich im Schatten des wohl zum Abbruch bestimmten Bürogebäudes von Siemens weiterhin zahlreiche Menschen viele Gedanken zu den bevorstehenden Veränderungen in ihrem Viertel machen, wurde bei der „Öffentlichkeitsbeteiligung“ deutlich. Die fand jüngst als Live-Stream-Veranstaltung in Ehrenfeld statt. Bürger konnten sie jedoch nur via Internet verfolgen und per Chat Anregungen loswerden.Inzwischen formiert sich sogar eine Bürgerinitiative, die den Erhalt des Bürogebäudes zum Ziel hat. Auch die großen Bäume sollen erhalten bleiben. Auf einer Internetseite wurde ein Diskussionsforum eröffnet.
Im Rahmen des offiziellen Bebauungsplanverfahrens können Fragen, Einwände und Stellungnahmen indes noch schriftlich bis zum 18. Januar beim Bezirksbürgermeister eingereicht werden. Breiten Raum nahmen bei der Bürgerinformation die Vorstellungen des städtebaulichen Konzepts, der Grün- und Freiraumplanung sowie des Verkehrskonzeptes ein. Harald Wennemar vom Architektenbüro Konrath und Wennemar führte aus, dass sein Entwurf die vorhandene Bebauung „relativ logisch ergänzt“.
So werden dem Karree aus Leostraße-, Pellenz- und Stammstraße in östlicher Richtung weitere Karrees angefügt. „Das Gefühl Ehrenfelds soll sich weiterentwickeln“, sagte Wennemar. Die neuen Gebäude ragen dabei bis zu 25 Meter auf.Allerdings: Das alte Siemensgebäude ist an seinem höchsten Punkt auch 26 Meter hoch. Dennoch befürchten unmittelbare Anwohner, dass ihre Wohnungen und Innenhöfe künftig im Schatten liegen und dass es kaum noch Luftzirkulation geben wird. Dagegen betonte Thomas Fenner vom Düsseldorfer Büro FSWLA Landschaftsarchitekten, dass die Grünplanung in den Stadtteil hinein wirken soll. Auch Peter Schmidt, Niederlassungsleiter des Investors, wies darauf hin, dass sich die Klimasituation verbessern werde.
Grüne Dächer und Allee
Die Gebäude bekommen begrünte Dächer und am Boden sollen 60 neue Bäume gesetzt werden. Darunter ist eine Art Allee, die als neuer Verbindungsweg das Viertel mit der reich begrünten Bezirkssportanlage verbindet. Jedoch werden voraussichtlich zwei der sechs Platanen in der Franz-Geuer-Straße fallen. Auch in der Stammstraße werden Platanen entfernt. Die 65 Kugelahorne auf dem Siemensparkplatz werden ohnehin weichen müssen. Wie skeptisch die Bürger die geplanten Eingriffe ins Grün sehen, ist an den Holzkreuzen zu erkennen, die Anwohner an den Platanen befestigten.
„Warum kann das Siemens-Gebäude nicht erhalten werden?“, wurde auch gefragt. Das 1971 erbaute Gebäude, das für manche stets ein Fremdkörper im Viertel war, hat inzwischen auch Sympathisanten. Sie nennen es liebevoll „Aida von Ehrenfeld“, weil es je nach Blickwinkel an ein nach der Oper benanntes Kreuzfahrtschiff erinnert. Silke Rheinschmidt vom städtischen Planungsamt führte aus, dass man schon frühzeitig den Denkmalschutz konsultiert habe. Da dieser dem kantigen und vollflächig verglasten Gebäude von 180 mal 28 Metern Größe jedoch keinen Denkmalwert bescheinigte und das Gebäude „keinen sinnvollen Wohnungsbau möglich macht“, sei der Erhalt schnell vom Tisch gewesen. Entsprechend zeigte man bei dem inzwischen zu Swiss Life gehörenden Kölner Immobilienentwickler auch den Vorschlägen von Architekturstudenten der TH Köln, die sich im Wintersemester 2019/20 mit Möglichkeiten zum Erhalt des Gebäudes befassten, die kalte Schulter.
Studenten befassten sich mit Erhalt des Gebäudes
Ziel des Projektes war es, die Studierenden für das Thema der Nachverdichtung durch Bauen im Bestand zu sensibilisieren und das ressourcenschonende und nachhaltige Bewusstsein zu stärken.Mehr als fraglich scheint, ob das von einem Anwohner vorgelegte Nutzungskonzept, das Gebäude zum „Ehrenfelder Wohn- und Kulturzentrum“ zu machen, jemals ernsthaft geprüft wurde. In diesem Konzept wird auch der Bau einer Öko-Siedlung vorgeschlagen. Eine Genossenschaft soll das Vorhaben finanzieren. Sie müsste das Grundstück von Corpus Sireo erwerben. Das aber scheint wenig realistisch.Wie viel Geld die Siemens AG, die hier seit fast 50 Jahren eine Niederlassung hat, beim Verkauf des Geländes von der Kapitalgesellschaft Cresco Group erhielt, ist ebenso wenig bekannt wie die Höhe der Kaufsumme, die Immobilienentwickler Corpus Sireo an Cresco bezahlte. Klar dürfte indes sein, dass sich die Investition in Ehrenfelder Grund und Boden für Corpus Sireo am Ende lohnen soll. Informationen zum Planverfahren Franz-Geuer-Straße und den Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger sind auf der städtischen Homepage zu finden. Die TH Köln hat die studentischen Ideen ebenfalls auf ihren Internetseiten präsentiert.www.stadt-koeln.de