AboAbonnieren

Anpacken statt KrisenmodusDiese Kölnerinnen und Kölner lassen sich nicht entmutigen – sie machen die Dinge besser

Lesezeit 7 Minuten
Die Natur ist so viel schöner ohne Müll, findet Meike Brodé.

Die Natur ist so viel schöner ohne Müll, findet Meike Brodé.

Was man tut, muss passen: Sechs Menschen haben uns erzählt, warum sie gerne ehrenamtlich aktiv sind.

„Sehen, was ich vor Ort konkret verändere“

Meike Brodé ist bei Zero Waste Köln auf vielseitige Weise aktiv – vom Müllsammeln bis zur Bildungsarbeit.

„Konkret und lokal“ wollte sich Meike Brodé engagieren, als sie vor vier Jahren nach Köln kam. „Globale Krisen stürmen auf uns ein, deshalb ist es mir wichtig zu sehen, was ich durch mein Engagement vor Ort unmittelbar verändere“, sagt die 34-Jährige. Das tut sie beim Verein Zero Waste Köln, der sich auf vielseitige Weise für schonenden Umgang mit den Ressourcen und Müllvermeidung einsetzt. Brodé organisiert etwa Kleidertauschbörsen in ihrem Veedel Ehrenfeld, macht mit beim „Clean-up“, dem Müllsammeln, und bei der Bildungsarbeit in Zusammenarbeit mit der VHS. „Hier geben wir den Kölnerinnen und Kölnern Tipps, was sie ohne viel Aufwand im Alltag ändern können, etwa, um Müll zu vermeiden“, sagt Brodé, die beim Unternehmen „Fair Trade“ arbeitet. Am dem politischen Erfolg, dass der Kölner Rat ein „Zero Waste“-Konzept verabschiedet hat, hat sie ebenfalls mitgewirkt. „Bei allem Engagement gilt aber immer ,Keiner muss perfekt sein, weder die Menschen, die ihr Verhalten ändern möchten, noch die Ehrenamtlichen von Zero Waste. Es muss zur Lebenssituation passen“, sagt Brodé. Einmal im Monat ist deshalb auch nur Vergnügen mit Gleichgesinnten angesagt – beim Zero Waste Stammtisch.


„Ein kleines Abenteuer, das mich sehr erfüllt“

Cornelia Schäfer begleitet einen 91-jährigen Kölner mit Demenz und entlastet die pflegende Ehefrau.

Der Aushang in der Stadtteilbibliothek Haus Balchem sei genau richtig für sie gewesen. „Das war schon ein bisschen verrückt“, erinnert sich Cornelia Schäfer. Die 65-jährige Journalistin hatte gerade ihren Vater beerdigt, die Mutter war ein Jahr zuvor gestorben, nach langen Jahren mit fortschreitender Demenz. „Wir sind uns in dieser Zeit nochmal ganz anders nahe gekommen, auf der emotionalen Ebene. Aber danach fühlte ich mich erstmal verloren“, sagt sie. Auf dem Aushang der Freiwilligen Agentur Köln wurden Ehrenamtliche für die Begleitung von Menschen mit Demenz gesucht. Nach einer fünftägigen Schulung „mit vielen netten Menschen“ betreut sie einmal in der Woche nachmittags einen 91-jährigen Mann mit Demenz. Sie spaziert mit ihm durch die Alleen und Parks der Südstadt mit ihren uralten Baumriesen und geht sogar zum Schwimmen. „Das ist nicht immer einfach, jedes Mal ein kleines Abenteuer, und erfüllt mich sehr“, sagt Cornelia Schäfer. Vor allem wenn es gelingt, trotz der fortschreitenden Verluste wie dem, ganze Sätze sprechen zu können, Leichtigkeit in die Begegnungen zu bringen. „Oder wenn er mich anlächelt und ich merke, dass er mich erkennt“, sagt die 65-Jährige. Einer von vielen schönen Momenten.


Aufgeben ist nicht ihr Ding: Josy Freundt.

Aufgeben ist nicht ihr Ding: Josy Freundt.

„Etwas tun hilft gegen Zukunftsangst“

Josy Freundt ist Mitglied im Naturschutzbund Köln. Sie hat große Pläne für die kleinsten Kölner und Kölnerinnen.

„Ich möchte den Menschen zeigen, wie sie einen kleinen Teil selbst beitragen können. Das gibt Hoffnung und hilft gegen Zukunftsangst“, sagt Josy Freundt. Aufgeben ist nicht ihr Ding. Nach einer Verletzung musste die selbständige Wanderführerin ihr Angebot „Wanderauszeit“ einstellen, eine Arbeit in der Natur, die die 67-Jährige leidenschaftlich gerne gemacht hat. Jetzt engagiert sie sich beim Naturschutzbund (Nabu), pflegt die Streuobstwiese in Langel und Wildblumenwiesen am Aachener Weiher. Im Sommer gibt sie an Infoständen ihr Wissen über essbare Wildkräuter weiter – und Schafgarben, Gänseblümchen und Pimpinelle zum Einpflanzen gleich dazu. „Das alles mache ich zusammen mit vielen unheimlich netten Menschen, Gleichgesinnten, denen die Natur so am Herzen liegt wie mir.“ Durch das Tun entstehen neue Ideen. „Ich möchte sehr gerne den Kindergarten in Fühlingen einbeziehen, dort ein Gärtchen anlegen, damit die Kinder lernen, dass Spinat nicht viereckig ist und kalt“, sagt sie lachend. „Dort könnten sie sehen, wie die Wildkräuter im Laufe des Jahres wachsen und Insekten auf den Blüten mit der Lupe beobachten.“ Und Kindergärten, davon gebe es ja ganz viele in Köln…


Am Infostand: Brunhilde Metushi.

Am Infostand: Brunhilde Metushi.

„Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben“

Brunhilde Metushi engagiert sich auf vielfältige Weise in der Kölner Freiwilligen Agentur und Juttas Suppenküche.

Gleich in mehreren Bereichen der Kölner Freiwilligen Agentur (KFA) ist Brunhilde Metushi seit Jahren aktiv. Im Projekt „Babellos“ begleitet die gebürtige Albanerin geflüchtete Menschen ehrenamtlich als Übersetzerin zu Ärzten und bei Ämtergängen. Sie engagiert sich in der AG Öffentlichkeitsarbeit und betreut Stände an der Uni oder auf Festen, dazu hilft sie in der AG Fundraising bei der Suche nach Förderern für die Ehrenamtsagentur. 2014 kam sie mit ihrem Mann nach Deutschland, ihre beiden Kinder sind hier geboren. Seit der Trennung ist sie alleinerziehende Mutter. Neben ihrer Teilzeitstelle als Sozialassistenz in einer Senioreneinrichtung hilft Brunhilde Metushi freitags bei „Juttas Suppenküche“ und verteilt dort Lebensmittel und Kleidung an bedürftige Menschen. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in den ersten Jahren hier selbst Hilfe bekommen habe“, sagt sie. „Jetzt möchte ich der Gesellschaft etwas zurückzugeben und anderen helfen.“

Spaß an der Bewegung vermittelt Alfred Zimpel.

Spaß an der Bewegung vermittelt Alfred Zimpel.

„Das ist mir eine Herzensangelegenheit“

Alfred Zimpel bringt den Südstadtkindern Fußballspielen bei – ohne Leistungsdruck und mit viel Spaß.

Bei den „Südsternen“ wird Leistungsdruck ganz klein geschrieben. Seit über 20 Jahren existiert die Elterninitiative, jeden Sonntag kicken die Kinder (meist im Grundschulalter) im Friedenspark in der Südstadt. Alfred Zimpel (59) leitet das Training mit anderen Vätern seit drei Jahren. „Wir wollen die Kinder zwanglos an den Sport heranführen“, sagt er. Anders als im Verein gibt es keine Pflicht zu kommen. Wer da ist, ist da, und es spielen immer: alle. Wenn sich ein Nachwuchskicker schon mal mehr der Blumenwiese als dem Ball widmet, wird er sanft motiviert, aber eben nicht unter Druck gesetzt. „Wir wollen Spaß an der Bewegung vermitteln, weg von den Handys“, sagt der Ergotherapeut. „Das ist mir eine Herzensangelegenheit.“ Die Farben der Trikots sind in Hellblau und Weiß gehalten, es werden aber auch Shirts vom FC Barcelona und Paris Saint-Germain getragen. Große Träume der Kleinen. Alle Eltern helfen, stellen die Tore auf und sammeln für neue Bälle, wenn mal wieder einer im Gebüsch unauffindbar war. Gespielt wird bei Wind und Wetter, und nach einem Foul trocknet Trainer Zimpel schon mal ein paar Tränen. Denn ernst genommen wird das Kicken am Sonntag schon. Zwei Stunden dauert das Training, mit Technik- und Torschussübungen und natürlich einem Spiel auf zwei Tore. Bei Unentschieden fordern die Kinder meist Elfmeterschießen. Antreten darf immer jeder.


„Der Glaube ist eine Kraftquelle für mich“

Rosi Schmidt ist eine feste Größe in der Obdachlosenhilfe Gubbio und bei der Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz.

Wenn Anne Rose Schmidt, Rufname „Rosi“, Dienst hat, ist das Hallo in der Obdachlosenhilfe „Gubbio“ an der Ulrichgasse groß. Alle Gäste kennen die 66-Jährige, die jeden Dienstagnachmittag und außerdem im Nachtcafé arbeitet. Dienstags backt sie gespendete Tiefkühl-Rohlinge auf und belegt sie so, „dass es den Gästen schmeckt!“. Im Nachtcafé, bei dem 15 obdachlose Menschen in der Kirche übernachten dürfen, sorgt sie mit ihrer energisch-liebevollen Art dafür, dass alle irgendwann zur Ruhe kommen. Gubbio ist nicht das einzige Ehrenamt der gebürtigen Pfälzerin, die nach 35 Jahren in Bayern in Köln „angekommen und zu Hause“ ist. Neben ihrer Teilzeitstelle im Obdachlosenrestaurant „Lore“verteilt sie zweimal im Monat Essen am Breslauer Platz. „Freitag habe ich frei“, erzählt sie lachend. „Dann gehe ich in Vingst für Kölsch Hätz mit einer kleinwüchsigen Frau einkaufen.“ Wie es sich anfühlt, Hilfe zu benötigen, weiß die 66-Jährige, sie hat in München einige Monate auf der Straße gelebt. Gubbio, das ist auch ein Stück zu Hause für sie. „Der Glaube ist eine Kraftquelle für mich. Rumsitzen, das ist nichts für mich. Ich bin gerne mit Menschen zusammen. Und ich helfe gerne.“ Es gebe viele schöne Momente mit den Menschen ohne Obdach, die sie fast alle kennt. Einer der schönsten: „Die strahlenden Gesichter, wenn ich mal etwas ganz Besonders gekocht habe. Ein Schnitzel oder eine Rindfleischsuppe. Wenn sie sagen: Das hat so gut geschmeckt!“