Köln – Wer sich aktuell mit dem Coronavirus ansteckt, der infiziert sich laut Daten des Kölner Gesundheitsamtes mit großer Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal. Laut den offiziellen Zahlen fielen im Juni 98,7 Prozent der Fälle auf Erstinfektionen. In nur 1,2 Prozent der Fälle handelte es sich um Zweitinfektionen, in zwölf Fällen um Drittinfektionen und in einem Fall sogar um eine vierte Infektion. „Die Dunkelziffer der Zweitinfektionen wird deutlich höher sein“, glaubt der Leiter der Infektiologie der Uniklinik, Professor Gerd Fätkenheuer. Die wichtigsten Antworten zum Thema.
Warum kommt es zu Mehrfachinfektionen?
In Köln sind knapp 82 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Das Robert-Koch-Institut hat seit Pandemiebeginn über 385 000 Infektionen für Köln registriert. „Das Virus trifft schon jetzt hauptsächlich auf Menschen, die eine gewisse Immunität haben“, sagt Fätkenheuer.
Inzidenz im Jahresvergleich – Schätzungen zur Dunkelziffer
11,2 betrug die Sieben-Inzidenz in Köln vor genau einem Jahr. Im gesamten Juni und Juli 2021 überschritt der Wert die Marke von 50 nicht.
Weil mittlerweile nur noch positive PCR-Tests in die Inzidenz fließen, rechnen Experten damit, dass die aktuellen Infektionszahlen deutlich höher sind als die offiziellen Daten dies vermuten lassen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schätzte zuletzt, es gebe etwa doppelt so viele Fälle wie offiziell erfasst. Andere Experten vermuten, dass es sogar bis zu dreimal so viele Fälle geben könnte.
16.100 aktive Corona-Fälle gibt es aktuell in Köln laut Schätzungen des Landeszentrums Gesundheit NRW (LZG). Den meisten gleichzeitig Infizierten schätzte das LZG im vergangenen März. Damals waren es zeitweise über 55 000. (sim)
Denn das Immunsystem produziert Antikörper sowohl durch eine Infektion als auch durch eine Impfung. „Wir wissen nicht genau, wie viele Menschen bisher schon Kontakt mit dem Virus hatten oder geimpft sind. Wir wissen aber, dass das auf die überwiegende Mehrheit zutrifft“, sagt Fätkenheuer. Wie viele Menschen in Köln entweder geimpft oder bereits genesen sind, kann das Gesundheitsamt nicht beantworten. Zahlen aus Berlin verschaffen einen Eindruck, in welche Richtung die Zahlen gehen könnten. Dort beträgt der Anteil in der Gesamtbevölkerung bereits 93 Prozent. Da das Virus die Fähigkeit hat, dem Immunschutz zu entkommen, kann es trotz Impfung oder bereits überstandener Infektion zu einer erneuten Infektion kommen.
Wie hoch ist aktuell das Risiko einer Zweitinfektion?
Genau lässt sich das nicht sagen. Denn ob sich jemand zum zweiten Mal infiziert oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Klar ist: „Eine durchgemachte Infektion schützt nicht vor neuen Infektionen. Das ist leider so“, sagt Fätkenheuer. „Generell nimmt der Immunschutz mehr oder weniger schnell ab, beeinflusst von individuellen Faktoren wie Alter oder Vorerkrankungen.“
Ist eine zweite Infektion automatisch harmloser?
„In aller Regel ist der Verlauf bei einer Zweitinfektion harmloser“, erklärt Fätkenheuer. Eine generelle Aussage ist aber auch in dieser Frage nicht möglich, denn wieder kommt es auf individuelle Faktoren an. „Natürlich gibt es seltene Fälle, in denen es anders herum ist.“, sagt der Expert
Sind auch schwere Verläufe denkbar?
Denkbar sind laut des Experten auch schwere Verläufe. Davon ist die Rede, wenn eine Person im Krankenhaus behandelt werden muss und etwa eine Unterstützung der Atemorgane benötigt. „Grundsätzlich ist das auch bei einer Zweitinfektion möglich, aber das Risiko ist viel geringer.“
Was haben die neuen Varianten für Auswirkungen?
Mittlerweile ist auch in Köln die Virusvariante Omikron BA.5 vorherrschend. Der Anteil der Variante im Kölner Labor Dr. Wisplinghoff liegt bereits bei 75 Prozent. „Mit jeder neuen Variante, die dem Immunsystem wieder besser entkommt als die bisherigen, steigt das Risiko für Zweitinfektionen“, sagt Fätkenheuer. Omikron BA.5 sei eine solche Variante.
Wie kommt es zu Dritt- oder Viertinfektionen?
Dritt- oder Viertinfektionen sind noch eher selten. Wenn es dazu kommt, kann das ganz unterschiedliche Gründe habe. „Es gibt Fälle, in denen eine Person eine Infektion durchmacht, danach aber nicht geschützt ist, weil sie keine echte Immunabwehr bildet“, erklärt Fätkenheuer. Das sei auch von der Impfung bekannt. Unabhängig vom Corona-Impfstoff ist bekannt, dass manche Personen nur eingeschränkt eine Immunantwort aufbauen können. Das kann am Immunsystem selbst oder an Medikamenten liegen.
Zu den Betroffenen in Köln, die zum dritten oder vierten Mal infiziert sind, macht das Gesundheitsamt auf Anfrage keine genauen Angaben. „Sie gehören allen Altersgruppen an“, sagt eine Stadtsprecherin. Derzeit führe das Gesundheitsamt eine wissenschaftliche Analyse der Mehrfach-Infektionen durch.
Was macht eine Impfung für einen Unterschied?
Klar ist: Auch eine Impfung schützt nicht vollständig vor Mehrfachinfektion. Und trotzdem ist sie weiterhin von großer Bedeutung. „Allen Ungeimpften, die eine Infektion durchgemacht haben und jetzt denken, dass sie damit einen guten Schutz haben, denen muss man sagen: Der Schutz könnte noch deutlich besser sein mit einer Impfung“, erklärt Fätkenheuer. Den besten Schutz habe eine Person, die sowohl vollständig geimpft ist und zusätzlich eine Infektion durchgemacht hat. In welcher Reihenfolge spiele laut Fätkenheuer keine Rolle.