Köln – 1000 Liter Kölsch waren geordert. Die Nacht war noch nicht weit fortgeschritten, da waren schon 3000 weg. Die Grünen haben etwas zu feiern auf ihrer Wahlparty. Erstmals ein Direktmandat auf Kölner Boden, erstmals eine trans-idente Person im Bundestag. Und in den verbleibenden zwei Wahlkreisen weit mehr als Achtungserfolge bei den Erststimmen.
Sven Lehmann ist der Star des Abends. Dass sein Wahlkreis 94/Köln II mit Rodenkirchen und Lindenthal ein bestelltes Feld für die Grünen sein kann, das war die Theorie. Dass der 41-Jährige am Ende mit fast 36 Prozent eine enorme Ernte einfahren kann, ist die neue Praxis. Direktmandat. Lehmann braucht seine Zeit, um am Wahlabend seinen Augen zu trauen und sich den Medienfragen zu stellen. „So viel direkter Zuspruch von den Wählern, das ist das Beste, was einem Politiker passieren kann. Ich bin total demütig und dankbar“, jubelt er. Köln sei halt immer noch eine grüne Hochburg. Dass es im Bund bei Weitem nicht so gut ausgegangen ist, zeigt für Lehmann: „Die Formel, dass die Grünen vor allem im urbanen Raum stark sind, greift immer noch.“
Mehrheit ohne die Union als Wunsch
Der Koalitionswunsch des grünen Stars: „Ich hoffe auf eine Mehrheit ohne die Union.“ Und was will er bewegen in Berlin? „Ich werde mich dafür starkmachen, dass es keine neue Rheinbrücke geben wird.“ Bezahlbarer Wohnraum ist ein weiterer Punkt auf seiner Agenda.
Zwar kein Direktmandat, aber das Ergebnis aus der Bundestagswahl 2017 mit rund 28 Prozent bei den Erststimmen mehr als verdoppelt. Soweit die Zahlen für Katharina Dröge im Wahlkreis 95/Köln III. Aber es gibt da noch einen emotionalen Faktor: Dröge ist Rolf Mützenich auf die Pelle gerückt. Dem Sozialdemokraten, der seit 2002 im Bundestag sitzt und bereits zum sechsten Mal in Chorweiler, Nippes und Ehrenfeld seinen Hut in den Ring wirft. „Seit über 50 Jahren holt das hier die SPD, seit 1965 hat hier keine Frau mehr gewonnen“, ist Dröge in Hochstimmung. Gram sein muss sie nicht, dass mit ihr nicht mal wieder eine Frau das Direktmandat in diesem Wahlkreis holt. Dröge ist komfortabel über die Liste abgesichert. Sie gehörte schon seit zwei Legislaturperioden dem Bundestag an und darf nun erneut ein Bahnticket in die Hauptstadt lösen. „Ich habe intensiv für ein Direktmandat geworben“, sagt sie. Viele Rot-Grün-Wähler hätten an ihren Wahlkampfständen überlegt, wie sie ihre Stimmen aufteilen sollten. „Es war klar, es ist ein Duell zwischen Rolf Mützenich und mir.“
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Dass sie ihm ein gefährlich werden konnte, habe nicht zuletzt am Thema Verkehr gelegen. Da habe sie den größten Zuspruch erfahren. Koalitionswunsch? „Laschet hat klar verloren. Ein Linksbündnis hätte ich zumindest gerne sondiert“, sagt Dröge. Damit ist die Präferenz geklärt.
Erstmals mit 29 Jahren angetreten im Wahlkreis 93/Köln I und mit 29 Jahren sogleich fast 24 Prozent der Erststimmen eingefahren – das ist die Erfolgsbilanz von Lisa-Marie Friede. Dass die Formel „urbaner Raum gleich grüner Wahlerfolg“ nicht immer und überall stimme, dafür sei ihr Wahlkreis mit Porz und Kalk der Beweis. „Der ist durchaus von Fläche geprägt und nicht die Innenstadt“, so Friede. Dass sie dort eine Marke setzen konnte, erklärt sie sich dadurch, „dass ich neben Klima auch Arbeitsmarkt und Soziales als Schwerpunkt gesetzt habe“.
Nyke Slawik hatte natürlich keine Chance auf ein Direktmandat im Wahlkreis 101/Leverkusen-Köln IV, in dem Karl Lauterbach traditionell für die SPD in den Ring steigt. Aber mit rund 14 hat auch sie ihr Ergebnis aus 2017 mehr als verdoppelt. Die trans-idente Politikerin ist über die Liste abgesichert.