Brüsseler Platz in KölnRat verschiebt Votum über umstrittenen Bebauungsplan
Köln – Am frühen Dienstagnachmittag ist klar: Der neue und umstrittene Bebauungsplan für das Belgische Viertel ist zu heiß, die vierköpfige Volt-Fraktion meldet zu Beginn der Ratssitzung im Gürzenich Beratungsbedarf an, ihre Bündnispartner Grüne und CDU folgen. Die Welle der Empörung der Gastronomen samt einer Petition mit mehr als 8100 Unterzeichnern war wohl zu viel Druck für das Bündnis, es verschob die Entscheidung in die Ratssitzung am 6. Mai – nach mehr als fünf Jahren, die die Politik das Thema schon behandelt. Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen sagte: „Das verschafft uns Zeit, mit allen Vertretern zu sprechen.“ Glashagen verwies darauf, dass Volt neu im Rat sei und bislang nicht am Verfahren beteiligt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Worum geht es bei dem neuen Plan?
Schon im Januar 2016 hat die Kölner Politik beschlossen, dass die Verwaltung einen Bebauungsplan für einen Teil des Belgischen Viertels erarbeiten soll (siehe Info-Grafik). Das Ziel: Das Viertel als Wohngebiet schützen und über den Plan ordnen, wo noch Kneipen und Geschäfte erlaubt sind und wo nicht. Seit Jahren beschweren sich Teile der Anwohner über den Lärm rund um den Brüsseler Platz, er zieht in warmen Sommernächten schon mal mehrere hundert Menschen an, die dort Zeit verbringen. Ebenfalls seit Jahren prozessieren Anwohner gegen die Stadt, verlangen Nachtruhe.
Müssten Kneipen wegen des Plans sofort schließen?
Nein. Sagt die Stadt. Laut Verwaltung geht es im Belgischen Viertel um 36 Gastronomiebetriebe wie Kneipen, Restaurants, eine Disco aber auch Kioske. Für 28 ändert sich demnach nichts, die weiteren acht teilen sich in zwei Gruppen auf.
Die erste Gruppe hat einen erweiterten Bestandsschutz, unter bestimmten Bedingungen können sie sich ausdehnen. Für die zweite Gruppe gilt das nicht, sie besteht aus der Diskothek „Rich Club Cologne“, der „Frieda“-Bar und zwei Kiosken. Die Stadt hatte dieses Quartett genehmigt, das bleibt laut Verwaltung auch so. Eine Einschränkung gibt es aber: Beendet einer der vier Betreiber das Geschäft und beispielsweise ein Buchladen zieht dort ein, darf nach einer bestimmten Zeit danach keine Bar mehr in die Räume.
Was sagen die Gastronomen?
Sie halten die Pläne für falsch, fürchten Einschränkungen. Deshalb haben sie mit weiteren Gegnern des Plans zuletzt eine „Interessengemeinschaft (IG) Belgisches Viertel“ gegründet, zuvor hatten schon mehr als 8600 Menschen eine Online-Petition dagegen unterstützt, auch die gut vernetzte Interessengemeinschaft Gastro rief dazu auf – und plötzlich war das Thema zu brisant für Teile des Stadtrates, um es zu entscheiden.
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Florian Deubel, „Frieda“-Betreiber und Mitglied der „IG Belgisches Viertel“, sagte: „Es handelt sich um ein ordnungspolitisches Thema, der neue Bebauungsplan bringt da gar nichts.“ Da am Brüsseler Platz viele Leute sich draußen aufhalten, ist es laut Deubel Aufgabe von Ordnungsdienst und Polizei, für Ordnung zu sorgen und nicht die Gastronomie einzuschränken.
Wer befürwortet den neuen Plan?
Vier Bürgerinitiativen rund um die Anwohner. In einem Schreiben an Volt heißt es: „Dabei bedienen sich die Gastronomen durchaus ,Trumpscher’ Methoden der Agitation und Argumentation. Die Anwohner/innen des Belgischen Viertels halten den jetzt vorliegenden Plan für einen guten Ausgangspunkt, das Belgische Viertel als Wohnviertel zu erhalten.“
Was sagt denn die Stadtverwaltung dazu?
Die Leiterin des Stadtplanungsamtes, Eva Herr, sagte: „Es geht nicht darum, aus dem Belgischen Viertel ein reines Wohnviertel zu machen. Der Bebauungsplan erkennt eine Ausgehfunktion an und sichert sie auch.“ Und: Durch den Bebauungsplan ändert sich laut Stadt nichts im Betrieb der Geschäfte.
Und was erhofft sich Volt nun durch die Beratung?
Mit allen zu reden und laut Glashagen möglicherweise einen nachgebesserten Plan bis zur nächsten Ratssitzung am 6. Mai. vorzulegen. Eine nachträgliche Änderung im Bebauungsplan ist formal zumindest aber zeitaufwendig, darauf weist das Stadtplanungsamt hin. Weil von Änderungen die Öffentlichkeit betroffen ist, müssten die Pläne also erneut öffentlich ausgelegt werden. Das kostet Zeit. Heißt: Bis 6. Mai wird sich das nicht lösen lassen. Auch andere Ratspolitiker sind skeptisch, welche Lösung nun gefunden werden soll.
Herrscht dabei ein besonderer Zeitdruck?
Aus Sicht der Stadt: ja. Der Stadtrat hatte eine Veränderungssperre für das Gebiet schon zwei Mal verlängert, sie war nach vier Jahren am vorigen Freitag ausgelaufen – und kann laut Verwaltung nicht mehr verlängert werden. Durch die Sperre hatte die Stadt das Recht, beantragte Umbauten, Abbrüche oder Umnutzungen, beispielsweise von einem Kiosk zu einer Bar, abzulehnen. So wollte die Verwaltung weitere Gastronomie verhindern, bis der Rat den Bebauungsplan verabschiedet.
Was bedeutet die ausgelaufene Sperre?
Seit Freitag hat die Stadt keine besondere Handhabe mehr mittels der Veränderungssperre. Besitzer und Betreiber können ab sofort Umnutzungen beantragen. Allerdings dauert die Bearbeitung dieser Anträge bei der Stadt schon mal länger. Es ist also nicht davon auszugehen, dass nun viele neue Geschäfte genehmigt werden – außer der Rat lässt das Thema länger liegen.