Betretungsverbot in PflegeheimenCorona fordert Senioren, Pflegekräfte und Angehörige
- In allen ambulanten und stätionären Pflegediensten herrscht ein striktes Betreuungsverbot.
- Damit sollen die Bewohner, die der Hochrisikogruppe angehören, vor dem Coronavirus geschützt werden.
- Doch für Pflegekräfte, Senioren und Angehörige bedeutet das eine Zerreißprobe.
Köln – „Ehemänner, die ihre Frau besuchen wollen, stehen an der Tür und weinen. Das bricht uns das Herz“, berichtet Marc Stutenbäumer. Er leitet das Seniorenhaus Heilige Drei Könige in Ehrenfeld. Dort wie auch in allen weiteren stationären und ambulanten Pflegeheimen herrscht seit Dienstag ein striktes Betretungsverbot. Damit will die Stadt die Hochrisikogruppe vor dem Coronavirus schützen. Für Leitung, Pflegekräfte, Senioren und Angehörige eine Zerreißprobe.
Abgeschlossene Türen. Jeder, der hineinwill, muss klingeln. Wer hineindarf, muss sich registrieren und wird erfasst. So sehen es die Vorgaben für die Seniorenheime in Köln vor. Doch nur in Ausnahmefällen – wenn ein Bewohner im Sterben liegt – wird den Angehörigen noch Einlass gewährt.
Täglich neue Anforderungen und Vorgaben
„Die Angehörigen sind sehr verzweifelt. Wir versuchen, sie zur Vernunft zu bringen“, sagt die Leiterin des Theo-Burauen-Hauses, Elisabeth Römisch. Sie leitet die AWO-Einrichtung mit rund 350 Bewohnern seit gut 20 Jahren. Über die derzeitige Situation sagt sie ähnlich wie ihr Kollege Stutenbäumer: „Ich arbeite rund um die Uhr und habe nichts anderes mehr im Kopf.“
Fast täglich prasseln neue Anforderungen und Vorgaben auf die Mitarbeiter der Altenheime ein. Erst waren die Besuche streng eingeschränkt, nun geht gar nichts mehr. Alle größeren Veranstaltungen sind abgesagt. Das Pflegepersonal muss alles auffangen. Es ist mehr gefordert denn je. Auch mit dem Schutz für sich und damit die Bewohner. „Alle Mitarbeiter sollen nun morgens Temperatur messen. Ich muss kontrollieren, ob sie gesund sind“, berichtet Elisabeth Römisch.
Mundschutz zu tragen, ist nun Pflicht. Doch die Bestände sind nicht groß. Das bestätigt auch Christian Miller, Leiter der Berufsfeuerwehr. Der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) warnt: „Die Situation ist sehr kritisch. Es wird nichts mehr geliefert.“ Die Forderung: Bund und Länder sollen den Nachschub für die Heime sicherstellen.
Kampf gegen den Infektionsfall
„Ich versuche, alles Menschenmögliche zu machen, damit wir keinen Infektionsfall kriegen“, sagt Heimleiterin Römisch. Mitarbeiter mit Erkältungssymptomen sollen schon seit einer Weile dem Dienst fernbleiben. Die Folge: ein höherer Krankenstand. Auch die so genannten Ein-Euro-Jobber sind aus den Häusern abgezogen. Dennoch läuft es scheinbar erstaunlich gut in Häusern.
„Die Pflege ist sehr spezifisch. Wer hier arbeitet, ist bereit, über das normale Maß an Einsatz hinauszugehen“, sagt Römisch. Erst kürzlich hat ihr eine Mitarbeiterin angeboten, täglich eine Stunde ehrenamtlich an die Arbeitszeit dranzuhängen. Da standen ihr Tränen der Rührung in den Augen. Die Auflagen und zusätzlichen Vorschriften dagegen belasten. Zusätzlich sollen die Seniorenheim-Leiter jetzt einmal täglich ihren Bestand an Atemmasken und Schutzkleidung an die Feuerwehr melden.
Zusammenhalt funktioniert auch bei Sicherheitsabstand
Den Einsatz der Mitarbeiter lobt auch ein Senior, der im Betreuten Wohnen in Köln lebt. Seinen Namen und die Einrichtung möchte er nicht veröffentlichen lassen. Wohl aber das Lob. „Es ist toll, mit welch guter Miene die Mitarbeiter arbeiten“, sagt der 89-Jährige. Bis jetzt sei „die Situation stabil und erträglich“, findet er. „Die Leute explodieren und meckern nicht. Wir alten Leute halten den Buckel hin.“ Angst habe er nicht.
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Elisabeth Römisch hat zwei Plakatwände im Haus aufstellen lassen. Auf die eine können Mitarbeiter und Bewohner das Negative, auf die andere das Positive an Corona notieren. Der Zusammenhalt steht ganz dick auf der Positiv-Liste. Und dass Zusammenhalt auch bei Sicherheitsabstand funktioniert, davon zeugen in diesen Tagen viele Aktionen in den Heimen. Die Mitarbeiter von Heimleiter Stutenbäumer haben schon in den letzten Tagen Senioren in Rollstühlen zu Gartenzaunkonzerten nach draußen gefahren. Und auch die weinenden Ehemänner durften am Dienstag ihren Frauen über den Zaun zuwinken.