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Online-Handel und VeedelsretterWie Kölner Händler mit der Krise umgehen

Lesezeit 4 Minuten

Das Modehaus Weingarten setzt auf die eigenen Online-Angebot

  1. Die meisten Läden sind in Köln derzeit geschlossen und viele Händler stehen vor großen Herausforderungen.
  2. Einige versuchen es mit Online-Angeboten, doch die Lage ist schwer.
  3. Wir haben uns unter den Händlern in Köln umgehört.

Köln – Es trifft sie alle, die Großen wie die Kleinen, die Handelsketten wie die Einzelkämpfer. „Unser Geschäft ist vorübergehend geschlossen“, heißt es auf den zahlreichen Zetteln. „Passt auf euch auf und unterstützt euch gegenseitig“, „Die Filialen werden so bald wie möglich wieder geöffnet“, erklären andere Unternehmen an den Einkaufsstraßen via Aushang auf verschlossenen Türen.

Manche setzen verstärkt aufs eigene Online-Geschäft. Aber die Situation ist schwierig. „Man versucht natürlich, sich an Strohhalme zu klammern“, sagt Wolfgang Behrendt. Sein Schmuckgeschäft in Rodenkirchen ist geschlossen, gearbeitet wird dennoch. Behrendt nimmt Reparaturen an, verschickt Ware aus seinem Sortiment. Er hofft, dass die Stammkunden zurückkehren, wenn die Krise überstanden ist. „Es ist wichtig, dass wir schnellstmöglich hier durchkommen.“

Appell an die Vermieter, auf Zahlungen zu verzichten

Nicht nur die Banken, sondern auch die Vermieter seien dabei gefragt. Sie sollten sich Gedanken machen, „wie sie ihren Mietern unter die Arme greifen können“. Ein Verzicht auf ein oder zwei Monatsmieten könnte eine Möglichkeit sein. „Sonst werden es viele nicht schaffen“, befürchtet Wolfgang Behrendt. Er ist auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft in Rodenkirchen. Wer im Stadtteil unterwegs ist, sieht, dass viele auf ihr Online-Angebot hinweisen. In Rodenkirchen und Lindenthal laufen Pilotprojekte gemeinsam mit Kölner Hochschulen, die die Digitalisierung in den Veedeln vorantreiben sollen. Allerdings: Es ist noch zu früh, es gibt noch keine konkreten Ergebnisse, die den Händlern in dieser Extremsituation weiterhelfen könnten.

Plattform für Veedels-Unterstützer

Das Portal Veedelsretter will Unternehmen und Selbstständigen in der Krise helfen. Über das Portal können Kunden Gutscheine kaufen und so für Umsatz bei den Händlern sorgen, obwohl die Geschäfte derzeit geschlossen sind. Sobald die Betriebe wieder öffnen, werden die Gutscheine eingelöst. Unternehmen können sich seit dem Wochenende kostenfrei registrieren. Für die Kunden soll das Portal am heutigen Dienstag freigeschaltet werden.

Der „Veedelssoli“ ist eine direkte Unterstützung für die Händler im Veedel ohne Gegenleistung. Über das Portal kann auch in den „Veedelssoli“ eingezahlt werden.

Die Plattform wird von der Kölner Agentur Railslove aufgebaut und unentgeltlich betrieben. Die Köln Business Wirtschaftsförderung unterstützt das Projekt. Die Einnahmen fließen komplett an die Händler. (kl)

veedelsretter.koeln

„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt Sabine Münch, Inhaberin von Worms. Sie verkauft Wäsche und Bademoden, ihre Kunden schätzen eine Beratung im Geschäft. Im Februar ist sie mit ihrem traditionsreichen Laden vom Neumarkt an die Mittelstraße gezogen, sie hat investiert, das neue Geschäft eingerichtet. Für das Wochenende war die offizielle Eröffnung geplant. Jetzt ist alles zu. Bei ihrer Hausbank konnte sie nichts erreichen, weil Hilfen noch nicht freigegeben seien. Sie kritisiert, dass ihr Laden, in dem sich maximal zwei Kunden gleichzeitig aufhielten, schließen müsse und Supermärkte mit mehr Publikumsverkehr offen seien. „Jetzt beginnt das Ostergeschäft mit guten Umsätzen, die vor allem der stationäre Einzelhandel dringend braucht“, bemängelt Sabine Münch. Sie glaubt nicht, dass die Verluste aufgeholt werden können. „Das allerwichtigste ist, dass jetzt unbürokratisch und schnell geholfen wird“, fordert Hans-Günter Grawe, Handelskümmerer der Interessengemeinschaften. „Es zählt jeder Tag.“ Auch er schlägt vor, dass die Händler nicht nur auf die Banken, sondern auch auf ihre Vermieter zugehen und für Verständnis werben.

Das Geschäft Worms ist gerade erst umgezogen.

René van der Meyden hat die Tür seines Elektronikgeschäfts an der Breite Straße wie die meisten anderen dort abgeschlossen. Er ist trotzdem da, die Werkstatt ist weiter geöffnet. Wer ein Gerät zur Reparatur abgeben möchte, muss kurz klingeln. Van der Meyden bietet auch einen Lieferservice an, „in Köln am selben Tag“. Die Resonanz hält sich in Grenzen, die Einnahmen sind minimal. „Es läuft schleppend“, gibt René van der Meyden zu, „aber allen anderen geht es genauso.“ Wie sie hofft auch er, dass sich die Lage in zwei oder drei Wochen oder spätestens zum Ende der Osterferien wieder entspannt. Auch wenn es dann noch einige Zeit dauert, bis der Betrieb richtig in Gang kommt.

Reparaturen sind bei Juwelier Wolfgang Behrendt noch möglich. 

Das Kölner Unternehmen Weingarten betreibt Modegeschäfte am Friesenplatz, vor einem Jahr wurde das neue Damenhaus eröffnet. Eigentlich brummt das Geschäft in diesen Tagen, Weingarten hat einen Schwerpunkt auf festliche Kleidung. Abschlussfeiern, Konfirmationen, Kommunionen, Hochzeitsfeiern – alles wird derzeit verschoben.

Sportbekleidung ist noch gefragt

Geschäftsführerin Theresa Weingarten hat die meisten Mitarbeiter nach Hause geschickt. An den Schaufenstern wird auf den Online-Shop verwiesen, es gibt auch eine Mode-Beratung per Telefon oder Video-Chat, die Artikel-Auswahl wird den Kunden nach Hause geliefert. Das Interesse an Mode sei „momentan noch recht verhalten“, sagt Theresa Weingarten. Aber es gebe eine stärkere Nachfrage bei Sportbekleidung: „Das ist ja das, was man im Moment noch benötigt.“