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Bänke auf MelatenAngehörige werfen der Stadt Herzlosigkeit vor - Petition gestartet

Lesezeit 3 Minuten
Annegret Fleischel am Grab ihres Sohnes auf dem Melaten-Friedhof.

Annegret Fleischel am Grab ihres Sohnes auf dem Melaten-Friedhof.

Trauer ist meist ein stiller Prozess. Doch Trauernde in Köln werden derzeit laut. Sie kämpfen dafür, dass ihre privaten Bänke auf dem Melaten-Friedhof bleiben dürfen.

Es hat Annegret Fleischel Überwindung gekostet, in die Öffentlichkeit zu gehen. „Aber ich bin so zutiefst erschüttert, dass ich mich einfach zu Wort melden muss“, sagt die 70-Jährige. Dass die Stadt Köln angeordnet hat, private Bänke müssen vom Melaten-Friedhof entfernt werden, macht Fleischel fassungslos.

Am Grab ihres vor acht Jahren verstorbenen Sohns Jens steht nicht nur irgendeine Holzbank, sondern eine mit hohem emotionalen Wert. „Die Bank hat bei uns im Innenhof gestanden“, sagt Fleischel. Jens hat oft darauf gesessen. Bis er mit 35 Jahren durch Herzversagen aus dem Leben gerissen wurde.

Brisant: Als die Familie nach Jens Tod mit dem damaligen Friedhofsleiter nach einem geeigneten Platz für die letzte Ruhestätte suchte, habe der sie auf die Möglichkeit, eine private Bank aufzustellen, aufmerksam gemacht. „Er hat ausdrücklich gesagt, dass diese Ecke besonders gut geeignet für eine Bank ist. Und dass hier jeder machen könne, was er möchte“, sagt die Mutter. „Gerade, weil Melaten so individuell ist, haben wir uns für diesen Friedhof entschieden“, ergänzt sie.

Wichtiger Gedenkort für Familie und Freunde

Das Grab von Jens Fleischel, das angelegt ist wie ein kleiner Garten mit Zitronenmelisse und Rosmarin, ist für die Menschen, die um Jens trauern, ein wichtiger Gedenkort. Sogar einen Maibaum haben Freunde im ersten Jahr nach seinem Tod hier in einem Kübel aufgestellt.

Annegret Fleischel am Grab ihres Sohnes.

Annegret Fleischel am Grab ihres Sohnes.

„Wenn ich hierhin komme und mich auf die Bank setze, erinnere ich mich oft an Erlebnisse aus unserer Kindheit“, sagt Jens' Schwester Katrin Fleischel. „Es ist etwas ganz anderes, an einem Grab in Ruhe zu sitzen als davorzustehen“, ist die Erfahrung der Mutter. Dass viele Menschen so denken, wird deutlich an einem roten Klappstuhl, der hinter einem Grabmal lehnt.

Es ist etwas ganz anderes, an einem Grab in Ruhe zu sitzen als davorzustehen.
Annegret Fleischel

Aufkleber auf dem privaten Klappstuhl weisen darauf hin, dass er gerne ausgeliehen werden darf. Nur zurückstellen möge man ihn bitte. Auf Kölns ältestem Friedhof mit mehr als 55.000 Gräben herrscht rheinische Gelassenheit. Dennoch oder gerade deshalb lieben Menschen Melaten.

Ein Stuhl lehnt hinter einem Grabstein, der Besitzer bittet darum, ihn zurückzustellen, wenn man ihn ausleihen möchte.

Ein Stuhl lehnt hinter einem Grabstein, der Besitzer bittet darum, ihn zurückzustellen, wenn man ihn ausleihen möchte.

„Schon oft saßen fremde Menschen auf unserer Bank“, hat Fleischel beobachtet. Sie findet: „Die privaten Bänke tragen zur Schönheit dieses Ortes bei und sind Zeichen liebevoller Erinnerung.“ Genau aus diesem Grund findet sie die Entscheidung der Stadt, die Bänke zum 8. September zu entfernen, „herzlos“.

Viele Menschen sprechen von Herzlosigkeit

Ein Wort, das oft fällt, in diesem Zusammenhang. Auch Dorothee Fiedler hat es in einem Brief an die Friedhofsverwaltung und an die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker benutzt. Freunde ihres mit 18 Jahren verstorbenen Sohnes haben eine gepflegte Bank an seinem Grab aufgestellt.

Der Aufruf, die Petition zu unterschreiben, klebt an einigen Bänken über der Aufforderung der Stadt, sie zu entfernen.

Der Aufruf, die Petition zu unterschreiben, klebt an einigen Bänken über der Aufforderung der Stadt, sie zu entfernen.

Zwei Petitionen mit bereits fast 5.000 Unterschriften

Fiedler hat am Sonntagabend die erste Petition ihres 71-Jahre langen Lebens gestartet. „Eine jüngere Schwester hat mir gesagt, wie das bei change.org geht“, sagt Fiedler. Das Ziel der Petition: Die Stadt soll ihre Entscheidung überdenken und die privaten Bänke, solange sie in einem guten Zustand sind, stehen lassen.

Von den Reaktionen auf ihre Petition ist Fiedler überwältigt. „Ich hatte gehofft, dass vielleicht 100 Leute unterschreiben. Zusammen mit der Petition für die Dirk-Bach-Bank sind wir jetzt schon fast bei 5000 Unterschriften. Und es sind so viele wundervolle Kommentare“, sagt Fiedler am Mittwochnachmittag. Sie ist zuversichtlich: „Das kann die Stadt nicht wegschweigen.“