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Anders wohnen in KölnVom Wasserturm übers Loft bis zum Hausboot

Lesezeit 4 Minuten

Faible für einen fröhlichen Stil-Mix: Bernd und Ricardina Glazinski.

Köln – Sesam, öffne dich – vom Wasserturm übers Loft bis zum Hausboot. Die Rundschau stellt ungewöhnliche Wohn(t)räume vor.

Als die Gewerbe-Immobilie in einem attraktiven Junkersdorfer Wohngebiet vor neun Jahren zum Verkauf stand, war die Nachfrage eher dürftig. „1000 Quadratmeter Nutzfläche mit Wohnungen, Büros und Lagerhalle eines Posamenten-Handels, aber niemand konnte offenbar ’was damit anfangen“, blickt der heutige Hauseigentümer, Professor Dr. Bernd Glazinski, fast amüsiert zurück. Der nüchterne Klinkerbau von 1978 mit großem Wendehof für Lieferfahrzeuge sei daher günstig zu haben gewesen. Doch der Preis allein war es nicht, weshalb der Inhaber einer Beratungsfirma für Management und Organisationsentwicklung beherzt zugriff. Trotz meterlanger Hochregale für Borten, Quasten und Co., grünem Linoleumboden, Sichtbetonwänden und Neonlicht habe er erkannt, „dass man mit dem Objekt sehr viel machen kann“, so der Diplom-Psychologe zufrieden. In mehreren Phasen ließ der Kölner das Gebäude umbauen und kernsanieren. Heute beherbergt es nicht nur moderne Wohnungen, sondern auch Glazinskis Büro und die zur Hofseite gelegene, rund 260 Quadratmeter große Wohnung der vierköpfigen Familie über zwei Etagen. „Wir haben hier viel Auslauf, wohnen total diskret und sehr individuell“, schätzen Bernd Glazinski und Ehefrau Ricardina die Vorzüge der umgenutzten Lagerhalle. Den Hof für Lkw haben sie in eine 600 Quadratmeter große, teils begrünte Grill- und Gartenzone verwandelt.

Sinn für Stil und Ästhetik

„Nachdem ich vorher in Köln acht Mal umgezogen war, bin ich bei der Einrichtung immer mutiger geworden“, erzählt der Wirtschaftspsychologe und Berater von Führungskräften beim Rundgang durch die repräsentativen Räume, deren Zuschnitt und opulente Ausstattung ganz seine Handschrift tragen. „Eigentlich wollte ich ja auch Innenarchitekt oder Theaterregisseur werden“ , so der 49-Jährige. Wie in seinem Palais-Hotel „Humboldt 1“ in der Kupfergasse lässt sich auch in Glazinskis privatem „Palais“ mit drei Meter hohen Decken, Kristall-Lüstern, samtigen Sitzmöbeln, Seidentapeten und erlesenem Mobiliar seine Vorliebe für theatralische Inszenierungen nicht verleugnen. Wodurch Räume Wirkung entfalten, wie Farben harmonieren, welche Möbel wo zur Geltung kommen und kombiniert werden können – damit habe er sich seit jeher begeistert befasst, erklärt der Wirtschaftsprofessor. Ehefrau Ricardina, früheres Fotomodell, lässt ihrem Mann gerne freie Hand. Die Portugiesin mit afrikanischen Wurzeln liebt seinen ausgeprägten Sinn für Stil und Ästhetik.

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Stilfragen

Die Einrichtung orientiert sich in Materialien, Formen und warmen Farben teils am Stil eleganter Salons, Palais und Boudoirs mit Kristall, Samt, edlen Hölzern, reicher Ornamentik. Das Schlafzimmer ziert eine stoffbespannte Wand im Trompe l’œil-Stil.

Viel Reiz liegt in Kontrasten: Seidentapeten neben weiß gestrichenen Betonträgern, moderne Siebdrucke zu alten Grafiken, Möbel-Klassiker von Eames, Gray und ein Bauhaus-Servierwagen neben modernen Eyecatchern. Auf dem Boden liegen Industrieparkett und Büroteppichboden ebenso wie Schaffell und Maßanfertigungen aus Portugal. Die Möbel sind teils Antiquitäten. Glazinskis Lieblingsstück ist die Stehleuchte im Arbeitszimmer, die er vom Inhaber der Bücherstube Braunsfeld bekam.

Die Küche hat eine hölzerne Bartheke, handgefertigte Barhocker, Bulthaup-Küchenzeile und moderne Swarovski-Deckenleuchte. Die verglasten Türen sind Maßarbeit, die drei Meter hohe Schiebetür zum Wohnraum ist ein Meisterwerk Eifeler Schreinerkunst.

„Ganz old school“

Bis auf die Zimmer der Töchter (7, 8 Jahre) mit ihrem kindlichen Chaos-Charme strahlen die Räume trotz mutiger Mixtur von Epochen, Materialien und Farben Harmonie und Ruhe aus. Gleich im Erdgeschoss ist eine großzügige Lounge im Boudoir-Styling entstanden, wo das Ehepaar zu Empfängen einlädt und im Herbst, „ganz old school“, einen Hausball mit Streicherquartett veranstalten möchte.

Der Alltag dagegen spielt sich im ersten Stock ab. Der lange, breite Flur mit Lichteinfall von der Decke nimmt zugleich große Teile der Bibliothek auf. Dekorativ dazu: der runde Marmortisch, ein barock anmutende Goldspiegel und das moderne Sideboard. Hinter einer von Buchrücken gerahmten Aufzugtür der früheren Lagerhalle verbirgt sich – wie originell – die Garderobe. Die breite „Diele“ verbindet die offene Küche und den langen, lichtdurchfluteten Wohnbereich. Ein schwarzer Marmorkamin mit Sessel-Duo dient hier als eine Art Raumteiler für Couchecke und Essplatz an den Stirnseiten. Den einst riesigen Konferenzraum auf der ersten Etage hat Glazinski teilen lassen. So entstand noch ein kleines Wohnzimmer, daneben das Arbeitszimmer des Hausherrn. An dem alten Schreibtisch habe er schon seine Doktorarbeit geschrieben, sagt der vielseitige Unternehmer, der über Wilhelm von Humboldt promoviert und an der Rheinischen Fachhochschule Köln eine Professur für Wirtschaftspsychologie hat.

Wer denn der tolle Innenarchitekt sei, erkundigen sich Gäste des Hauses wie auch Hotels oft beeindruckt. Nachdem er in Interieur-Fragen immer mehr zu Rate gezogen werde, so Glazinski, denke er nun sogar darüber nach, auch Einrichtungsberatung professionell anzubieten.