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Alles, außer gewöhnlichKölner „Koncept Hotels“ bewegen sich abseits des Üblichen

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Einblicke: Zwei-Meter-Wanne auf Kupferboden mitten im Hotelzimmer.

Köln – Gute zehn Jahre arbeitete Martin Stockburger in der „klassischen“ Hotellerie, bis es ihm zunehmend schwerer fiel. „Die Branche hat ein strukturelles Thema: Gute Mitarbeiter zu finden und zu halten“, sagt er. Zu viele Prozesse liefen ab wie in vorindustrieller Zeit.

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Martin Stockburger glaubt fest an sein Konzept.

Ein enormer Mitarbeiterbedarf, der aufgrund schlechter Bezahlung und mangelnder Wertschätzung im Betrieb nur mühsam gedeckt werden kann. „Man hat sich zu oft an den Strukturen der Airlines orientiert, ohne deren Leistungsprozesse zu übernehmen.“ Die Unzufriedenheit hat ihn schließlich selbst gepackt, Stockburger machte sich selbstständig. Der ganz große Aufriss konnte das natürlich noch nicht sein, sollte es aber auch gar nicht: „Es wird immer behauptet, Hotels rechnen sich erst ab einer bestimmten Größe. Das stimmt nicht – sie sind vielleicht erst ab einer bestimmten Größe am Kapitalmarkt platzierbar. Aber wirtschaftlich betreiben lassen sich auch kleinere Häuser.“ Wenn denn ein Konzept zugrunde liegt, das von den Gästen angenommen wird.

Augenmerk auf nachhaltiges wirtschaften

Stockburgers Ansätze war zum einen eine durchgängige Digitalisierung, „Low-Cost-Service“ bei gleichzeitig detailverliebter und moderner Ausstattung sowie – bei Erfolg – ein Franchise-Ansatz, der den künftigen Pächtern größtmögliche Eigenständigkeit bis hin zum Hotelnamen lässt. „Wir legen nur unsere Betriebsmechanik drüber“, sagt Stockburger. Einzige Bedingung: Sie müssen in so ziemlich jedem Bereich nachhaltig wirtschaften, was von zertifizierter Bio-Bettwäsche bis hin zu spezifischen Vorgaben für die Wäschereien geht.

Die Kundschaft kam, und sie wuchs. Aus den relativ bescheidenen Anfängen am Alter Markt wurden bis heute drei Häuser in Köln sowie vier weitere, unter anderem in Wien und Bern. Vier sind verpachtet, davon zwei in Teileigentum, drei Betriebe sind beim Management geblieben. Jedes Haus steht für eine besondere Geschichte, die auch aufgenommen wird. Die Kölner Keimzelle „Kostbares Blut“ hat eine besonderes spannende: Es ist das ehemalige Agnes-Fröhlich-Haus am Alter Markt.

Digital und kontaktlos

Die Buchung läuft komplett digital. Der Gast kontaktiert das jeweilige Haus („am liebsten über die eigene Homepage, im schlimmsten Fall auch über booking.com“), füllt die obligatorische Hotel-Meldung aus und bekommt seinen digitalen Zugang geschickt. Die Rechnung erfolgt ebenfalls elektronisch. „Unsere Gäste haben mit uns keinen Kontakt – außer natürlich, sie wollen das“, sagt der Geschäftsführer.

Zielgruppe ist ein Publikum mit Liebe zum Design, vor allem aber mit dem Wunsch nach guter Lage sowie zeitgemäßer technischer Ausstattung bis hin zum Koppeln des eigenen Smartphones an das TV-Gerät in manchen Häusern. Wifi ist obligatorisch. Dafür muss man Abstriche beim Service machen. Auch die Tipps zum Ausgehen bewegen sich weg vom Mainstream – angesagte Clubs etwa oder Brauhäuser abseits der Altstadt. Die Preise bewegen sich im Schnitt zwischen 80 und 120 Euro, es geht aber auch preiswerter und deutlich teurer. (two)

Den Namen haben Stockburger und sein Team trotz heftiger Proteste seitens der katholischen Kirche von den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut übernommen (dort war Agnes Fröhlich als Schwester Engelberta aktiv) und auch die überall präsenten Nischen mit Marienstatuen belassen. Und die 20 Zimmer größenmäßig nach den Kategorien Äbtissin, Priorin, Oberin und Schwester geordnet. Absteigend, versteht sich. Hielt auch nicht jeder klerikale Mitmensch für eine gute Idee. Beim Design ging man aber andere Wege, orientierte sich viel an den 50er Jahren, sogar mit bluetooth-tauglichem Plattenspieler und kleiner, aber feiner Vinyl-Auswahl.

„Am Anfang haben wir in der Ausstattung noch sehr viel selbst gemacht, mittlerweile sind da Profis am Werk. Wir haben uns beim Design der Häuser eben ständig weiter entwickelt“, sagt Stockburger. Wobei die Geschichte mit einbezogen wird: Das Nippeser Haus etwa heißt „Josefine“ in Erinnerung an die Frau des Firmengründers der Clouth-Werke, Franz Clouth. Nach dessen überraschendem Tod 1910 hatte sie die Geschäfte übernommen und halb Nippes Arbeit und Sozialversorgung gesichert. Die Zimmer haben hier eine ausgeprägt künstlerische Gestaltung irgendwo zwischen Street Art und Avantgarde. Und die Namensgebung des größten Kölner Hauses, dem „International“ in der Südstadt mit 80 Zimmern, erklärt sich von selbst – auch wenn dahinter zusätzlich ein kleiner Seitenhieb gegen die großen „Internationals“ der Branche vermutet werden kann.

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Corona hat natürlich auch bei den „Koncept-Hotels“ ins Kontor gehauen. „Josefine“ und „International“ sind betriebsbereit, aber geschlossen. Nur das „Kostbare Blut“ hat geöffnet, wenn auch mit weniger Gästen. „Wir haben uns zum Glück nie auf staatliche Hilfen verlassen“, sagt Stockburger. Denn die kamen entweder erst nach monatelanger Verzögerung oder gar nicht. „Aber wir konnten mit unseren Partnern, den Pächtern und Banken, einen fairen Lastenausgleich vereinbaren. Sie und wir glauben an das Konzept. Es wird funktionieren, wir werden das überstehen“, zeigt sich Stockburger zuversichtlich. Und es klingt nicht nach Hoffnung, sondern nach fester Überzeugung.