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Acht von drei Millionen SchicksalenDiese Ukrainer sind in Köln angekommen

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Fahnen in den ukrainischen Nationalfarben weisen den Weg.

Köln – „Wir haben Glück gehabt“, sagt Natalie. „Uns geht es gut und wir sind nicht völlig allein hier.“ Die 47-Jährige steht auf dem Breslauer Platz am Kölner Hauptbahnhof und wartet. Sie ist seit fünf Tagen in Deutschland. Mit ihren beiden Töchtern Lena und Arina kam sie bei einem Freund ihres Mannes in Bergisch Gladbach unter. An diesem Morgen holt sie ihre Cousine Ina und ihre Töchter vom Bahnhof ab. Die waren gerade im Urlaub in Ägypten, als Putin die ersten Bomben auf die Ukraine abwerfen ließ.

In Köln angekommen, erzählt Ina: „Wir hatten keine Möglichkeit nach Kiew zurück zu fliegen und wussten erst nicht, was wir machen sollten.“ Als sich über Natalie die Möglichkeit bot, in Deutschland unterzukommen, habe sie entschieden, über Bukarest nach Köln zu fliegen. „Es ist alles komplett verrückt, aber meine Töchter und ich sind in Sicherheit, das ist das Wichtigste.“

Kölner Hauptbahnhof als Anlaufstelle

Inas Geschichte ist eine von vielen, die die Menschen aus der Ukraine in diesen Tagen am Kölner Hauptbahnhof mitbringen. Auf dem Boden kleben hier blau-gelbe Schilder – die Nationalfarben der Ukraine. „Empfang“ steht dort auf Ukrainisch. Sie weisen den meist erschöpften Neuankömmlingen in der Bahnhofshalle den Weg zur „Anlaufstelle“.

Wo auf dem Breslauer Platz noch vor ein paar Monaten ein Corona-Testzentrum stand, werden nun die ankommenden Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten registriert. Hier bekommen sie etwas zu Essen und zu Trinken. Natürlich auch einen Corona-Test. Wer sie braucht, kann sich eine SIM-Karte fürs Handy besorgen. Von der Sammelstelle werden sie in Unterkünfte in Köln und Umgebung verteilt.

Drei Tage an der rumänischen Grenze ohne Schlafmöglichkeit

Natalie erzählt, dass sie am 24. Februar, dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, von Alarmsirenen und einem wahnsinnig lauten Explosionsknall aus dem Schlaf gerissen wurde. Sie und ihre Familie lebten in einem Ort nahe der Hauptstadt Kiew. In unmittelbarer Nähe liegt der Militärflughafen Hostomel, der am ersten Kriegstag von russischen Kräften aus der Luft massiv bombardiert wurde. „Ich wusste sofort, dass es ein Angriff ist, habe unsere Koffer gepackt, und wir sind mit dem Auto noch in der Nacht Richtung Westen gefahren“, sagt sie.

Ihre Tochter Lena (14) erinnert sich, dass sie für die ersten 200 Kilometer aus Kiew raus rund 18 Stunden gebraucht haben – so verstopft waren die Straßen. „An der rumänischen Grenze haben wir dann drei Tage gestanden ohne eine Schlafmöglichkeit. Das war echt hart“, erzählt sie weiter. Helfer haben sie mit Wasser und Lebensmitteln versorgt.

„Natürlich machen wir uns große Sorgen“

Ihr Vater sei noch in Kiew. „Mein Mann war auf einer Konferenz in der Türkei, als der Krieg begann“, sagt Natalie. Mittlerweile sei er zurück und habe sich beim Militär gemeldet. Natalie ist gefasst, als sie das erzählt. „Natürlich machen wir uns große Sorgen. Auch um meine Mutter. Sie war 15 Tage im Keller als die Kämpfe in den Vororten von Kiew tobten.“

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Eine andere Geschichte erzählt Irina an diesem Morgen. Sie ist vor zwei Tagen mir ihrer Tochter Inna und einer Frau namens Maria im Rheinland angekommen. Gemeinsam leben sie nun in einer Flüchtlingsunterkunft in Bornheim. Die 14-jährige Inna übersetzt. Sie spricht gut Englisch. „Uns geht es gut. Wir fühlen uns wohl in der Unterkunft. Alle sind sehr hilfsbereit.“ Dass die beiden mit Maria zusammenwohnen, hat einen Grund. „Wir haben beide Katzen“, sagt die 37 Jahre alte Maria und lächelt. „Ich einen Kater und Inna ein Weibchen. Da war klar, dass wir zusammenziehen.“

„Viele Kinder schliefen auf den Fluren und haben geweint“

Die drei sind heute am Kölner Hauptbahnhof, um eine SIM-Karte fürs Handy zu besorgen. Inna erzählt von der Flucht. Sie kommen aus Charkiw, der umkämpften Stadt im Osten der Ukraine, wo schwere Kämpfe stattfinden. „Nicht weit von uns wurde das Regierungsgebäude von einer Rakete getroffen. Die Explosion hat ringsum alle Fenster bersten lassen – auch bei uns“, erinnert sich Inna, und ihre Mutter nickt. Sie haben sofort ihre Koffer gepackt. Dann ging es mit Gepäck und Katze im Zug nach Lwiw. 22 Stunden hat das gedauert.

„Der Zug war überfüllt. Es gab kaum Toiletten. Viele Kinder schliefen auf den Fluren und haben geweint“, sagt Inna. In Lwiw waren sie zwei Tage, bevor es mit dem Bus weiter zur polnischen Grenze ging. Von da fuhren sie mit dem Auto nach Breslau und dann zehn Stunden mit dem Bus nach Köln. Irinas Mann und ihr Sohn sind in der Ukraine geblieben. Ihr Mann sei Invalide und kann nicht kämpfen. Der Sohn arbeitet noch im Westen des Landes. Aber sie habe Angst, dass erkämpfen muss. „Wir haben regelmäßig Kontakt. Es geht ihnen aktuell gut“, sagt sie. Dann muss sie schlucken.