Im Prozess um den tödlichen Angriff in der Siegburger Klangfabrik ist am Dienstag das Urteil gefallen. Ein Angeklagter muss lange in Haft.
Gericht fällt UrteilWas den tödlichen Messerangriff in der Klangfabrik Siegburg auslöste
Es ging um die Ehre. Vier Männer, die eigentlich nur Spaß haben wollten beim Tanzen und Abfeiern, gerieten am 30. Juli vergangenen Jahres in der Siegburger Diskothek „Klangfabrik“ wegen einer Nichtigkeit in einen so heftigen Streit, dass am Ende einer vor der Tür des Lokals verblutete und ein zweiter schwer verletzt am Boden lag, beide getroffen von Messerstichen in den Oberbauch. Die zwei anderen Männer landeten wegen dieser Bluttat vor dem Bonner Landgericht, das gestern einen von ihnen, 24 Jahre alt, wegen Totschlags, versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei zu zwölf Jahren Haft verurteilte.
Der mitangeklagte 23-Jährige wurde freigesprochen. Ihm waren gefährliche Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei vorgeworfen worden.
Urteil nach Messerangriff: Anwalt des Angeklagten will in Revision gehen
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten zwölf Jahre und drei Monate Haft gefordert und für dessen Kumpel ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch für ihre Mandanten. Rechtsanwalt Michael Hakner kündigte unmittelbar nach Verhandlungsende an, gegen das Urteil in Revision vor dem Bundesgerichtshof zu gehen. Es sei „fehlerhaft“: „Vermutungen können keine Feststellungen ersetzen“.
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An jenem verhängnisvollen Abend fand in der „Klangfabrik“ eine „Mallorca-Party“ statt. Dabei waren auch die beiden späteren Opfer, zwei Brüder, 24 und 28 Jahre alt, die Lebensgefährtin des 28-Jährigen und ein weiterer Begleiter. Sie hatten zuvor in Troisdorf zwei Flaschen Whisky geleert, als sie gut gelaunt mit dem Zug nach Siegburg reisten und dann zu Fuß zur Disko gingen. Die anderen beiden Männer fuhren gegen Mitternacht vom Bahnhof Siegburg mit dem Auto des 24-Jährigen zur Party-Location, wo die Türsteher sie als Stammgäste kannten.
Klangfabrik: Nach Messerstichen wankte das Opfer Richtung Ausgang
Dort kam es später zu dem tragischen Zusammentreffen. Der jüngere Bruder tanzte zunächst allein, näherte sich dabei einer Frau, die ihn jedoch abwies. Daraufhin stellte der 28-Jährige die junge Frau zur Rede, weil sie sich „verächtlich“ vom Bruder abgewandt habe, sagte er vor Gericht aus.
Diesen Wortwechsel sah der 23-jährige Angeklagte, ein Tiefbauer, trat hinzu und rief dem ihm Fremden zu: „Verpiss dich!“ Es folgten gegenseitige Schläge ins Gesicht, dann zog sich der Tiefbauer zurück, er hatte die Nase voll, weil er, so Vorsitzender Richter Klaus Reinhoff, „eins auf die Mütze bekommen hatte“.
Der Kumpel des Bauarbeiters, als Angestellter in der Firma seines Vaters tätig, meinte nun, es sei Zeit zum Eingreifen. Er prügelte sich zunächst mit dem jüngeren Bruder, sie fielen auf den Boden, der Hauptangeklagte zog dabei nach Erkenntnissen der Kammer ein Messer und stach den Widersacher in den Oberbauch. Der Getroffene hatte den Stich nicht gleich realisiert, er stand nämlich auf und wankte zum Ausgang, während der Mann mit der Waffe nun mit dem nichts ahnenden Bruder rang und auch ihn in den Bauch traf.
Nach Attacke in der Klangfabrik: 24-Jähriger noch am Abend verhaftet
Der Schwerverletzte erhob sich ebenfalls, suchte den Bruder, fand ihn an der Tür in einer Blutlache liegend und brach dort zusammen. Erst im Krankenhaus wachte er wieder auf, wo ihn die Ärzte mit mehreren Operationen das Leben retteten.
Auf Videos der Überwachungsanlage ist zu sehen, wie der Hauptangeklagte kurz nach der Tat die „Klangfabrik“ verlässt. Sein Freund ging wie verwirrt ein paar Mal rein und raus. Kurz danach trafen Polizei und Rettungskräfte ein. Am gleichen Abend wurde der 24-Jährige verhaftet.
Angeklagter wurde zuvor schon wegen Messerstecherei verurteilt
Ursache des Dramas seien „Lächerlichkeiten“ gewesen, fasste Reinhoff zusammen: „Der eine will die Ehre seines Bruders retten, der andere die Ehre einer Frau, die gar nicht gerettet werden wollte“. Das Ganze wäre vermeidbar gewesen, wenn der Tiefbauer „die Klappe gehalten“ und der ältere Bruder, der als Nebenkläger an der Hauptverhandlung teilnahm, nicht eingegriffen hätte. „Und warum“, fragte Reinhoff in Richtung des Hauptangeklagten, „geht einer mit einem Messer in die Disko, wo er nur Spaß haben wollte?“
Er war fünf Wochen vor der Bluttat vom Amtsgericht Köln wegen einer Messerstecherei verurteilt worden und stand unter Bewährung.