RösrathStadt äußert sich erstmals ausführlich zur Flut und gibt neue Einblicke
Rösrath – Es war schon die dritte Info-Veranstaltung zur Flut-Katastrophe in Rösrath, und sie gab immer noch neue Einblicke. Das lag auch daran, dass sich erstmals ein Vertreter der Stadtverwaltung ausführlich äußerte – für die Veranstaltung des Vereins Lebenswertes Sülztal im September hatte die Stadt noch abgesagt. Nun war sie selbst Veranstalterin. Bei dem Programm in der Aula waren zudem Aggerverband, Kreisverwaltung, Feuerwehr und Stadtwerke vertreten.
„Mir war wichtig, dass wir schon etwas präsentieren können“, sagte Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne) zu der Entscheidung, erst dreieinhalb Monate nach der Flut einen Info-Abend zu gestalten. Auf eine Frage von Moderator Guido Wagner, Redaktionsleiter dieser Zeitung, sagte sie, die Info-Veranstaltungen von Lebenswertem Sülztal und Bürgerstiftung sowie die Veranstaltung der Stadt könnten sich „ganz prima ergänzen“. Das fanden wohl auch 180 Interessierte, die in die Aula gekommen waren.
1000-jährliches Hochwasser
Mitte Juli seien viel größere Flächen an der Sülz überschwemmt gewesen als bei 100-jährlichem Hochwasser, das beim Festlegen von Überschwemmungsgebieten maßgeblich ist – das stellte Aggerverband-Vorstand Lothar Scheuer fest. Eine Herausforderung sei die „schnelle Reaktion der Pegel“ bei Flüssen in Mittelgebirgen: Nach extremen Niederschlägen folge ein Anstieg binnen ein bis zwei, vielleicht drei Stunden. Es bleibe kaum Zeit, sich vorzubereiten – anders als am Rhein.
Zu den möglichen Konsequenzen, die er nannte, gehören zusätzliche Rückhalteflächen und -becken, verbesserte Warnsysteme, eine Sensibilisierung der Bevölkerung, die „Stärkung des Eigenschutzes“ durch Betroffene und eine Anpassung von Flächennutzungsplänen.
Hochwasserschutz als eine Gemeinschaftsaufgabe
So beschrieb Elke Reichert, Umweltdezernentin des Rheinisch-Bergischen Kreises, den Hochwasserschutz. Wasserverband, kommunale Raumplanung und Grundstücks-Eigentümer seien gefragt. In Risikogebieten sei nicht zu bauen – oder „so zu bauen, dass es zu keinen Schäden kommt“. Bei der Analyse von Bodenproben aus überschwemmten Gebieten an Agger und Sülz sei „keine Prüfwertüberschreitung“ festgestellt worden, auch keine Schwermetall-Belastung über dem Grenzwert.
Großes Engagement von Beschäftigten der Stadt Rösrath
Auf den persönlichen Einsatz von Beschäftigten der Stadt Rösrath wies Dezernent Christoph Herrmann hin. In der Katastrophennacht und am folgenden Wochenende hätten viele Beschäftigte durchgearbeitet: „Die überwiegende Mannschaft hat auf breitester Front geholfen.“
Mit einer Antrags-Bearbeitung binnen 48 Stunden habe die Stadt dafür gesorgt, dass Betroffene kurzfristig Soforthilfe des Landes NRW erhielten. Zum „Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre“ gehört es laut Herrmann, weitere Retentionsflächen zu finden, in Frage komme etwa der Sülzbogen. Ein Baustein sei auch Dachbegrünung, wie bereits angestrebt (wir berichteten). Bei der Vorsorge neu zu betrachten seien die vielen kleinen Bäche.
117 Einsätze für die Feuerwehr in Rösrath
Auf den Beitrag der Freiwilligen Feuerwehr blickte Feuerwehr-Chef Bastian Eltner. Am 15. Juli seien 117 Einsatzkräfte, aus Rösrath und anderswo, aktiv gewesen. Trotzdem hätten sie viele Einsätze erst nach Tagen abarbeiten können. Das Publikum in der Aula reagierte mit großem Applaus. Die Feuerwehr müsse sich noch mehr auf Extremwetter einstellen: Nötig sei die „Anpassung“ von Ausrüstung und Ausbildung, das Einbinden von „Spontanhelfern“ und die „Selbsthilfefähigkeit“ von Betroffenen.
Hilfe der Stadtwerke Rösrath
Die Katastrophenhilfe der Stadtwerke Rösrath bezifferte Rainer Witte, Abteilungsleiter für Wasser- und Abwassernetze. 1900 Tonnen Sperrmüll, 220 Tonnen Elektroschrott und 30 Tonnen Schadstoffe hätten sie entsorgt. Hinzu kamen die Wiederherstellung der Stromversorgung, die Reinigung des Kanalnetzes und Arbeiten im beschädigten Freibad. Das Kanalnetz sei mit Blick auf Starkregen seit 2013 ausgebaut worden. Weiterer Ausbau sei nötig, insbesondere Zwischen-Speichermöglichkeiten für Wasser. Risikobereiche wie Mulden im Gelände seien zu schützen, ebenso wichtige Infrastruktur.
Kontroverse über Vorsorge am Hammergraben in Hoffnungsthal und Mühlengraben in Rösrath
Auf Kritik und Anregungen des Publikums reagierten die Podiumsgäste. Die Vorwarnung der Bevölkerung sei ungenügend gewesen, weil zwar massive Niederschläge vorhergesagt waren, aber die „lokale Menge“ nicht vorhersehbar gewesen sei, so Scheuer. Die Feuerwehr sei mit Wagen unterwegs gewesen und habe mit Durchsagen gewarnt, sagte Eltner, sie habe auch Facebook genutzt. Weil der Notruf bereits überlastet war, sei auf Sirenen verzichtet worden.
Keine Planung im Überschwemmungsgebiet
Aufgrund der Überflutung im Juli will die Stadt Rösrath auf eine weitere Bebauung in der Straße „Am Hammer“ auf dem Reusch-Gelände verzichten. Der Planungsausschuss sprach sich einstimmig für ein Ende des 2018 eingeleiteten Bebauungsplanverfahrens „Gewerbegebiet Am Hammer“ aus. Grund dafür war, dass die Flächen von der „katastrophalen Überflutung betroffen waren und somit eine zukünftige Bebauung in Frage zu stellen ist“.
Als „Signal“ an die Öffentlichkeit versteht die Stadt diesen Schritt. Es werde klar, dass die Stadt keine neuen Bauvorhaben im Überschwemmungsgebiet der Sülz planen werde. (tr)
Über Vorsorge am Hammergraben in Hoffnungsthal und Mühlengraben in Rösrath ergab sich eine Kontroverse. Einen Ausbau des Hammergrabens, der Hangwasser vom Lüderich aufnehmen könne, schlug Denkmalschützer Nikolaus Sturm vor. Das fand Herrmann „sehr einfach gedacht“, es werde der Komplexität des Geschehens nicht gerecht. Scheuer sagte, der Hammergraben sei als „Parallelgewässer“ nicht geeignet, „weil einfach das Gefälle nicht passt“.
Sorgen, dass die Infrastruktur in der Stadt bei einem baldigen erneuten, auch kleineren Hochwasser nicht standhalten könnte, ließen sich entkräften. Noch vorhandene Schäden würden abgearbeitet, sagte Herrmann.
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Die Vorsorge am Oberlauf der Sülz, die Geografieprofessor Karl Schneider bei der Veranstaltung der Bürgerstiftung empfahl, hat der Aggerverband bereits im Blick. In Kürten seien weitere Rückhaltebecken anvisiert, sagte Scheuer auf eine Frage. Nach Plänen zur Flächen-Entsiegelung gefragt, sagte Herrmann, die Stadt müsse ihren Innenbereich verdichten, um den Außenbereich von Bebauung freizuhalten. Bauberatung und Dachbegrünung könnten aber weiterhelfen.