In Sotschi haben der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin ihre Allianz gegen den Westen gestärkt. Die Ukraine haben sie dabei ausgebootet.
Rundschau-Debatte des TagesBesteht Hoffnung für das Getreideabkommen?
Ein herzlicher Händedruck, ein freundliches Lächeln, ein kurzer Plausch über das wunderbare Grün der Schwarzmeer-Region im Sommer: Gleich zu Beginn ihres Treffens im russischen Badeort Sotschi demonstrierten der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der russische Staatschef Wladimir Putin am Montag vor den Kameras, dass ihr enges persönliches Verhältnis trotz der Differenzen der vergangenen Monate weiterhin intakt ist.
Was haben Erdogan und Putin bei ihrem Treffen erreicht?
In Sotschi konnten sich die Präsidenten zwar nicht auf eine Wiederbelebung des Istanbuler Getreideabkommens einigen, das von Russland aufgekündigt worden war. Sie verkündeten aber eine gemeinsame Initiative zur Versorgung afrikanischer Staaten mit Mehl aus russischem Getreide – unter Umgehung der Ukraine.
Putin signalisierte mit dem Gespräch in Sotschi, dass er trotz anderthalb Jahren Krieg in der Ukraine keineswegs isoliert ist, sondern sogar den Chef eines Nato-Staats zu seinen Verbündeten zählt – und Erdogan zeigte dem Westen, dass seine Annäherung an USA und Europa in den vergangenen Monaten nicht als Abwendung von Putin zu verstehen ist. Im Streit um das Getreideabkommen stellte sich Erdogan auf die Seite Russlands und sagte, Moskauer Forderungen seien bisher nicht erfüllt worden. Die Ukraine müsse kompromissbereiter sein.
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Erdogan nahm in Sotschi zudem den russischen Vorschlag an, eine Million Tonnen Getreide aus Russland in die Türkei zu transportieren, dort zu Mehl zu verarbeiten und anschließend gratis an bedürftige afrikanische Länder zu exportieren; das reiche Emirat Katar sei zur Finanzierung der Initiative bereit, sagte Erdogan bei dem Treffen.
Was bedeutet die Einigung zwischen Putin und Erdogan für die Ukraine?
Putin sagte, das russisch-türkische Modell sei keine Alternative zum Istanbuler Getreideabkommen, sondern eine Initiative zur Lösung der Nahrungsmittelkrise in Afrika. Praktisch wird die Ukraine damit jedoch von Exporten ausgeschlossen. Seit Putins Rückzug aus dem Istanbuler Abkommen greift Russland regelmäßig ukrainische Getreide-Häfen an – die neue Abmachung verpflichtet den Kreml nicht, die Angriffe zu stoppen.
Wie steht es um das Verhältnis der beiden Länder?
Das letzte persönliche Treffen der beiden Präsidenten liegt fast elf Monate zurück. Seitdem hat Erdogan den Nato-Beitritt des russischen Nachbarn Finnland abgesegnet und ukrainische Soldaten nach Hause geschickt, die nach einer Abmachung mit Moskau eigentlich in der Türkei bleiben sollten. Putin brüskierte Erdogan im Juli mit dem Ausstieg Russlands aus dem Istanbuler Getreideabkommen. Doch als Erdogan am Montag vor Putins Residenz in Sotschi aus dem Wagen stieg und vom wartenden Kremlchef begrüßt wurde, war von diesen Differenzen nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil. Erdogan lobte die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern und sagte, der bilaterale Handel solle künftig in Lira und Rubel abgewickelt werden; er hatte deshalb eigens Finanzminister Mehmet Simsek und Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan nach Sotschi mitgebracht. Die Abkehr vom US-Dollar im türkisch-russischen Handel würde beide Länder enger zusammenschweißen. Putin sagte, Erdogan und er hätten die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf ein „sehr gutes, hohes Niveau“ gebracht.
Wie stehen die Chancen für das Getreideabkommen?
Zum Istanbuler Getreideabkommen sagte Putin in Sotschi, der Westen habe Russland betrogen. Moskau hatte seinen Ausstieg aus dem Vertrag mit einer angeblichen Behinderung russischer Exporte begründet. Zu den russischen Bedingungen für eine Wiederbelebung des Abkommens gehören die Wiederzulassung der russischen Landwirtschaftsbank zum internationalen Zahlungssystem Swift und Erleichterungen für russische Getreide- und Düngerausfuhren. Sobald die russischen Forderungen erfüllt seien, könne sein Land zum Istanbuler Vertrag zurückkehren, sagte Putin.