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Debatte nach Swift-AbsageWie groß ist die Terrorgefahr bei Konzerten?

Lesezeit 4 Minuten
Ternitz: Ein Polizist und ein Polizeiwagen stehen am Einsatzort. In Österreich sind zwei Personen unter Terrorverdacht festgenommen worden. Sie hätten unter anderem Anschläge bei den bevorstehenden Konzerten von Taylor Swift in Wien geplant

Ternitz: Ein Polizist und ein Polizeiwagen stehen am Einsatzort. In Österreich sind zwei Personen unter Terrorverdacht festgenommen worden. Sie hätten unter anderem Anschläge bei den bevorstehenden Konzerten von Taylor Swift in Wien geplant

Die geplante Attacke auf das Swift-Konzert in Wien zeigt erneut das potenzielle Risiko bei Großveranstaltungen. Die Bedrohung bleibt hoch.

In Wien sitzt der Schock tief, dass ein Islamist in diesen Tagen bei einem Taylor-Swift-Konzert ein Blutbad anrichten wollte und mit seinen Vorbereitungen schon weit fortgeschritten war. Bei den vielfach jungen Fans der US-Sängerin ist die Enttäuschung über das entgangene Konzert zwar riesig, aber sie sind auch erschüttert darüber, was hätte passieren können. Die Terrorgefahr bei Großveranstaltungen ist wieder zum Greifen nah.

Warum werden gerade große Konzerte zu potenziellen Anschlagszielen?

Die Täter suchen maximale Aufmerksamkeit und möglichst viele Opfer, die zum Feiern zusammenkommen und Sicherheitsbedenken oder -vorkehrungen womöglich beiseitegeschoben haben. „Große Konzerte sind dabei oft ein bevorzugtes Ziel von islamistischen Attentätern“, sagte Österreichs Innenminister Gerhard Karner. Er verwies unter anderem auf den Anschlag auf den Konzertsaal Bataclan in Paris 2015, wo 130 Menschen ermordet wurden. Und auch auf Manchester, wo 2017 bei einem Konzert der Sängerin Ariana Grande 22 Besucher zu Tode kamen. Erst im März fielen in einem Vorort von Moskau beim Konzert einer russischen Band 140 Menschen einem Anschlag zum Opfer.

Wie ist die Terrorbedrohungslage in Österreich?

Nach den Anschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gilt in Österreich die zweithöchste Terrorwarnstufe. Das bedeutet erhöhte Wachsamkeit der Behörden und Sicherheitsvorkehrungen bei Veranstaltungen. Wien hat 2020 einen terroristischen Amoklauf erlebt, bei dem ein Attentäter vier Menschen tötete und 23 weitere teils schwer verletzte. Er wurde von der Polizei erschossen. Für die bevorstehenden Coldplay-Konzerte im selben Stadion bestehe keine erhöhte Gefahr, teilte der Veranstalter mit.

Wie groß ist die Terrormiliz Islamischer Staat überhaupt noch?

Der Hauptverdächtige des Anschlags in Wien hat nach eigener Aussage dem IS die Treue geschworen. Die Miliz stellt mit ihren verschiedenen regionalen Ablegern weiterhin eine große Gefahr dar. Nach seiner militärischen Niederlage im Irak 2017 und in Syrien 2019 hatte das Terrornetzwerk zwar eine Zeit lang weniger Anhänger rekrutieren können. Inzwischen sieht es aber wieder anders aus. Vor allem radikalisierte Einzeltäter und kleine Terrorzellen, die schwerer zu entdecken sind, sind gefährlich – auch in Europa. „Das Risiko dschihadistischer Anschläge ist so hoch wie seit langem nicht mehr“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Juni. Der IS und die islamistischen Taliban sind zwar Gegner. Dennoch hat die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan die dschihadistische Idee nach Ansicht der Verfassungsschützer insgesamt befördert. Weitere verstärkende Faktoren seien Koran-Verbrennungen in Skandinavien sowie der israelische Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen, so Haldenwang.

Gibt es aktuell konkrete Gefahrenlagen in Deutschland?

Nein, aber die abstrakte Gefahr bleibt hoch. Die Sicherheitsbehörden greifen heute in einem früheren Stadium zu als noch vor zehn Jahren. Das ist auch eine Lehre aus dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt 2016. Im Juni und Juli dieses Jahres wurden in Deutschland mehrere mutmaßliche IS-Anhänger festgenommen. Einer von ihnen war ein junger Mann mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit. Er hatte sich vergeblich als Ordner und Sicherheitskraft bei Großveranstaltungen beworben, darunter bei einem Musikfestival und bei Veranstaltungen während der Fußball-EM außerhalb der Stadien. Bei der Prüfung seiner Bewerbung fiel er durch, weil ihn die Sicherheitsbehörden wegen möglicher Sympathien für die Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) auf dem Schirm hatten. Der Mann wurde am Flughafen Köln/Bonn gefasst, als er ausreisen wollte.

Wie bereitet sich London nun auf die bevorstehenden Swift-Konzerte vor?

Wien sollte der zweitletzte Stopp der Europa-Tournee sein. Vom kommenden Donnerstag an sind noch mehrere Konzerte in London geplant. Danach geht es für Swift nach Kanada. Die britische Polizei-Staatssekretärin Diana Johnson sagte, die Sicherheitsbehörden würden alle verfügbaren Informationen prüfen, bevor die Konzerte beginnen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan sagte, die Stadt halte an den geplanten Auftritten fest: „Wir haben viel Erfahrung bei der Polizeibegleitung solcher Veranstaltungen.“

Bekommen die, die ihre Anreise nach Wien stornieren, Kosten erstattet?

Die Kosten für die Tickets werden erstattet, aber auf Hotel- und Flugkosten dürften die meisten sitzenbleiben. Im Einzelfall müssen Betroffene in die Stornobedingungen des Anbieters schauen. „Ich schätze, dass viele nicht stornierbare Tarife gewählt haben und jetzt auf den Kosten sitzenbleiben“, sagte die Reiserechtsexpertin Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum. Wer ein Paket mit Konzerttickets, Hotel und Anreise gebucht hat, dürfte bessere Chancen haben. Die österreichische Bahn wollte direkt bei ihr gekaufte Tickets für die Anreise zu den Konzerten „aus Kulanzgründen“ erstatten.

Bleibt der Veranstalter auf seinen Kosten sitzen?

Barracuda Music hat den Fans zugesichert, dass die Tickets innerhalb von zehn Tagen erstattet werden. Was die Kosten für Miete des Stadions, Sicherheitsdienste und vieles mehr angeht: In der Regel schließen Veranstalter dafür Ausfallversicherungen ab, sagte Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V. „Eine solche Versicherung umfasst Schäden und Verluste durch Abbruch oder Ausfall einer Veranstaltung, soweit der Veranstalter den Grund dafür nicht zu vertreten hat.“ Terrorgefahr zähle zu den versicherbaren Risiken. (dpa)