Nach Darstellung der Klägerseite hat Missbrauchstäter Hans-Bernhard U. seine Autorität als Seelsorger missbraucht, um sich das junge Mädchen gefügig zu machen. Wieso soll er da nicht als Priester gehandelt haben?
Kommentar zum ProzessKein guter Tag für Opfer von sexualisierter Gewalt
Das war nicht gerade ein guter Tag für einige Betroffene sexualisierter Gewalt im Raum der katholischen Kirche und für den Bonner Anwalt Eberhard Luetjohann, der sie vor Gericht vertritt. Zwei Klagen gegen das örtliche Bistum hat das Landgericht Aachen abgewiesen, und das Landgericht Köln hat Zweifel an Luetjohanns Argumentation in dem schweren Missbrauchsfall Melanie F. Nur in einem weiteren Aachener Fall hat es einen Vergleich gegeben.
Unabhängig davon hat der Opferanwalt hohen Respekt für das Engagement verdient, mit dem er solche Fälle vor Gericht bringt und damit die Klärung der Frage erreicht, wann Institutionen für Missbrauchstaten ihrer Beschäftigten haften. In einem Pilotprozess 2023 hat er vom Erzbistum Köln eine Schmerzensgeldsumme erstritten, die zuvor gewährte Leistungen weit übersteigt. Dabei ist es dem viel gescholtenen Kardinal Rainer Maria Woelki zugute zu halten, dass er durch Verzicht auf die Einrede der Verjährung diese Klärung ermöglicht hat –2023 ebenso wie jetzt im Fall Melanie F. Das ist nicht selbstverständlich. Das Bistum Aachen hat sich auf Verjährung berufen.
Dass Woelkis Juristen sich der Argumentation Luetjohanns nicht einfach unterwerfen, ist ihnen zuzugestehen. Allerdings sind an ihren vom Gericht geteilten Zweifeln wiederum Zweifel geboten. Nach Darstellung der Klägerseite hat Missbrauchstäter Hans-Bernhard U. seine Autorität als Seelsorger und Beichtvater von Melanie F. missbraucht, um sich das junge Mädchen gefügig zu machen. Wieso soll er da nicht als Priester gehandelt haben? Berechtigt ist allerdings der Hinweis des Gerichts auf die Verantwortung von Jugendämtern. Auch sie haben versagt, und der Anwalt hätte gut daran getan, ihre Träger mit in die Pflicht zu nehmen.
Wie immer die Sache in Köln ausgeht: Schon der Prozess von 2023 hat dazu geführt, dass außergerichtlich zugesprochene Anerkennungsleistungen eine Höhe erreicht haben, die dem Ausmaß des den Betroffenen angetanen Leides entspricht. Aktuell zeigt sich, wie schwer es nach Jahrzehnten ist, solche Verfahren zu führen. Umso wichtiger bleiben die von einer unabhängigen Kommission gewährten Leistungen und das Instrument des zivilrechtlichen Vergleichs, wie es ja in einem Aachener Fall gewählt wurde. Aber bitte auch in einer akzeptablen finanziellen Höhe – und dies nicht nur bei den Katholiken, sondern auch bei den Protestanten, bei Sportverbänden, bei staatlichen und kommunalen Institutionen. Also dort, wo die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt erst am Anfang steht.