Vor einem Jahr schaffte der Sauerländer sein spektakuläres Comeback in die Spitzenpolitik. Was dem neuen Parteivorsitzenden bisher gelungen ist, was nicht – und wer seine Vertrauten sind.
Rundschau-Debatte des TagesIst Friedrich Merz als CDU-Chef wirklich der Richtige?
Seit genau zwölf Monaten hat Friedrich Merz endlich seinen Traumjob. Als die CDU ihn mit unerwarteten 94,6 Prozent im dritten Anlauf zu ihrem Vorsitzenden gewählt hatte, versprach der inzwischen 67-Jährige, die Partei zu einen und neu aufzustellen. Hat er Wort gehalten?
Seine Erfolge
Nach dem Debakel der Bundestagswahl war die Unionsfraktion geschrumpft und orientierungslos. Merz ist ein glänzender Redner, selbst politische Gegner gestehen ihm zu, seine Rolle als erster Herausforderer des Bundeskanzlers gut auszufüllen. Auch erste Wahlerfolge halfen Merz dabei, die Partei zu beruhigen. Das Saarland und Niedersachsen gingen für die CDU zwar verloren, dafür verteidigten Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther in Schleswig-Holstein die Macht.
In den bundesweiten Umfragen liegt die Union seit langem bei knapp 30 Prozent und damit weit vor allen drei Parteien der Ampel-Koalition. Merz selbst sieht das als großen Erfolg an, Kritiker finden allerdings, es sei noch mehr drin für die Union. Die persönlichen Beliebtheitswerte des Vorsitzenden sind deutlich schlechter als die seiner Partei. Der Parteienforscher Uwe Jun nennt Merz nach einem Jahr im Amt im Deutschlandfunk dennoch „keine schlechte Wahl für die CDU“. Er gebe der Partei wieder das Gefühl, geführt zu werden.
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Seine Fehler
Aus der CDU hört man anerkennende Worte über Merz. Er höre wirklich zu, insbesondere den Frauen in der Partei, und könne auch Kritik annehmen, heißt es. Doch viele wünschen sich auch einen „verbindlicheren Ton“, wie einer aus der Fraktion berichtet. Merz würde immer wieder „übersteuern“, wie neulich, als er von „den kleinen Paschas“ aus Migrantenfamilien sprach oder zuvor von „Sozialtouristen“ im Zusammenhang mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Merz habe damit Menschen pauschal vor den Kopf gestoßen, statt die notwendigen Debatten intelligent zu führen.
„Wahlen gewinnen Typen wie Wüst und Günther“, sind nicht wenige in der Union überzeugt. Also weniger klare Kante, mehr Typ ‚freundlicher Schwiegersohn‘? Friedrich Merz hat die schwierige Aufgabe, einerseits jene nicht zu enttäuschen, die sich eine Abkehr vom Kurs der langjährigen Führungsfigur Angela Merkel gewünscht und ihn darum zum Parteichef gemacht haben. Andererseits muss er – um Wahlen zu gewinnen – aber auch wieder die Mitte der Gesellschaft erreichen, vor allem Frauen, Migranten und jüngere Wähler. Im Augenblick experimentiert er noch, probiert mal schrille Töne (zuletzt öfter) – und mal verbindliche.
Sein Netzwerk
Friedrich Merz hat die Partei auch personell anders aufgestellt, doch noch hält das neue Team wohl nicht, was er sich davon versprach. Wer die Namen seiner immerhin fünf Stellvertreterinnen und Stellvertreter an der CDU-Spitze auflisten soll, kommt rasch ins Stocken. Carsten Linnemann, ein langjähriger Merz-Unterstützer, arbeitet im Hintergrund am neuen Grundsatzprogramm, das in diesem Jahr fertig werden soll. Von den anderen Stellvertretern hört man kaum etwas. Auch Generalsekretär Mario Czaja bleibt bislang blass.
Merz habe inzwischen gemerkt, dass allein die Konservativen in der CDU wie Linnemann, Tilmann Kuban, Philipp Amthor und Christoph Ploß ihn nicht weiterbringen bei dem Versuch, für die Union Wähler in großer Zahl zurückzugewinnen. Dazu müsste er andere Leute wie etwa die Kölner Verteidigungsexpertin Serap Güler stärker einbinden, findet ein weiterer einflussreicher CDU-Politiker. Offenbar ist Merz gerade dabei, in der Partei gezielt Frauen anzusprechen, die mehr Verantwortung übernehmen könnten. Viel gibt Merz dabei auf den Rat seines Stabschefs Jakob Schrot, der auch schon für seinen Vorgänger Armin Laschet gearbeitet hat.
Wer sich in der CDU umhört, erfährt aber auch, dass manche sich mehr Nähe zum Volk von Merz wünschen. Während SPD-Kanzler Olaf Scholz sich am Wochenende mit seinem türkischen Friseur unterhalte, treffe Merz sich mit seinen alten Netzwerken aus Bänkern und Unternehmenslenkern. Merz müsse viel häufiger mal dorthin, wo man ihn nicht erwarte – in Schulen und in Altenheime, auf Marktplätze, in kleine Betriebe. „Sonst fehlt ihm der Anschluss“, meint ein einflussreicher Parteifreund.