Echte Klarheit für Hausbesitzer herrscht nicht. Noch immer ranken sich viele Irrtümer und falsche Versprechungen um das Gesetz. Was kommt wirklich auf uns zu?
Neues HeizungsgesetzDiese Versprechen führen Hausbesitzer in die Irre
Das Heizungsgesetz soll die Wärmewende bringen und zwei Ziele erreichen: Runter mit den CO2-Emissionen und runter mit den Heizkosten. Kern des Gesetzes ist die Pflicht, neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energiequellen zu betreiben. Und obwohl die Ampel mehr als ein halbes Jahr gestritten hat, sind noch längst nicht alle Unklarheiten beseitigt. Ein Überblick über die wichtigsten Versprechen, die Hausbesitzer in die Irre führen könnten:
Anschluss ans Wärmenetz für alle?
Erst sollte bei der Wärmewende ganz auf Wärmepumpen gesetzt werden. Erst auf der Zielgeraden hieß es plötzlich, der Ausbau der Wärmenetze, die heißes Wasser von einer zentralen Wärmequelle in die Häuser leiten, sei der Schlüssel zum Erfolg. Wärmenetze werden von den Kommunen und ihren Stadtwerken gebaut. Der Chef der kommunalen Wirtschaft und damit Vorsteher von Deutschlands Stadtwerken, Ingbert Liebing, sagte im Juni im Gespräch mit unserer Redaktion: „Werden die richtigen Weichen gestellt, dürften bis Mitte der 40er-Jahre 40 Prozent oder mehr der Wohngebäude an Wärmenetze angeschlossen sein, statt mit eigenen Wärmepumpen oder Gas beziehungsweise Wasserstoff heizen zu müssen.“ Eine Verdreifachung der Ausbaugeschwindigkeit sei möglich!
Die Politik nahm die Versprechen gerne auf. Ob Bauministerin Clara Geywitz (SPD) oder Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Alle schwärmen plötzlich davon, landauf und landab würden Wärmenetze aus dem Boden gestampft. Aber Vorsicht! „Die Hoffnung auf einen Fernwärme-Anschluss wird sich für den Großteil der Hausbesitzer vermutlich nie erfüllen“, sagt Stefan Bolln. Bolln ist Schornsteinfegermeister und Bundesvorsitzender des Energieberaterverbandes GIH. „Mit dem bisherigen Ausbauziel werden 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, noch drei von vier Häusern individuell heizen, also an kein Wärmenetz angeschlossen sein.“
Warum Wärmenetze nur für 25 von 100 Häusern und nicht für 40 von 100, wie die Stadtwerke versprechen? „Weil der Ausbau gerade in nicht dicht besiedelten Regionen zu teuer wäre“, so Bollns schlechte Nachricht für Menschen in ländlichen Regionen. Denn auch wenn der Wille auf allen Seiten riesig ist: Für den Leitungsausbau brächte es Dutzende Milliarden Euro und schier endlose Tiefbaukapazitäten.
Es wird noch sehr lange Gas fließen
Im Ampel-Streit über das Heizungsgesetz ersetzte die FDP den Wärmepumpen-Fokus durch die Verheißung der Technologieoffenheit. Aus dem Gasheizungsverbot wurde die Erlaubnis, noch jahrelang auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen einzubauen. Der Energieberaterverband GIH geht davon aus, dass noch 1,2 Millionen Haushalte genau das machen werden – und damit vermutlich in eine Falle laufen. Aus zwei Gründen. Zum einen wird das neue Wasserstoffnetz zu 60 Prozent aus umgewidmeten Gasleitungen bestehen. Das Gasnetz wird ausgedünnt. Immer weniger Gas-Kunden werden aber weiter die bestehenden Netzkosten zu tragen haben, die für den Einzelnen folglich kräftig steigen. Und in 22 Jahren will Deutschland klimaneutral sein, das wäre mit der privaten Verfeuerung von Gas nicht möglich. „Die Perspektive muss allen Hauseigentümern klar sein“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Zum anderen wird Gas immer teurer. Schon 2024 steigt der CO2-Preis laut Kabinettsbeschluss von 30 auf 40 Euro pro Tonne, also um 25 Prozent. Bei der Richtung dürfte es bleiben, selbst wenn die CDU die nächste Bundestagswahl gewinnt, denn auch sie sieht im CO2-Preis das wichtigste Klimaschutz-Instrument.
Wasserstoff als Gas der Zukunft
Auch das ist eine von der FDP verbreitete Mär. Aber: „Mit Wasserstoff privat heizen, wird eher vereinzelt eine Option sein“, sagt Bundesnetzagentur-Präsident Müller. Etwa, wenn das Haus im selben Ortsteil wie eine Industrieanlage stehe, die auf Wasserstoff umsteige. „Dass Wasserstoff in Deutschland in der Nutzung im privaten Wärmebereich erschwinglich und verfügbar sein wird, erwartet bisher keiner der Experten“, so der Präsident der Netzagentur. Gründe sind nicht nur der extrem hohe Energie- und Wasserbedarf zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Der kostbare Stoff wird schlicht dringender für andere Herausforderungen gebraucht als fürs Heizen, etwa zum Erzeugen von Strom.
Mit Heizungstausch ist Sache erledigt
Dass Robert Habeck beim Heizungsgesetz erstmal die Wärmenetze außen vor ließ, wurde schon viel kritisiert. Wer bald Fernwärme bekommt, braucht schließlich nicht selbst für sehr viel Geld die Heizung umzurüsten. Das Gesetz hätte aber noch früher vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen.
Stefan Bolln formuliert es so: „Es ist ein Kardinalfehler des Gebäudeenergiegesetzes, dass der Heizungsgstauch politisch quasi vor die Sanierung gerückt wird.“ Die Reduktion des Energieverbrauchs müsse der erste Schritt sein, denn vom Sanierungszustand hänge ab, welche Heizung am besten passe.
Tatsächlich wird in Brüssel längst über Sanierungspflichten verhandelt. EU-Kommission und EU-Parlament wollen einen strengen Sanierungszwang durchdrücken. Der wiederum könnte das Heizungsgesetz ad absurdum führen. Denn für maximal gedämmte Häuser braucht es weder Gasheizungen noch teure Fernwärmeleitungen, da reicht tatsächlich eine Wärmepumpe.
Am besten erst mal abwarten?
Bundesnetzagentur-Präsident Müller warnt jedenfalls vor Torschlusspanik: „Ganz allgemein raten wir davon ab, jetzt Investitionen vorzuziehen und noch schnell eine fossile Heizung einzubauen. Das wird auf lange Sicht teuer.“
Keine Gasheizung mehr kaufen, aber auch nicht abwarten – das empfiehlt Energieberater Bolln: „Stecken Sie das gesparte Geld in die Modernisierung des Hauses, weil Heizen mit Gas durch die CO2-Bepreisung definitiv teurer wird und sich ein späterer Umstieg auf elektrisch betriebene Wärmepumpen lohnt“, sagt er. „Gerade in alten Gebäuden gilt: Ran an die Dämmung, um den Energiebedarf zu senken! Das ist das Allerwichtigste.“ Aber auch dafür braucht es freilich sehr viel Geld.