Keine Behörde will für ein eventuelles Tempolimit auf der Landstraße zuständig sein. Auf der L170 konnte die Zahl der Unfälle gesenkt werden.
Tempolimit gefordertAuf der L288 bei Bensberg gibt es jährlich sechs Wildunfälle
Nach dem erneuten Wildunfall auf der Landstraße zwischen Forsbach und Bensberg und der Forderung von Förster Jürgen Greißner nach einem Tempolimit für diese Strecke lichtet sich langsam der Nebel hinsichtlich der Frage, welche Behörde für ein Tempolimit unterhalb der gesetzlichen hundert Kilometer pro Stunde zuständig wäre. Hilfreich dafür ist eine Auskunft der übergeordneten Bezirksregierung. Zudem hat die Polizei auf Anfrage die Unfallzahlen der vergangenen fünf Jahre für die beiden Landstraßen rund um Forsbach veröffentlicht.
Laut Polizei ist es in den letzten Jahren auf der größtenteils mit Tempo 100 ausgewiesenen Landstraße zwischen Forsbach und Bensberg pro Jahr zu sechs Wildunfällen gekommen, in den beiden ersten Jahren von Corona dagegen nur zu zwei beziehungsweise drei. Die beteiligten Menschen blieben jeweils unverletzt. Polizeisprecherin Tanja Höller: „Im Zehnjahresschnitt, 2013 bis 2022, ereigneten sich jährlich fünf bis sechs Unfälle in diesem Bereich“; die Jahre 2020 und 21 ragten deutlich positiv heraus.
Spektakulärer ist die Entwicklung auf der Landstraße 170 von Kleineichen nach Forsbach, auf der ebenfalls größtenteils Tempo 100 gilt. Nachdem sich dort die Zahl der Unfälle in den Jahren 2015 bis 2017 auf 44 summiert hatte, einigten sich die Landesbetriebe Straßen einerseits und Wald und Holz andererseits sowie Polizei und Stadt Rösrath auf verschiedene Maßnahmen.
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Auf der L170 half ein Zaun
Hauptkommissarin Höller: „Unter anderem wurde im Jahr 2019 mit dem Bau eines Wildschutzzauns begonnen.“ Folge: „Bereits im Jahr 2020 hatten sich die Unfallzahlen deutlich reduziert.“ Auch auf der L170 verliefen die Unfälle der letzten fünf Jahre ohne Schwerverletzte, 2022 und 2023 wurde je eine Person leicht verletzt.
Die Frage, ob die Polizei Handlungsbedarf bezüglich eines Tempolimits im Wald sehe, beantwortet Höller zurückhaltend. Im Kreisgebiet gebe es „keine Unfallhäufungsstellen im Zusammenhang mit Wildunfällen“. Sie weist aber auch darauf hin: „Laut Straßenverkehrsordnung entscheidet die zuständige Straßenverkehrsbehörde über die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung.“
Wer wäre nun zuständig für ein Tempolimit? In erster Linie offenbar die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Bergisch Gladbach, was die Stadt selbst aber bereits am Montag bestritten hat und auch jetzt bestreitet und auf den Kreis verweist. Sprecherin Marion Linnenbrink: „Die Baulast der Stadt Bergisch Gladbach endet vor dem Ortsausgangsschild, egal wie weit das Stadtgebiet sich noch erstreckt. Da es sich um eine Landesstraße in der Baulast des Landesbetriebes handelt und Bergisch Gladbach eine kreisangehörige Stadt sind, müsste die Initiative, einen Unfallschwerpunkt zu behandeln, vom Kreis ausgehen.“
Bezirksregierung: Stadt ist zuständig
Das klingt gut, doch sind Baulast und Straßenverkehrsrecht zwei paar Schuhe. Einmal geht es um die Reparatur von Schlaglöchern, das andere Mal um Halteverbotsschilder oder Tempolimits. Licht in die Nebelkerzendunkelheit bringt die Kölner Bezirksregierung.
Die hatte zufälligerweise schon im Februar einem Bürger die Sache erläutert: „Für Maßnahmen nach § 45 StVO, also auch Anordnungen, in Mittleren und Großen kreisangehörigen Städten sind die örtlichen Ordnungsbehörden dieser Städte – innerhalb ihrer räumlichen Grenzen – zuständig, allerdings sind vor jeder Entscheidung die Polizei und der Straßenbaulastbehörde zu hören“.
RP: Temporeduzierung wäre eine Ausnahme
Das ergebe sich aus der Verwaltungsvorschrift zu dem genannten Paragrafen, der sich mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen befasst. Auf Nachfrage bejaht RP-Sprecher Dennis Heidel die Zuständigkeit der Stadt, soweit die Straße „in diesem Teilstück zur Stadt Bergisch Gladbach gehört“.
Auf die Frage, ob es rechtliche Hindernisse für ein Limit gebe, antwortet Heidel: „Grundsätzlich sind Landesstraßen für den übergeordneten Verkehr gedacht und daher sind Geschwindigkeitsbegrenzungen auch nur im Rahmen des § 45 STVO möglich. Eine Temporeduzierung ist daher nur in den dort genannten Fällen (z.B. wenn ein Kindergarten, Schule, Altenheim direkt dort an der Straße liegt) möglich. Der Förster könnte sich also an die zuständige Straßenverkehrsbehörde wenden, damit von dort geprüft werden kann, ob hier – aufgrund der vermehrten Wildwechselunfälle (erhöhte Unfallgefahr) – ausnahmsweise eine Temporeduzierung möglich ist.“ Die Stadt müsse natürlich auch Polizei und Landesbetrieb als Straßenbaulastträger anhören.
Tempo und Gefahren
Je höher die Geschwindigkeit, desto gravierender sind die Auswirkungen bei einem Unfall, meint die Landesverkehrswacht NRW, und: „Jede kleine Änderung der Geschwindigkeit hat überproportionale Auswirkungen auf die Unfallfolgen. Je höher die Geschwindigkeit, umso weniger Zeit bleibt für die Korrektur von möglichen Fehlern.“ Fehler kämen häufig vor. Ein so komplexes System wie der Straßenverkehr funktioniere nur, wenn genügend Zeit für die Kompensation von Fehlern bleibe. Die Verkehrswacht fordert Tempo 130 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen.