In einer umfassenden Analyse beschäftigt sich die New York Times mit Trumps öffentlichen Reden – und stellt seine geistige Verfassung in Zweifel.
Sprache „auf Niveau eines Viertklässlers“Beleidigungen, wirre Reden – Neue Zweifel an Trumps geistiger Eignung
Im Laufe der vergangenen Jahre sind die Reden von Donald Trump länger, schärfer, unkonzentrierter und profaner geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag erschienene, umfassende Analyse der „New York Times“. Der Präsident sei zudem zunehmend auf die Vergangenheit fixiert, dies ergebe der Rückblick auf zahlreiche öffentliche Auftritte im Laufe der letzten Jahre, so die Analysten.
Sie stellen in dem Zusammenhang die Eignung des 78-jährigen Präsidentschaftskandidaten infrage. Untermauert wird die Analyse zum einen mit statistischen Erhebungen, zum anderen kommen zahlreiche ehemalige Mitarbeiter oder Weggefährten Trumps zu Wort.
Donald Trump: New York Times analysiert Reden und zweifelt an geistiger Eignung
Trump weiche in seiner Rede immer wieder ab, wiederhole sich, wechsle ohne erkennbaren Grund das Thema. „Er stellt haarsträubende Behauptungen auf, die aus der Luft gegriffen zu sein scheinen. Er schweift ab in bizarre Tangenten über Golf, über Haie, über seinen eigenen ‚schönen‘ Körper. Er freut sich über ‚einen tollen Tag in Louisiana‘, nachdem er den Tag in Georgia verbracht hat“, heißt es im Bericht der Times beispielhaft.
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Trump rede fast doppelt so lange bei Kundgebungen wie 2016 (82 Minuten), verwende deutlich mehr Schimpfworte und negative Wörter, so die Ergebnisse einer Computeranalyse. Er beziehe sich häufig auf die Vergangenheit, oft auf die 1980er und 1990er Jahre, als er seine Blütezeit in der Boulevardpresse erlebte. Die Daten allerdings dürften niemand verwundern, auch Zweifel an seiner geistigen Verfassung lassen sich dadurch nicht belegen.
Wirre Wahlkampfreden von Donald Trump
Zusätzlich liefern die Autoren deshalb zahlreiche Beispiele aus Trumps Reden, in denen sich der Republikaner inkohärent äußert, Dinge verwechselt oder Tatsachen verdreht. So erzählte Trump eine Woche nach der TV-Debatte mit Vizepräsidentin Kamala Harris lebhaft, wie das Publikum auf seiner Seite war. Der Haken: Es gab überhaupt kein Publikum, die Debatte fand in einem leeren Saal statt. Niemand „drehte durch“, wie Trump es ausdrückte, denn es war niemand da.
Ein anderes Mal habe er innerhalb von zehn Minuten über 20 Mal das Thema gewechselt. Die Times zitiert zahlreiche wirre Stellen aus Trumps Reden – und lässt Beobachter zu Wort kommen. Anthony Scaramucci, ehemaliger Trump-Verbündeter und jetziger Harris-Unterstützer, will eine Veränderung beim Immobilien-Mogul ausgemacht haben. „Er tritt nicht mehr auf dem Niveau an, auf dem er vor acht Jahren angetreten ist, keine Frage“, wird Scaramucci, zitiert. „Er hat an Schlagkraft verloren. Er hat die Fähigkeit verloren, kraftvolle Sätze zu formulieren.“
„Ich glaube nicht, dass irgendjemand jemals sagen würde, dass Trump der geschliffenste Redner ist, aber seine jüngsten Reden scheinen zusammenhangloser zu sein, und er schweift noch mehr ab, und er hatte einige ziemlich auffällige Momente der Verwirrung“, sagt Sarah Matthews, einst Trumps stellvertretende Pressesprecherin. Weitere Trump-Gegner äußern sich im Bericht ähnlich.
Donald Trump: Sprache auf Niveau eines Viertklässlers?
Die New York Times belässt es in ihrer umfassenden Analyse allerdings nicht bei den persönlichen Eindrücken von Weggefährten, sondern bemüht auch die Wissenschaft. Eine Studie der University of Montana aus dem Jahr 2022 habe ergeben, dass die Komplexität von Trumps Reden deutlich geringer war als die des durchschnittlichen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Die Times-Analyse ergebe zudem, dass Trump „auf dem Niveau der eines Viertklässlers“ spreche – räumt aber ein, dass der Komplexitätsgrad von Trump in den letzten Jahren nicht zusätzlich abgenommen habe.
Wirre Reden, Falschbehauptungen, Gedankensprünge – sind das nun Beweise für seinen geistigen Verfall oder Resultat seiner Wahlkampfstrategie? Sein Verhalten zeige charakteristische Merkmale eines Soziopathen, urteilte der Gutachter und Psychiater Lance Dodes bereits 2017 über Trump. Es handle sich dabei um „eine der schwerwiegendsten aller seelischen Störungen“.
Fortgeschrittenes Alter von Donald Trump bleibt Wahlkampfthema
Mit den Zweifeln an Trumps geistiger Eignung für eine zweite Amtszeit – nach dem Ausscheiden von Biden ist Trump mit 78 Jahren nun der älteste Präsidentschaftskandidat einer großen Partei in der Geschichte und wäre der älteste Präsident aller Zeiten, wenn er gewinnt und eine weitere Amtszeit mit 82 Jahren beendet – ist die New York Times nicht allein. „Trumps Reden scheinen von Tag zu Tag weitschweifiger und unverständlicher zu werden“, urteilte der Sender MSNBC in einem Meinungsstück im September. Zahlreiche Kritiker sehen Trumps Alter als Problem, auch viele Wählerinnen und Wähler sehen darin ein Risiko, wie Umfragen zeigen.
Donald Trump selbst widerspricht entschieden. „Ich spreche zwei Stunden lang ohne Teleprompter, und wenn ich auch nur ein falsches Wort benutze, heißt es: ‚Er ist kognitiv beeinträchtigt‘“, beschwerte er sich kürzlich bei einer Kundgebung. Bei seinen ständigen Gedankensprüngen handle es sich um eine absichtliche und „brillante“ Kommunikationsstrategie.
US-Wahlkampf: Donald Trump und Kamala Harris in Umfragen fast gleichauf
Unterstützer pflichten dem Republikaner bei. Sam Nunberg, ein ehemaliger politischer Berater des Rechtspopulisten, sagte, er „sehe keinen großen Unterschied“ zum Trump der letzten Jahre. „Er ist nicht geradlinig“, aber „er war nie linear“. „Trump liegt nie falsch“, sagte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten kürzlich über sich selbst in Wisconsin. „Ich liege niemals falsch.“
Seine Kampagne weigert sich indes, medizinische Unterlagen herauszugeben. Anlässlich der Debatte um Trumps Alter verwies sie lediglich auf einen einseitigen Brief, der im Juli von seinem ehemaligen Arzt im Weißen Haus veröffentlicht wurde. Darin heißt es, dass es dem ehemaligen Präsidenten „gut geht“, nachdem er bei einem Attentatsversuch von einer Kugel getroffen wurde.
Die Diskussionen um sein Alter scheinen Donald Trump bislang nicht groß zu schaden. Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in den USA ist deren Ausgang ungewisser denn je. Der Redaktionsausschuss der New York Times hatte Anfang Oktober eine Wahlempfehlung für die demokratische Kandidatin Kamala Harris gegeben. „Kamala Harris ist die einzige Wahl“, schrieb das sogenannte Editorial Board der Zeitung in einem am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Meinungsartikel. Der republikanische Kandidat Donald Trump sei dagegen ungeeignet.