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Ukraine bei „Anne Will“Söder und Klingbeil lassen emotionale Grüne kühl abblitzen

Lesezeit 5 Minuten
Anne Will Beck 030422

Marieluise Beck (r.) bei Anne Will 

Was kann Deutschland tun, wenn ein direkter militärischer Einsatz im Ukraine-Krieg ausgeschlossen bleibt? Über diese Frage hat die Talkrunde bei Moderatorin Anne Will diskutiert. Vielleicht der wichtigste Ansatz: Putin den Geldhahn zudrehen. Will stellte die Frage: Soll Deutschland den Import von Gas und Öl sofort stoppen?

„Wenn von einem Tag auf den anderen diese Importe ausbleiben, würde das dazu führen, dass ganze Industriezweige ihre Tätigkeit einstellen müssten.“ Das Statement, das Bundeskanzler Olaf Scholz am vergangenen Sonntag bei „Anne Will“ abgegeben hat, liegt über dieser Sendung, aber ist es noch haltbar? Denn der Druck wird größer – angesichts der dramatischen Bilder um die Tötungen von Zivilistinnen und Zivilisten in der ukrainischen Kleinstadt Butscha.

Über die schwierige Frage des Import-Stopps diskutierten:

  1. Lars Klingbeil
  2. Markus Söder
  3. Veronika Grimm
  4. Marieluise Beck
  5. Robin Alexander

„Es sind schreckliche Bilder, die uns aus dem ukrainischen Butscha erreichen“, eröffnet Anne Will die Talkrunde am Sonntagabend. Wie kann Deutschland antworten? „Deutschland kann nicht alleine antworten, sondern nur im Verbund. Wir müssen aufhören, Putins Kriegskasse zu füllen“, fordert Marieluise Beck, die kurz zuvor die Lage in Kiew gesehen hat.

Beck ging sogar weiter und forderte: „Der Himmel muss endlich geschlossen werden, damit die russischen Bomben und Geschosse nicht mehr in der Ukraine einschlagen.“ Eine Forderung, die auch der ukrainische Präsident Selenskyj immer wieder an EU und Nato gerichtet hat. Auf die Frage, ob man einfach so nach Kiew reisen könne, antwortete Beck: „Nein, einfach ist es nicht. Es gab sehr viel Alarm.“ Sie betonte, dass es „schlichtweg nicht wahr“ sei, das die Russen Kiew nicht mehr angreifen würden.

Was kann Deutschland gegen Putins Krieg überhaupt noch tun?

Was also tun? Beck sagte: „Angesichts der dramatischen Bilder in der Ukraine müssen wir neu denken, was wir aushalten können“ und spielte damit auf den Import-Stopp aus Russland und die damit steigenden Energiekosten in Deutschland an.

„Ich halte ein sofortiges Gas-Embargo für das falsche Signal“, konterte Klingbeil. „Bei all diesen Bildern, bei all diesen Emotionen, die auch ich habe, müssen wir uns über die Konsequenzen bewusst sein.“ SPD-Chef Klingbeil betonte, dass er in die Ministerinnen und Minister der Ampel-Regierung vertraut. Er wolle weiter auf „vorbereitete und gezielte, scharfe Sanktionen“ setzen. Für Journalist Robin Alexander der falsche Weg: Sanktionen sollten hart und auf einen Schlag treffen und nicht nach und nach wie von der Regierung aufgebaut werden.

Markus Söder sagte: „Wir können mehr tun, etwa Waffen liefern wie andere europäische Länder ohne selbst zur Kriegspartei zu werden.“ Der bayerische Ministerpräsident stellte seine Vorstellung für das Energieentlastungpaket vor, ein Plan bis 2024 – Beck schüttelte währenddessen den Kopf, sie forderte ein sofortiges Handeln: „Die Ukraine hat keine Zeit mehr.“

Von Söder folgte dann ein Seitenhieb an Philosoph Richard David Precht: „Die Ukraine ist viel stärker, als einige gedacht haben. Der ein oder andere hatte schon gefragt, warum die Ukraine nicht einfach aufgibt.“ Precht hatte diese Frage gestellt. Söder untermauerte damit sein Argument, dass man auch einen langfristigeren Plan für Sanktionen und ein mögliches Energie-Embargo brauche.

„Was passiert, wenn man nicht entschlossen gegen Putin vorgeht?“, fragte Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm. „Wenn die Entscheidung nicht hart genug ist, kann es von Russland auch wahrgenommen werden als Einladung, einfach weiterzumachen.“

Einen sofortigen Import-Stopp befürwortete auch Beck erneut: „Ein kurzer, harter Schnitt“ lautete ihre Parole als Zeichen an Putin, der diesen Schock durch „den Westen“ dann verarbeiten müsse. Söder stellte sich dagegen, er sagte: „Wir haben zwei Verantwortung. Ja, wir müssen der Ukraine helfen. Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen in diesem Land.“

Der Moment des Abends: Grünen-Politikerin fordert mehr Waffenlieferungen „als Schutz“

Nachdem die Talk-Runde sich nicht auf eine Vorgehensweise bei Energie-Embargos einigen konnte, stellte Moderatorin Will eine neue Frage: Hängt Deutschland zu sehr an den Beziehungen zu Russland? „Die Kritik, das die Politik zu lange Fehler in der Kommunikation gemacht hat, die nehme ich an“, räumte SPD-Chef Klingbeil ein, „aber ab dem 24. Februar, dem Start der russischen Invasion, war die Lage klar.“ Klingbeil nahm damit auch Große Koalition unter Kanzlerin Merkel in die Verantwortung.

Für Beck und Alexander gehen die deutschen Lösungen nicht weit genug: „Was Sie liefern, sind alte JVA-Panzer“, sagte Alexander und spielte damit auf Verkauf von alten Schützenpanzern an die Ukraine an.

Beck setzt noch einen drauf und liefert den Moment des Abends: Sie fleht Klingbeil, der stellvertretend für Scholz in der Runde sitzt, regelrecht an, mehr Waffen in die Ukraine zu liefern. „Das sind nicht immer nur böse Soldaten. Das Militär kann auch schützen, vor allem Zivilisten.“ Beck, selbst Mitglied des Bundestags bis 2017, schlägt ungewohnte Töne für eine Grünen-Politikerin an. Klingbeil nimmt das Flehen zur Kenntnis und beschwichtigt. Söder schwieg zunächst und sprach dann doch, aber wieder über Import-Stopp und nicht Waffen.

Fazit: Emotionalität, Rationalität und keine Antworten gegen Putin

Es ist eine bemerkenswerte Sendung insofern, dass Emotionen und Rationalität aufeinandertreffen. Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck, die nicht mehr im Bundestag sitzt, ruft immer wieder emotionale Botschaften, Bitten und ein regelrechtes Flehen in die Talkrunde. Sie fordert, die Politik müsse härter vorgehen oder die Ukraine würde „untergehen“. Ihr gegenüber sitzen vor allem Klingbeil und Söder, die auf einer bemerkenswert ähnlichen Linie sind: kühl, rational, strategisch.

Und so ist es wenig erstaunlich, dass die Talk-Runde keine eindeutige Antwort findet, wie man Putins Krieg stoppen kann – muss sie vielleicht auch nicht.

Es ist Nachrichtensprecher Ingo Zamperoni, professionell rüber-moderiert von Anne Will, der das Schlusswort zu den Eindrücke des Tages findet: Es gebe noch keine Gewissheit, aber es könne sein, dass Butscha für immer mit einem Massaker assoziiert werde.