Wie das geht, rechnet Finanzplaner Michael Huber, der beim VZ Vermögenszentrum das Anlagemanagement verantwortet, für unsere Redaktion vor.
Experte rechnet vorMit 10 Prozent des Netto-Gehaltes mit Wertpapieren fürs Alter vorsorgen
Wer sich allein auf die gesetzliche Rente verlässt, wird seinen Lebensstandard im Alter wohl einschränken müssen. Zwar will die Bundesregierung die gegenwärtig umlagefinanzierte Rente künftig mithilfe des Kapitalmarktes und der sogenannten Aktienrente stabilisieren. Dies wird die individuelle Rentenhöhe allerdings nicht nach oben anpassen.
Vielmehr sollen Aktien künftig sicherstellen, dass die deutschen Rentenbeiträge nicht steigen und gleichzeitig die Renten nicht gekürzt werden müssen. Kurzum, es bleibt dabei: Um später genug Geld zu haben, gilt es bereits heute privat vorzusorgen – indem man sich etwa seine eigene Aktienrente erstellt. Wie das geht, rechnet Finanzplaner Michael Huber, der beim VZ Vermögenszentrum das Anlagemanagement verantwortet, für unsere Redaktion anhand eines Beispiels vor.
Wie hoch soll die spätere Wunschrente sein?
„Bevor ich starte, brauche ich ein Konzept“, sagt der Experte. Als Erstes wäre da die Frage, wie viel Geld jemand im Ruhestand zur Verfügung haben will, die sogenannte Wunschrente. Für die Modellrechnung gehen wir von einer 37-jährigen, angestellten Person aus, deren Jahresbruttogehalt 50.000 beziehungsweise monatliches Nettogehalt 2680 Euro beträgt.
Mit 67 Jahren, also in 30 Jahren, will diese Person in den Ruhestand gehen und dann jeden Monat 2010 Euro netto nach heutiger Kaufkraft zur Verfügung haben. Aufs Jahr berechnet, ergibt das eine Wunschrente in Höhe von 24.120 Euro.
Als Nächstes gilt es, die Inflation in der Rechnung zu berücksichtigen: „Die Inflation erhöht meine Wunschrente – weil ich diese ja in heutiger Kaufkraft zur Verfügung haben möchte“, erklärt Huber. Heißt: Wer in 30 Jahren 2010 Euro im Monat nach heutiger Kaufkraft zur Verfügung haben will und dabei von einer durchschnittlichen Inflation in Höhe von 2,5 Prozent ausgeht, benötigt Hubers Rechnung zufolge effektiv 4216 Euro beziehungsweise 50593 Euro im Jahr. Im Jahresdurchschnitt lag die Inflationsrate in Deutschland 2022 zwar mit 7,9 Prozent deutlich höher – grundsätzlich aber ist laut Huber eine durchschnittliche Teuerung zwischen 2 und 3 Prozent realistisch.
Wie hoch ist die erwartete Rentenlücke?
Eine Wunschrente in Höhe von jährlich 50593 Euro ist für die Beispielperson viel Geld. Und Fakt ist: Allein mit der gesetzlichen Rente wird sie diesen Betrag nicht erreichen, zumal sie heute im Jahr 50.000 Euro verdient. Selbst wenn man – wie Experte Huber – künftig von einer leicht überdurchschnittlichen, jährlichen Gehaltssteigerung in Höhe von 2,5 Prozent ausgeht, sammelt die Person in den kommenden Jahren im Schnitt „nur“ 1,3 Entgeltpunkte jährlich.
Nach ihrem Erwerbsleben erhält sie damit eine Rente in Höhe von 39.509 Euro. Nach Abzug von Steuern und Krankenversicherung bleiben dem Finanzexperten zufolge dann noch netto 33.582 Euro Rente übrig. Mit anderen Worten: Im Ruhestand entsteht eine Rentenlücke in Höhe von jährlich 17.011 Euro die der Person für ihre Wunschrente noch fehlen.
Wer diese Lücke schließen will, muss sparen. Und vor allem: Geld anlegen. Huber vom VZ Vermögenszentrum empfiehlt, in börsengehandelte Indexfonds zu investieren, sogenannte ETF, die die Wertentwicklung bekannter Marktindizes wie den Dax, S&P 500 oder den Weltaktienindex MSCI World eins zu eins abbilden. „Das regelmäßige Besparen eines gestreuten ETF-Portfolios ist am sinnvollsten“, sagt der Experte.
Gestreut heißt: Das ETF-Portfolio sollte weltweit anlegen. Die Beimischung von kleineren und mittleren Unternehmen erhöhe dabei die Renditeerwartung. Allerdings sei die Auswahl der Titel eine Wissenschaft für sich, sagt Huber. „Aber wer auf gängige Indizes bei bekannten Anbietern setzt, liegt schon mal nicht komplett falsch.“ Zudem rät Huber dazu, dass der Sparbeitrag direkt nach Gehaltseingang vom Konto abfließen sollte, „sodass man sich an das niedrigere Einkommensniveau gewöhnt und gar nicht erst in Versuchung gerät.“
Wie viel muss monatlich gespart werden?
Huber hat eine grundsätzliche Faustformel: „Für 1000 Euro Wunschrente neben der gesetzlichen Rente muss ich mindestens 250000 Euro auf der Seite haben. Diese Zahl erschlägt einen förmlich – ist aber mit konsequentem Sparen aufgrund des Zinseszinseffekts durchaus erreichbar.“ Denn der Zinseszins sind Zinsen, die auf zuvor verdiente Zinsen anfallen. Das bedeutet: Die einmal erzielten Erträge erwirtschaften über viele Jahre kontinuierlich wieder neue Erträge, wenn sie reinvestiert werden.
Es gilt also: Je länger die Anlagedauer, desto stärker der Zinseszinseffekt. „Der in jungen Jahren gesparte und gut angelegte Euro kann zur Rente durchaus 7 bis 10 Euro wert sein“, verdeutlicht der Finanzplaner.
Heißt: Um die Rentenlücke zu füllen, ist weniger Geld nötig, als man zunächst annehmen würde. Grundsätzlich empfiehlt Huber mindestens 10 Prozent des Nettogehaltes zu sparen. Entsprechend geht der Experte auch in der Modellrechnung davon aus, dass die Beispielperson monatlich 10 Prozent ihres Einkommens in einen ETF-Sparplan investiert und die Einzahlung aufgrund der unterstellten Gehaltssteigerung jährlich um 2,5 Prozent erhöht.
MSCI World seit 1975 im Plus
Zudem nimmt Huber eine jährliche Rendite in Höhe von 7 Prozent an. Zum Vergleich: Anleger, die auf den Aktienindex MSCI World setzten, konnten seit 1975 eine durchschnittliche Rendite zwischen 8 und 9 Prozent jährlich erzielen.
Unter diesen Annahmen wird der Modellrechnung zufolge das ETF-Portfolio zu Beginn des Ruhestandes 440.000 Euro wert sein, wovon weniger als 150.000 Euro an Eigenleistung erbracht werden musste. „Fast das doppelte davon entfallen auf Zinsen- und Zinseszinsen“, erklärt Huber. Oder anders ausgedrückt: Nach 30 Jahren hat die Beispielperson auf diesem Weg knapp 150.000 Euro angespart, kommt aber auf ein Kapitalstock in Höhe von gut 440.000 Euro.
Wie stark reduziert die Abgeltungssteuer Erträge?
Will die Person direkt auf das gesamte Geld zugreifen und entsprechend das ETF-Portfolio zu Beginn des Ruhestandes komplett auflösen, muss sie eine Abgeltungssteuer auf die Gewinne zahlen. Von den gut 440.000 Euro bleiben dann unterm Strich noch rund 365.000 Euro übrig. Löst umgekehrt die Beispielperson mit 67 Jahren das ETF-Portfolio nicht auf, gilt es, dieses ruhestandstauglich defensiver auszurichten, „da ab jetzt Entnahmen notwendig sind und die Risikobereitschaft in der Regel abnimmt“, erklärt Huber.
Konkret heißt das: Aktien-ETF sollten im Portfolio abgebaut werden und stattdessen stärker auf risikoärmere Anlagen wie Anleihen-ETF sowie Tages- und Festgeldern gesetzt werden. Dieser Übergang könne fließend erfolgen, sagt Huber, da die Gelder im Ruhestand nicht alle auf einen Schlag benötigt werden, sondern scheibchenweise über die einzelnen Jahre. „Genau hier liegt auch ein häufig gemachter Denkfehler“, so der Experte, „dass davon ausgegangen wird, dass alle Gelder auf einen Schlag zur Verfügung stehen müssen.“
Durch die Entnahmepläne kommt die Wunschrente dann schließlich aufs Konto. „Der Entnahmeplan ist sozusagen ein umgekehrter Sparplan: Es werden regelmäßig ETF-Anteile verkauft“, erklärt Huber. Der Rest bleibt im Portfolio und wirft Jahr für Jahr weiter Rendite ab – vorausgesetzt, die Annahmen treten wie geplant ein. In der Modellrechnung geht der Experte zudem davon aus, dass die Beispielperson mit 80 Jahren ihren Konsum etwas reduziert, sodass sie monatlich entsprechend auch weniger Geld benötigt. Geht die Rechnung auf, hat die Person zehn Jahre später, mit 90 Jahren, schließlich ihre selbst erstellte Aktienrente aufgebraucht.