Die Vorstände in deutschen Unternehmen werden langsam weiblicher. Die Initiative Fidar sieht gesetzliche Vorgaben als Grund dafür – und fordert weitere Maßnahmen.
Zum WeltfrauentagWie es um die Frauenquote in Unternehmen der Region steht
Lanxess steht vor einem gewaltigen Sprung nach vorne. Noch liegt der Kölner Spezialchemiekonzern auf dem geteilten 57. und letzten Platz des sogenannten Women-on-Bord-Index. Den ermittelt die Initiative Fidar – das steht für „Frauen in die Aufsichtsräte“. Sie stellt zusammen, wie viele Frauen es in Aufsichtsrat und Vorstand von Unternehmen gibt, darunter die Quoten in 64 börsennotierten Unternehmen, deren Aufsichtsrat paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer besetzt ist. Doch das wird sich bei Lanxess bald ändern.
Der Aufsichtsrat von Lanxess hat bereits im November Frederique van Baarle (51) in den Vorstand berufen. Die Niederländerin wird Arbeitsdirektorin und außerdem verantwortlich für Region Americas. Noch leitet sie den Geschäftsbereich High Performance Materials, der in ein Joint Venture für Hochleistungskunststoffe mit dem Private-Equity-Unternehmen Advent eingebracht wird. Die Aufsichtsbehörden haben inzwischen grünes Licht gegeben, der Abschluss der Transaktion sollte in den nächsten Wochen erfolgen. Dann nimmt sie die neue Tätigkeit im Vorstand auf.
Lanxess erfüllt die Selbstverpflichtung
Eine Frauenquote von 20 Prozent – das bedeutet schon Platz 31 in der Rangliste. Mittelfeld also. Die Selbstverpflichtung für den Vorstand hat Lanxess damit erfüllt. Dabei soll es nicht bleiben. „Wir möchten Managementpositionen bis Ende 2030 mindestens mit 30 Prozent Frauen besetzen“, teilte ein Sprecher mit. Ende 2021 habe der Anteil im nicht auf den Vorstand beschränkten Kreis des Managements bei 24, Ende 2022 bei 25,2 Prozent gelegen. Positionen in den Führungsebenen unterhalb des Vorstands sind dabei Sprungbretter in das Gremium.
Auf Platz 15 schoss zuletzt Deutz, nachdem eine Frau in den dann vierköpfigen Vorstand eingerückt ist. Vorangegangen war ein heftiger Streit zwischen dem damaligen Vorstandschef Frank Hiller und dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Bernd Bohr, bei dem beide ihre Posten verloren. Dabei ging es auch um die Berufung einer Frau in das Gremium.
In vierköpfigen Vorständen von börsennotierten Unternehmen, die einen paritätisch aus Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten Aufsichtsrat und in der Regel mehr als 2000 Mitarbeitende haben, muss laut dem im August des abgelaufenen Jahres in Kraft getretenen Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) mindestens eine Frau vertreten sein. Beschlossen hatte es die Bundesregierung bereits Anfang 2021. Dennoch hatte Deutz zwei frei werdende Positionen mit Männern besetzt.
Qualifizierte Frauen sind in der Branche angeblich schwer zu finden. Dabei hatte Deutz bis zu ihrem altersbedingten Ausscheiden 2018 mit Margarete Haase eine hochgeschätzte Finanzvorständin. Nun ist Petra Mayer seit dem 1. November als Chief Operating Officer verantwortlich für das Produktionsressort.
Keine Frau im Vorstand haben aktuell neben Lanxess noch sieben weitere Unternehmen in der genannten Kategorie. Vier weitere geloben Besserung und nennen Frauenquoten zwischen 15 und 25 Prozent als Ziel. Letzteren Wert nennt die Indus Holding in Bergisch Gladbach, die derzeit einen Vorstand mit vier Männern hat. Wann es so weit sein wird, sagt das Unternehmen aber noch nicht.
Zwei Unternehmen nennen allerdings die Zielgröße Null für den Anteil der Frauen im Vorstand. Das muss jetzt nicht nur für die oberste, sondern auch für die zweite Führungsebene substanziell begründet werden. Nicht einfach. Eine Zielgröße Null sollte aber aus Sicht von Anja Seng, der Präsidentin von Fidar, keine Option sein.
Frauen in Führung: Das Gesetz zeigt Wirkung
„Es tut sich etwas, wo sich etwas tun muss. Fast überall, wo das gesetzliche Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände gilt, hat der Anteil der Frauen im Top-Management zugenommen“, sagt Seng, Inzwischen beträgt der Frauenanteil bei den 183 Unternehmen der Dax-Familie sowie des geregelten Marktes laut dem WOB-Index 17,1 Prozent. Ende 2022 waren es lediglich 15,3 Prozent, Ende 2021 nur 13 Prozent. Das Gesetz habe erfreulich schnell gewirkt. Die gesetzlichen Regelungen für die Besetzung im Top-Management sollten darum ausgeweitet werden.
Nach einem leichten Anstieg des Frauenanteils auch bei den Führungskräften wollen die Ford-Werke den Anteil weiblicher Führungskräfte weiter ausbauen, auch in den technischen Bereichen. Im Top-Management beträgt die Frauenquote derzeit 17 Prozent.
Wie viel geht, zeigt ein Blick auf die Deutsche Telekom, die einen Frauenanteil von 37,5 Prozent hat. In öffentlichen Unternehmen gibt es teils noch höhere Quoten. Bei dem Regionalversorger Rheinenergie sitzen zwei Frauen und zwei Männer im Vorstand.
Es gibt auch rein weibliche Vorstände. Bei der ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe steuern drei Frauen die Geschäfte. Würde hier der Vorstand erweitert, müsste ein Mann berufen werden, sollte die Berufung auch Gültigkeit haben. Aber auch in öffentlichen Unternehmen sieht Seng noch Handlungsbedarf bei der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in der Unternehmensleitung. „Hier möchten wir besonderes die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand betonen“, so die Fidar-Präsidentin.
Und je mehr Frauen im Top-Management seien, um so mehr Rollenvorbilder gebe es, die dringend gebraucht würden. Ein Vorbild gibt es im Sommer auch bei der Sparkasse Köln Bonn. Sonja Hausmann leitet dann das Privatkundengeschäft.
Alternative: Unternehmensgründung
Beim Thema Frauen in Führungspositionen in großen Unternehmen gibt es in Deutschland noch viel Luft nach oben, findet Nicole Grünewald, die Präsidentin der IHK Köln. "Wichtig wären sichtbar mehr Frauen in Vorständen", so Grünewald. Ihr Tipp für alle, die auf der Karriereleiter nach oben wollen: Klare Ziele haben, Netzwerke aufbauen, authentisch bleiben, auch mal Rückschläge einstecken können – und mutig sein. Top-Leistungen zu erbringen und darauf warten „entdeckt“ zu werden, funktioniert in den seltensten Fällen. Wer in die Chefetage will, muss das nicht nur wollen, sondern auch klar kommunizieren. Selbst ein Unternehmen zu gründen ist natürlich auch eine gute Alternative, die ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen kann!“