Vorwurf der PräsidialherrschaftPräsidentin der IHK Köln unter Druck
- In der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln ist Feuer unter dem Dach.
- 28 Mitglieder der Vollversammlung, dem höchsten Gremium der Kammer, haben eine außerordentliche Sitzung durchgesetzt.
- IHK-Präsidentin Nicole Grünewald agiere intransparent, sogar der Vorwurf der „Präsidialherrschaft“ wird erhoben.
Köln – Inhaltlich kritisiert die Gruppe um den früheren IHK-Chef Werner Görg eine Sonderprüfung über die vergangenen Jahre, die das Präsidium ohne Anlass angestoßen habe und die wohl teuer werde. Dann geht es um das alte Kammergebäude in der Kölner Innenstadt. Das soll nach einem Beschluss der alten Vollversammlung verkauft werden, die Kammer soll nach Köln-Mülheim ziehen. Das Präsidium habe den Verkauf gestoppt, so die Kritiker. Das hätte nur die Vollversammlung beschließen können.
Weiter geht es um die Nutzung eines US-Mailingsystems, wodurch E-Mail-Daten auf Servern in den USA gespeichert werden. Das widerspreche einer Vereinbarung zwischen Kammerpräsidium und Vollversammlungsmitgliedern, so die Kritiker. Sie monieren außerdem eine Publikation von Kommunalwahl-Prüfsteinen. Diese habe nur eine Vollversammlung beschließen können. Sie seien aber bereits im Internetauftritt der Kammer zu finden. Dort werden sie freilich „Arbeitsstand“ genannt. „An den Vorwürfen ist nichts dran“, sagte Grünewald. Die Vollversammlung sei der richtige Ort, um das zu klären. Weiter äußerte sie sich nicht.
Durch die Vollversammlung zieht sich schon länger ein Graben. Grünewald war vor fünf Jahren noch Görg bei der Wahl zum Präsidentenamt unterlegen, im Januar setzte sie sich dann im zweiten Wahlgang durch.
Die Vollversammlung dürfte sich außerdem mit Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt befassen. Am späten Dienstagabend hatten die Kammer und er eine einvernehmliche Trennung verkündet. Sein noch bis Ende 2021 laufender Vertrag wurde aufgehoben. Reichardt betont in einer Mitteilung, er habe bereits im März angekündigt, dass er seine berufliche Zukunft außerhalb der IHK Köln fortsetzen wolle. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, das umzusetzen. „Für seine Arbeit in den vergangenen Jahren danke ich Ulf Reichardt sehr herzlich und wünsche ihm für den weiteren Lebensweg weiterhin viel Glück und Erfolg“, ließ sich Grünewald in der Mitteilung zitieren.
Die Vollversammlung
Die Tagesordnung der heutigen Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK) ist kurz: gerade einmal vier Komplexe, eingerahmt von Begrüßung durch die Präsidentin und Schlussfolgerungen als dem letzten Tagesordnungspunkt. Wegen der Corona-Pandemie findet sie in der Lanxess-Arena statt. Die bietet ausreichend Platz und Abstand für die 70 der 91 Vollversammlungsmitglieder, die sich bis Mittwochnachmittag angemeldet haben.
Ungewöhnlich: Die Sitzung ist nicht turnusgemäß. Eine Sitzung im April ist wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. Für Donnerstag haben 28 Mitglieder der Vollversammlung, darunter Wilhelm von Moers (Handelshof), Julie Edelmann-Veith (Kommunikationsberaterin), Sandra von Müller (Bäro), Flughafenchef Johan Vanneste und der ehemalige Kammerpräsident Werner Görg (Roland) diese Zusammenkunft als außerordentliche Sitzung durchgesetzt. Sie attackieren die seit Januar amtierende Kammerpräsidentin Nicole Grünewald. Es geht um eine Sonderprüfung, um den Verkauf des alten Kammergebäudes in der Kölner Innenstadt, um Mailings an die Vollversammlungsmitglieder und Wahlprüfsteine. „An den Vorwürfen ist nichts dran“, sagt Grünewald. Einzelheiten nennt sie nicht. Die heutige Vollversammlung sei der richtige Ort, um die Angelegenheit zu klären.
Die Sonderprüfung
Die Vollversammlungsmitglieder wollen wissen, warum das neue Präsidium – womöglich teure - Sonderprüfungen über die vergangenen Jahre angeordnet hat. Sie sehen dafür keinen Anlass. Ermittelt haben die Rechnungsprüfer der IHKen aber, dass wurde aber beim Kauf des Lofthauses eine Nutzwertanalyse unterlassen wurde, wie aus dem Umfeld der Kammer verlautete. Die hatte ein Vollversamlungsmitglied beantragt, die Versammlung selbst aber mit Mehrheit abgelehnt. Das muss jetzt nachgeholt werden. Und über die Analyse muss die Vollversammlung dann befinden.
Das Kammergebäude
Grünewald habe den Verkauf des Kammergebäudes in der Kölner Innenstadt gestoppt, heißt es bei den Unterzeichnern des Antrags. Das Präsidium soll Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt aufgefordert haben, den Verkaufsprozess zu stoppen und sämtliche diesbezügliche Aktivitäten einzustellen. Das sei, so argumentieren sie, ein Verstoß gegen Vollversammlungsbeschlüsse.
Mailing
Der Newsletter von Grünewald ist über den US-Anbieter Mailchip gelaufen. Genutzt worden sein soll die Homepage eines Kunden von Grünewalds Werbeagentur. Kritiker monieren, dass damit E-Maildaten in den USA gespeichert werden, was gegen eine zwischen den Vollversammlungsmitgliedern und der Kammer vereinbarte Datennutzung verstoße. Die Kritik an derartiger Speicherung ist öfter zu hören, Mailchip kann aber auch gemäß der deutschen Datenschutzgrundverordnung genutzt werden, sagen IT-Experten.
Wahlprüfsteine
Die IHK formuliert vor Wahlen Forderungen an die Politik. Die hätte jetzt das Präsidium statt der zuständigen Vollversammlung beschlossen, so die Kritiker. Die „Wahlprüfsteine“ sind im IHK-Internetauftritt zu lesen. Sie werden „Arbeitsstand“ genannt und damit als vorläufig charakterisiert.
Generell monieren die Kritiker ein intransparentes Arbeiten von Grünewald. Das hätten sie in einem offenen Brief an sie dargelegt. Von „Präsidialherrschaft“ ist die Rede. Dabei hätte es seit dem 4. Mai Präsenzsitzungen der Vollversammlung geben können. Sie bemühe sich nicht, Gräben in der Kammer zu überwinden und melde sich zu selten bei Unternehmen.
Vollversammlung der IHK
Die Vollversammlung ist das oberste Gremium der IHK Köln. Sie wird alle fünf Jahre gewählt. Sie bestimmt die Richtlinien der IHK-Arbeit, wählt das Präsidium, den Hauptgeschäftsführer oder die Hauptgeschäftsführerin, legt Mitgliedsbeiträge und Gebühren fest und beschließt über den Wirtschaftsplan. Sie fasst zudem Beschlüsse über Fragen, die für die Wirtschaft des IHK-Bezirks von grundsätzlicher Bedeutung sind.
An der Spitze stehen die Präsidentin Nicole Grünewald (Köln) und die Vizepräsidentinnen und Präsidenten Anton Bausinger (Köln), Mike Gahn (Köln), Sven Gebhard (Waldbröl), Tina Gerfer, Bernhard Graner-Sommer (Bergfisch Gladbach, Hendrik Pilatzki (Engelskirchen), Christian Remmert (Köln), Johannes Schillin (Köln), Sibylle Stürmer Köln). (raz)