Berlin – In der Union wächst der Unmut über den harten Kurs von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Reform der Grundsteuer. Scholz habe seinen Gesetzentwurf für die Neubewertung der 36 Millionen Grundstücke in Deutschland nicht wie üblich zunächst mit dem Kanzleramt abgestimmt, bevor er ihn an die übrigen Ministerien verschickte, lautet der Vorwurf aus der Union. Nun sei die Sache festgefahren, weil vor allem die CSU in Bayern den Plänen von Scholz grundsätzlich nicht zustimmen werde. Daher verzögere sich die Kabinettsbefassung, die nun vor der Sommerpause infrage stehe.
Dabei drängt die Zeit: Das Bundesverfassungsgericht hatte der Regierung vorgegeben, die Neuregelung der Grundsteuer spätestens bis Ende des Jahres ins Gesetzblatt zu bringen. Es hatte 2017 geurteilt, die bisherige Festlegung der Grundsteuer sei verfassungswidrig. Der Festlegung der Steuer liegen in Ostdeutschland noch Grundstückswerte von 1935 und in Westdeutschland von 1964 zugrunde.
Nachbarn mit unterschiedlicher Steuer
Das kann dazu führen, dass nebeneinander liegende Immobilien noch heute völlig unterschiedlich besteuert werden, weil sich die Grundstückswerte vor Jahrzehnten unterschieden hatten. Nun sollen alle Grundstücke bis zum 1. Januar 2022 neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre. Erstmals soll die neu berechnete Grundsteuer 2025 fällig werden. Scholz plädiert für ein wertabhängiges Modell: Wer eine teure Immobilie in gefragter Lage besitzt, soll mehr Grundsteuer bezahlen müssen als in peripheren Lagen. Deshalb soll die Grundsteuer künftig vor allem nach dem Bodenwert und der durchschnittlich erzielten oder fiktiven Miete berechnet werden.
Dies dürfte aber dazu führen, dass vor allem Immobilienbesitzer in großen Städten teils erheblich mehr Grundsteuer werden bezahlen müssen als bisher. Das will die Union verhindern. Vor allem die CSU propagiert ein reines, wertunabhängiges Flächenmodell, wonach sich die Steuer fast ausschließlich nach der Größe eines Grundstücks bemessen würde.
Die CSU will daher eine Öffnungsklausel im Gesetz durchsetzen: Jedes Bundesland soll selbst bestimmen dürfen, welche Besteuerungsmethode es künftig anwendet. Scholz hat zugesagt, die Öffnungsklausel prüfen zu lassen. Am 10. Mai soll es dazu eine Expertenanhörung in seinem Ministerium geben, an der neben Verfassungsjuristen auch Ländervertreter teilnehmen.
Scholz setzt auf Senkung der Hebesätze
Das CSU-geführte Bundesinnenministerium war bereits im März zu dem Schluss gekommen, dass eine Länderöffnungsklausel verfassungskonform sei. „Der Bund kann entweder durch ein Freigabegesetz oder die Aufnahme einer Öffnungsklausel den Ländern einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum für eine abweichende Gesetzgebung einräumen“, heißt es in einem Ministeriumspapier, das unserer Redaktion vorliegt. Eine grundlegende Neukonzeption der Grundsteuer, wie sie Scholz vorschwebt, sei dagegen nicht verfassungskonform. „Sie ist nach derzeitiger Verfassungslage den Ländern vorbehalten“, heißt es.
„Der Gesetzentwurf wird definitiv in dieser Fassung nicht ins Kabinett gehen“, sagte CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. Scholz setze darauf, dass die Kommunen ihre Hebesätze senken, damit sich das Grundsteueraufkommen nach der Neubewertung der Grundstücke insgesamt in einer Kommune nicht erhöhe.
„Der Bund hat aber überhaupt nicht in der Hand, ob und wie stark die Kommunen ihre Hebesätze senken werden“, sagte Michelbach. Auch viele potenzielle SPD-Wähler in den Städten würden nicht verstehen, „warum sie wegen Scholz deutlich mehr Grundsteuer werden zahlen müssen“.
Was Sie zur Grundsteuer wissen sollten
Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen: Pro Jahr fließen rund 14 Milliarden Euro. Für die Stadt Köln beispielsweise macht sie jährlich rund 230 Millionen Euro aus. In Bergisch Gladbach sind es 24,9 Millionen bei einem Gesamthaushalt von aktuell rund 300 Millionen. Die Kommunen legen die Hebesätze selbst fest. „Die Grundsteuer ist lebenswichtig“, sagte Bergisch Gladbachs Kämmerer Frank Stein. Er tritt dafür ein, dass der Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz umgesetzt wird, der bei der Berechnung den Wert des Bodens und den von Immobilien darauf kombiniert.
Bei der Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Städte- und Gemeindebundes stand das Thema Grundsteuer am Donnerstag ebenfalls auf der Tagesordnung. Rheinbachs Bürgermeister und Sprecher der 19 Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis, Stefan Raetz, nahm daran teil. „Die Grundsteuerreform darf nicht scheitern. Die Notwendigkeit, ein neues Modell zu erarbeiten ist seit Jahren bekannt. Im föderalen System muss sich nun geeinigt werden. Ein Scheitern würde zu noch mehr Politikverdrossenheit führen“, so Stefan Raetz auf Anfrage. „Wenn die Reform scheitert, werden wir Kommunen von Bund und Land finanziellen Ausgleich fordern.“ (ese/raz)